Tag 143 - Haare ab, Reifen platt (22.10.2024)
Von Coutances nach Avranches
Wir erwachen ausgeruht auf dem Boden in Sandras WG-Haus. Die Nacht war ruhig und der Regen hat endlich aufgehört. Dann geht es zum Frühstück in die Küche. Wir machen uns gerade Müsli, als Sandra im Schlafanzug dazustößt. Wir reden ein wenig, trinken einen Kaffee und die Zeit verfliegt. Sandra muss einen Zug erwischen und wir auch los in Richtung Mont Saint Michel. Wir lernen noch einen Mitbewohner kennen, sammeln all unsere Habseligkeiten ein und bepacken die Esel. Dann verabschieden wir uns und schon geht es los. Wir rasen die engen Gassen im Sonnenschein hinab und stehen plötzlich vor einer Abzweigung. “Ist das unser Weg?”, fragt Kyra irritiert. Doch Michi muss nach einem genaueren Blick auf die Karte bestätigen: “Ja… das ist unser Weg.” Der schmale Pfad führt in einer steilen Rechtskurve den Hügel hinauf. Brombeeren säumen den Pfad und tragen noch Früchte. Wir naschen ein paar, ehe es weiter hinauf geht. Durch den Regen der vorigen Tage plätschert uns ein kleiner Bach auf dem nun schlammigen Weg entgegen. Die Reifen drehen durch und auf den letzten Metern blockieren zwei Autos den Weg. Es hilft nichts, absteigen und schieben. Weiter geht’s zum Glück auf Asphalt. Wir rauschen abseits des Trubels dahin. Die Sonne lacht, der Fahrtwind streift angenehm durchs Haar. “Bei der nächsten Bank eine Pause?“, fragt Michi hoffnungsvoll. “Ja, bitte!”, erwidert Kyra. Also suchen wir nach einer. Doch es will einfach nichts kommen. Nach einer gefühlten Ewigkeit erblicken wir… Holzliegen. Besser geht es kaum. Wir parken die Esel und lassen uns die Sonne ins Gesicht scheinen. Ein alter Mann säubert Die Straße und schneidet Büsche zurück. Er winkt und freut sich unheimlich für uns und über das schöne Wetter. Wir genießen Baguette, Käse, Marmelade und Wurst. Beinahe schläft Michi ein. Doch wir müssen langsam weiter. Etwas widerwillig packen wir alles ein und radeln weiter.
Es geht durch kleine Orte über Landstraßen und plötzlich sehen wir es… Mont Saint Michel. Im abendlichen Dunst liegt das Kloster auf der anderen Seite der Bucht in der Ferne. Es hat doch etwas besonderes, ja fast magisch anziehendes. Wie mag dies nur auf Pilger gewirkt haben, die vielleicht noch nie größeres als ihre heimische Kapelle oder kleinere Klöster und Burgen entlang des Weges erblickt haben? Man kann es nur erahnen. Wir genießen den Anblick und einen Apfel und folgen der Straße weiter. Rasant geht es einen Hügel hinab und im Schatten wird es eiskalt. Es dämmert und Nebel zieht auf. “Wie weit ist es noch?”, fragt Kyra, als wir etwa 15 km vom zuvor erwählten Schlafplatz entfernt sind, doch… Pffffffffff… “Ich glaub’, ich habe einen Platten.”, sagt Kyra bestürzt. “Ohhh nein, verflucht. Schon wieder? Das darf doch nicht…”, flucht Michi entnervt. Es hilft jedoch nichts, der Reifen ist platt. Die Nacht bricht herein und wir flicken. Laden auf und erneut… platt… “Das gibt’s doch nicht!”, stöhnen wir beide. Unter der Laterne wabert unser Atem in weißen Schwaden in die Nacht. Die letzten verlassen gerade das Firmengelände vor dem wir stehen und blicken uns irritiert und voller Mitleid an. Wir betrachten den Schlauch genauer. Ein länglicher Streifen Abrieb führt fast um den gesamten Schlauch. Das Felgenband ist verrutscht. Wir kleben zur Sicherheit etwas Tape einmal komplett auf der Innenseite entlang. Doch Moment, haben wir noch einen guten Schlauch? Natürlich nicht… Welcher ist der beste? Alle haben den kreisrunden Abrieb… Alle bis auf einer, doch auch hier muss zunächst ein Loch geflickt werden. Als wir dieses gerade suchen, kommt ein Mann mit Hund zu uns. Er spricht fast nur französisch, aber schnell ist klar, dass er sich mit Fahrrädern auskennt und er uns helfen möchte. Er wohnt in der Nähe und wir sollen warten. Mit einem Lächeln und neuem Schlauch sowie Luftpumpe kommt er zurück. In Windeseile ist der neu Mantel aufgepumpt und der Reifen wieder im Rad.
Da es bereits dunkel wird, lädt Jeff uns kurzerhand in sein Haus ein. Er war professioneller Mountainbiker, doch nach einem Sturz ist es “nur” noch ein Hobby. Schnell sind die Drahtesel in der Garage verstaut und wir staunen nicht schlecht. Eine kleine Fahrradwerkstatt versteckt sich in der Garage. Während wir duschen, bereitet Jeff Käse-Nudeln vor. Dazu gibt es ein frisch gezapftes Bier. Mit mit dem Smartphone werden die Sprachbarrieren gebrochen und wir unterhalten uns gut. Die beiden Kinder sind in den Ferien gerade bei den Großeltern und so haben er und seine Frau Anne Sophie etwas Zeit für sich. Schon kommt sie von der Arbeit nach Hause. Der Hund begrüßt sie überglücklich und sie setzt sich sichtlich erschöpft an den Tisch. Wir unterhalten uns noch eine ganze Weile über alles Mögliche, z.B. die Arbeit, Musik und das Radfahren. Dann fallen uns allen so langsam die Augen zu. Anschließend wird geklärt, wann wir morgen aufstehen und was wir frühstücken wollen. Sie beziehen noch die Couch im Wohnzimmer für uns. Dann wünschen wir uns alle: “Eine gute Nacht.”