Tag 5 - Da ist Amsterdam! (06.06.2024)
Von Den Oever nach Amsterdam
Wir haben erstaunlich gut geschlafen und der Tipp des freundlichen Campers vom Vorabend zahlt sich aus. Nach nächtlichen Regenschauern öffnen wir das klatschnasse Zelt. Zrrrrrrrt… und die Morgensonne scheint durch Bäume, vorbei an Hecken, perfekt auf unseren Platz und kitzelt die Nasen. Klasse! „Wie hast du geschlafen?“, fragt Michi Kyra. „Sehr gut, nur meine Hüfte… Ich muss die Isomatte morgen etwas…“ Doch ein frecher Piepmatz aus dem Laub des Waldes möchte nun den Tag begrüßen und fällt Kyra ins Wort. Aus dem morgendlichen Gruß wird ein nicht endendes Loblied auf die Sonne, den Tag, das Wetter und den Wald. Nun stimmt auch der Rest in die Lobeshymne ein. Sogar die Frösche im Teich lassen sich zu einem fröhlichem „Quack, queeeeck“ zwischen den Seerosen hinreißen. Wir halten inne und genießen die Stille der Natur. Wir wischen das nasse Außenzelt trocken und schlendern zur Dusche. Was für ein Luxus. Nach den gestrigen Strapazen wohlverdient und mit jedem Tropfen genossen. Zurück am Zelt wird dieses zügig eingepackt, da sich dunkle Wolken bedrohlich schnell auftürmen und sich auf uns vier zubewegen. Als alles verstaut ist bemerken wir, dass der Wind zwar auffrischt, das Unwetter jedoch vorbeizieht. Wir mixen uns noch Mangosaft und Joghurt zu dem, was wir an diesem Morgen als das beste Frühstück der Welt befinden.
Freudig rollen wir zur Rezeption und stellen fest, dass niemand da ist. Ein kurzes, aber umso freundlicheres Telefonat später ist klar, wir bekommen eine Rechnung per E-Mail, alles passt, wir dürfen losradeln und gerne wiederkommen. Den idyllischen Platz inmitten der niederländischen Natur mit seinen modernen und alternativen Elementen behalten wir für die Zukunft im Hinterkopf. Insbesondere das einladende Glas-Gewächshaus mit Lesesesseln, Tischen und Wasserkocher sowie die Feuerstelle des „Natuurkampeerterrein Het Bos Roept“ müssen wir in Zukunft noch testen. Beschwingt lassen wir uns vom Rückenwind tragen. Rückenwind? Ja wirklich, mit knapp 20 km/h jagen Emil und Elias dahin, bis sie nach etwa einem Kilometer zurück auf den Boden der Tatsachen geholt werden. Rechts abgebogen und Gegenwind aus Süd-West. Es scheint etwas verhext, doch das mindert mitnichten die Freude. Bisweilen säumen Hecken und kleine Waldstreifen die Straße und bieten immer wieder kurze Momente der „Windstille“. Radreisende winken uns glücklich und zahllose Kirchtürme finden sich hinter den unendlichen, von Wassergräben durchzogenen Weiden und Feldern. Nach etwa 40 km legen wir unsere erste Pause ein. Die Hintern schmerzen und wir verspüren Grummeln in der Magengegend, das nur durch eines gestillt werden kann: Dubbel Vlal! So gestärkt können die nächsten Kilometer kommen. Der Wind wird immer gnädiger und so haben wir zuletzt nur noch Seitenwind. In Purmerend werden wir auf perfekten Radwegen durch das Grün der Stadt oder am Verkehr vorbei geleitet. Erneut radeln wir vorbei an Eseln, Kühen und schon stehen wir an der kleinen Seilwinden Fähre in Ilpendam. Naja… wir stehen auf der anderen Straßenseite hinter dem Schlagbaum und warten. Drücken den Knopf. Warten… und zack öffnen sich die Schranken. Wir reichen dem Fährmann 1,80 € für die sichere Überfahrt. Er lächelt. „Your are coming from far away, don’t you?“, fragt er uns mit Blick auf die beiden bepackten Drahtesel. „Well… Germany. We startet our Trip around the world in Emden. It’s just our fifth day.“, erklärt Michi. Ein anderer Gast steigt interessiert in die Unterhaltung ein. Die kurze Überfahrt ist somit noch kürzer.
