Tag 40 – Hallo Schottland (11.07.2024)
Von Boulmer nach Ladykirk
Wellen rauschen, Möwen schreien… Wir wachen langsam mit dem Blick auf das Meer auf. Die Flut hat ganze Arbeit geleistet und das Wasser ist nun ganz nah. Eine Weile liegen wir nur da und schauen den Wellen zu. Das Wasser ist klar und der kleine Sandstrand leuchtet förmlich. Was für ein Ausblick! Eigentlich unbezahlbar und für uns umsonst aus unserem kleinen grünen Zelt. Nach einer Weile raffen wir uns dann doch auf und fangen an das Zelt abzubauen. Es konnte in der Nacht gut trocknen, nur die Bodenplane ist noch komplett nass. Als alles eingepackt ist, schieben wir Emil und Elias zurück zum Weg und fahren den kleinen Wanderweg bis zum Ende.
An einer kleinen Holzbrücke trifft dieser wieder auf den Radweg. Hier machen wir ein Foto mit den Drahteseln und uns vor der See. Nur wenige Meter weiter kommt die nächste kleine Brücke und hinter ihr ein paar Stufen. Perfekt zum Sitzen und Frühstücken. Wir trinken einen Kaffee und essen Toast. Dazu gibt es etwas Gemüse und Obst. In der Ferne sind zwei Surfer im Wasser. Immer wieder stürzen sie sich in eine Welle und paddeln danach zurück aufs Meer hinaus. Kurz bevor wir fertig gefrühstückt haben und aufbrechen wollen, sind auch sie verschwunden. Nach den ersten Tritten in die Pedale, sehen wir, dass der Himmel über uns immer mehr aufreißt. Zwischendurch scheint sogar die Sonne auf uns.
Unser Weg führt an Kühen vorbei und in der Ferne sehen wir eine alte Ruine, die wir bereits von unserem Schlafplatz erahnen konnten. Als der Himmel wieder zu zieht, stehen wir in der Nähe der Ruine, machen ein paar Fotos und eine Toiletten Pause. Welche Ereignisse sich wohl um Dunstangburgh Castle zugetragen haben? Manchmal wäre es spannend in die Vergangenheit reisen zu können. Aber unsere Reise geht weiter in Richtung Norden. Wir fahren an traumhaften Stränden vorbei und fahren das ein oder andere Mal etwas ins Landesinnere, nur um anschließend wieder an wunderschöner Küste entlang geführt zu werden. In Seahouses geht Kyra einkaufen und besorgt eine Kleinigkeit zum Mittagessen. Unseren Tageseinkauf möchten wir erst am Abend in Berwick-upon-Tweed im günstigeren Discounter machen. Nach dem Einkauf fahren wir ein paar Meter weiter und setzen uns auf eine Bank mit Blick aufs Meer. Wir naschen Brot mit Nudel- sowie Kartoffelsalat und Hummus. Zum Nachtisch gibt es Berliner. Lecker!
Leichter Nieselregen setzt ein und wir fahren weiter. Entdecken dem ausgewiesenen Eurovelo 12 kürzen wir nun ein bisschen ab. Der Eurovelo würde uns erneut ins Landesinnere führen, nur um anschließend zurück an die Küste zu gelangen. Die nicht viel befahrene Hauptstraße am Wasser bietet jedoch schönere Aussichten und eine direkte Verbindung. Somit folgen wir dieser und gelangen schnell nach Bamburgh mit Bamburgh Castle. Anschließend folgen wir wieder dem Fahrradweg und fahren etwas erhöht von der Hauptstraße weiter in den Norden. Unser Weg führt mit gut zu fahrenden Anstiegen auf und ab, bis wir erneut die Hauptstraße kreuzen und zurück zum Meer geführt werden. Gerade wundern wir uns noch über ein Schild mit „Sichere Überfahrt von … bis…“, als wir bemerken, dass wir unseren Fahrradweg verpasst haben. „Jetzt verstehe ich die sichere Überfahrt! Wir sind auf dem Holy Island Causeway und fahren in Richtung Insel“, stellt Michi fest. Auf unseren Fahrradweg gelangen wir jedoch nicht mehr, da die einzige Möglichkeit durch ein Gatter versperrt ist. Am Gatter hängt ein großes Schloss. Somit heißt es umdrehen und den Hügel hinauffahren, um das erste Stück parallel zur Straße über den Fahrradweg erneut hinunter zu fahren, bevor dieser abknickt. Wir ärgern uns ein bisschen und sind kurz genervt, dass wir nicht direkt richtig abgebogen sind, doch der Ärger ist schnell verflogen. Wunderschön fahren wir durchs hohe Gras am Strand entlang. Der komplette Sandstrand ist leer und kein Mensch in Sicht. Nach dem Goswick Golf Club und weiteren auf und ab erreichen wir den Cocklawburn Beach und anschließend einen Schotterweg, der uns über die Steilklippen hinweg führt. „Verrückt! Das ist ganz schön gefährlich hier, oder? Ins rutschen darf man nicht kommen“, meint Kyra. Und Michi bestätigt: „Betrunken sollte man hier kein Fahrrad fahren.“ Nur wenige Zentimeter neben dem Radweg geht es steil die Klippe hinab runter in die offene See. Beeindruckend, aber auch ein wenig beängstigend. Zwischendurch wechselt der Weg von Schotter zu Rasen und wieder zurück. Am Ende wartet eine kurze aber rasante Abfahrt nach Spittal.
Dort angekommen, suchen wir die öffentliche Toilette auf und fahren über die Berwick Bridge nach Berwick-upon-Tweed. Nur noch ein kleines Stück bergauf und wir haben unseren rausgesuchten Discounter erreicht. Während Michi einkaufen geht, sucht Kyra bei Google Maps nach einem möglichen Schlafplatz. Wir sind nur noch wenige Kilometer von Schottland entfernt und in Schottland gilt das Jedermanns-Recht, somit ist Wildcampen für Zelte offiziell erlaubt. In England ist Wildcampen eigentlich verboten und wird nur an Wanderwegen häufig geduldet. Damit es für uns jedoch angenehmer und einfacher ist, entscheiden wir uns noch heute über die Grenze zu fahren. Als alle Einkäufe verstaut sind, ist dies auch schnell bewältigt. Wir machen noch ein Foto an der Grenze und die Schlafplatzsuche kann beginnen.
Obwohl wir uns diese einfach vorgestellt hatten, ist die Umsetzung gar nicht so einfach. Links und rechts der Straße ist alles eingezäunt und in eingezäunten Gebieten darf natürlich nicht gezeltet werden. Somit heißt es weiterfahren. Der Eurovelo 12 würde uns über die Union Bridge für ein kurzes Stück zurück nach England führen. Wir schauen uns jedoch nur kurz die Brücke an, finden keinen Schlafplatz und entscheiden uns auf schottischer Seite weiterzufahren. Eine nächste Möglichkeit könnte die Brücke sein, die uns auf dem offiziellen Radweg zurück nach Schottland geführt hätte. Also fahren wir die noch verbleibenden 9 Kilometer mit bedrohlich schnell sinkender Sonne der Brücke entgegen. Wir haben Glück! In Ladykirk an der Brücke nach England, führt auf schottischer Seite ein kleiner Weg hinunter ans Wasser. An einer Stelle stand anscheinend mal eine Bank, vier Löcher im Boden zeugen noch davon. Dieser Platz reicht genau für unser Zelt. Wir bauen unser Zelt auf und fallen komplett müde in den Schlafsack. Gute Nacht!