Tag 79 - Zurück zum Mainland (19.08.2024)
Von den Fairy Pools nach Mallaig
In diesem Blogbeitrag wird der Besuch einer Whisky-Destille und der Konsum von Alkohol beschrieben. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hat in einem Positionspapier den bisherigen Referenzwert überarbeitet und befindet: “Alkohol ist eine psychoaktive Droge“, bei deren Konsum es “keine risikofreie Menge für einen unbedenklichen Konsum“ gibt. Alkohol ist ein Zellgift und nicht gesund – auch nicht in Maßen. Der Beitrag stellt lediglich eine persönliche Erfahrung dar und soll weder zum Verzehr ermutigen, noch als Werbung für Alkoholkonsum oder dessen Produzenten dienen. Der Beitrag ist nicht für Minderjährige geeignet.
Die Nacht war von Schauern durchzogen, doch der bereits am Vorabend sehr nasse Rasen hielt stand. Ebenso wie unser Zelt, in dem wir früh erwachen. Nach einem schnellen Frühstück bauen wir das mittlerweile getrocknete Zelt ein und suchen einen sicheren Parkplatz für die Drahtesel. Ein Baum an der Einfahrt zur Parkfläche der Fairy Pools scheint gut geeignet. Unsere Idee ist meist: Entweder gut versteckt oder sehr offen. Hier würden die Räder sehr offen stehen und jede Person würde sehen, wenn Unbekannte sich an Emil und Elias zu schaffen machen. Unser Gefühl sagt uns, dass die anderen Anwesenden ein Auge auf die beiden Drahtesel haben. Bevor wir allerdings den geeigneten Baum erreichen, verlassen unsere Nachbarn aus dem Camper von nebenan den Parkplatz und ihr Hund sucht sich genau diesen Baum für die morgendliche Toilette aus. Mist. Der Haufen wird vom Frauchen jedoch gut bereinigt und so können wir Emil und Elias wie geplant abstellen. Als wir loslaufen kommt ein weiterer ”Camper-Nachbar” vom Parkplatz gelaufen und wir kommen schnell ins Gespräch. Daren möchte von den Fairy Pools ein paar Fotos für Instagram (@daz_knotts) machen. Gestern ist er zufälligerweise zur gleichen Zeit zum Old man of storr gelaufen. Wir unterhalb uns den gesamten Weg runter ins Tal, wo wir auf den Wasserlauf der Fairy Pools treffen. Schon der erste Blick ist magisch. Der Wasserlauf wird durch zahlreiche Wasserfälle unterbrochen. Zwischen den Wasserfällen haben sich kleine Pools gebildet, in welchen das Wasser türkis leuchtet. Die gesamte Landschaft ist durch den zu erwarten Regen in Nebel gehüllt und wir hören nichts außer das Rauschen des Wassers. Einfach wunderschön. So unbeschreiblich, dass Michi ein kurzes “Wow!” entfährt.
Gemeinsam mit Daren möchten wir zunächst ein paar Schritte den Berg hinauf laufen und uns erst auf dem Rückweg alles genauer anschauen. Auf ungefähr halber Strecke unseres Weges kommen uns Olli und Emma, die wir bereits gestern Abend kennenlernten, entgegen. “Wie weit geht es noch hoch?” fragt Kyra mit einem Blick auf die Wasserfälle. “Ein ganzes Stück. Wir sind noch ein paar Meter weiter gelaufen, es sieht überall so aus, wie hier“, antwortet Emma. “Aber lasst euch Zeit”, fügt Olli hinzu. Die beiden haben gestern Abend unsere wichtigsten Wertgegenstände bei sich im Auto verstaut. Danke! Wir versprechen gegen 10 Uhr zur Übergabe am Parkplatz zurück zu sein und laufen noch ein paar Meter weiter den Berg hinauf. Bevor wir uns von Daren verabschieden, machen wir gegenseitig noch ein Bild von uns. Dann trennen sich unsere Wege. Nicht eine Minute später fängt es an zu regnen und ein stehenbleiben ist kaum möglich, ohne von zahlreichen Midges belagert zu werden. Zudem steigt mit einem Mal der Tourismus und gefühlt stehen überall Menschen. Da die Gesamtsituation ungemütlich wird, machen wir nur wenige Fotos und laufen schnell zurück zur Straße.