Beim Verlassen ruft der Fährmann uns hinterher. „When you come back, you’ll get a free ride!“ Das merken wir uns und wir freuen uns auf die gratis Überfahrt in zwei bis drei Jahren. Lachend und freudestrahlend drehen wir uns um, treten in die Pedale und „Da ist Amsterdam!“ Entfährt es uns gleichzeitig. Hinter den Feldern mit der kleinen Windmühle ist die Skyline Amsterdams zu erblicken, starten Flugzeuge von Amsterdams Luchthaven (Flughafen) Schiphol, rasen Autos in endlosen Kolonnen in den Feierabend.
Das Gewässer, das wir gerade überquert haben ist der Noordhollandsch Kanaal und ungläubig stellen wir fest: „Der bringt uns direkt bis zur Fähre an der Centraal Station“, Amsterdams Dreh und Angelpunkt für Bahnreisende. Verwöhnt von guten Radwegen erreichen wir das immer pulsierendere Leben der Großstadt. Der Trubel verschlingt uns, nein eigentlich nimmt er uns sanft in den Arm und je weiter wir in die Stadt gelangen, umso mehr werden wir ein Teil der klingelnden, Handzeichen gebenden und kräftig strampelnden Masse neben dem normalen Straßenverkehr. Hin und wieder überschneiden sich die Domänen. Doch trotz des Gewusels funktioniert das Miteinander von Fuß-, Rad-, Lkw- und Pkw-Verkehr durch gegenseitige Rücksichtnahme und gute Infrastruktur erstaunlich gut. Noch eine Linkskurve und da liegt der Hauptbahnhof hinter dem Wasser. Immer wieder schön anzusehen, doch unser Ziel liegt davor. Eine kleine Pommes Bude: Pont Neuf. Unserer Meinung nach mit die besten Pommes in Amsterdam und vielleicht sogar darüber hinaus. Wem also der Trubel der Innenstadt, z.B. bei Manneken Pis zu viel ist, aber dennoch nicht auf gute Pommes verzichten möchte. Ab auf die Wasserseite des Bahnhofs, rauf auf die kostenlose Fähre und auf der anderen Seite nach nur 50 m Trüffel-Mayo, Pommes sowie, wahlweise auch vegane, Frikandel speciaal genießen. Mhhh lecker!
Da die Sonne weiterhin lacht schlemmen wir noch einen Eiskaffee und machen uns gestärkt auf den Weg zu einem kleinen Campingplatz, da unser kostenloser Garten/Couch leider doch keinen Platz mehr hatte. Schade, aber in der Stadt vergehen die 7 Kilometer, wie 2 am Deich. Man schaut, entdeckt, beobachtet und lässt sich von den Eindrücken tragen. Vorbei an einem Golfplatz und durch saftig grünes Schilf, geht es über eine romantische weiße Brücke hinein in ein verträumtes Örtchen. Der Besitzers des Platzes zeigt uns den Weg zur Zeltwiese. Finanzen regeln wir später. „Sucht euch einen Platz, baut auf und ich esse fertig.“, sagt er lachend. Eine große Zeltwiese mit einigen anderen Zelten und zwei Bereichen für Camper überraschen uns hinter dem alten Hofgelände. „Zwei Personen, ein Zelt, sonst nix?“ Wir bejahen und stehen für unter 20 € quasi in Amsterdam. Besser geht’s kaum! An einem Picknicktisch genießen wir die Abendsonne, schreiben diese Zeilen und nutzen noch die Kraft der Sonne für unsere Elektronik. Als die Flugzeuge in den Sonnenuntergang starten und die Kälte der Nacht so langsam in unsere Glieder kriecht, springen wir noch schnell unter die Dusche und verschwinden im Schlafsack. Gute Nacht!