Während Kyra die öffentliche Toilette nutzt, läuft Michi zum Parkplatz vor und nimmt die Elektronik von Emma und Olli entgegen. Zeit für ein längeres Gespräch ist nicht mehr, denn die beiden haben verständlicherweise noch einiges vor und fahren schnell weiter. Kurz darauf erreicht auch Kyra den Parkplatz und im strömenden Regen verlassen wir die schöne Naturlandschaft der Fairy Pools. Doch ein weiteres Highlight liegt vor uns. Emil und Elias tragen uns ein kleines Stück weiter bergauf, bevor es mit schneller Geschwindigkeit wieder hinunter geht. Mehrmals müssen wir halten, da uns auf der Single track road Autos entgegenkommen. “Zum Glück war es gestern schon spät. Hätten wir bergauf so oft halten müssen, wäre jedes Anfahren ein ziemlicher Kraftakt gewesen”, stellt Kyra etwas belustigt fest. Während wir der Talisker Destille Schritt für Schritt näher kommen, wird das Wetter immer schlechter. Klatschnass erreichen wir die Destille und betreten den Besucherraum. Dort ist für die frühe Uhrzeit für Alkohol schon ordentlich was los. Überall wuseln Menschen umher, kaufen eine Flasche, gehen auf Toilette oder machen eine Whiskyprobe. Wir schauen uns in Ruhe alles an und unser Wissen von der Homepage wird auf unsere Nachfrage nochmal bestätigt: Alle Führungen durch die Destille sind ausgebucht. Schade. Eine Führung durch die Talisker Destille, hätte insbesondere Michi gefreut, denn in Sachen Whisky war dies sein erster Kontakt mit einem Single Malt und eine Flasche Talisker 10 für besondere Momente in der überschaubaren Hausbar. Die Führungen waren jedoch bereits seit Wochen und manche Tage seit Monaten ausgebucht. Erschwerend kam hinzu, dass man auf einer Radreise schwer über Wochen im voraus planen kann. Klar, an manchen Grenzen wird das erforderlich sein, aber ein paar Tage Puffer für die Besichtigung einer Destillerie einplanen. Nein, sicherlich nicht. Entweder es klappt oder eben nicht. Dennoch sind wir natürlich etwas enttäuscht, nicht doch irgendwie in eine Führung rutschen zu können.
Etwas enttäuscht wollen wir bereits weiter, als wir uns dann doch dazu entscheiden, zumindest zwei Drams mit Whisky (jeweils etwa 25 ml bis 35 ml) zu probieren. Wir entscheiden uns für die Destillers Edition 2022 und die Destillery Exclusive Edition. Gekonnt schenkt der Barkeeper ein und wir ziehen uns auf einen Tisch der modern eingerichteten Bar zurück. Licht hüllt alles in Blautöne, passende Kunst schmückt die Wände und ein Werbefilm zeigt die junge Künstlerin mit blauen Haaren bei der Arbeit, am Strand, im Atelier und auf dem Wasser. Im Fokus steht natürlich eigentlich Talisker. Die Gesamtatmosphäre ist einfach stimmig. So greifen wir zum Glas mit dem leicht öligen und funkelnden Inhalt. Wir prosten uns mit einem “Slàinte Mhath” zu, schwenken die Flüssigkeit und versuchen zuerst mit der Nase die Aromen aufzunehmen. Zur maritimen Note von Salz und Seetang gesellen sich Rauch und Obst. Während dieses bei der Destillers Edition eher in die Richtung süßer Äpfel geht, riechen wir in der Destillery exclusive mehr beerige Noten und etwas Leder zu Beginn. Dann benetzen wir unsere Lippen und schmecken Torfrauch, eine gewisse leicht rauchig-karamellige Süße, die von einer salzigen Note begleitet wird. Die Destillers Edition weist zudem eine gewisse Chili Schärfe auf, die in der Exclusive nicht so sehr ausgeprägt ist. Ergänzt werden beide durch eine gewisse Fruchtigkeit. Rosinen und Trockenobstnoten bei der Destillers Edition. Citrus-Aromen bei der Exclusive Edition. Wir nehmen einen Schluck und schmecken im Abgang Rauch, eine abklingende leicht pfeffrige Schärfe sowie Holz. Durch die Zugabe von Wasser erhalten die Fruchtkomponenten mehr Raum. So würde es sich vielleicht von einem Whisky-Connoisseur anhören. Wir hingegen genießen einfach den Moment und stimmen überein: Beide Whiskies schmecken uns. So verweilen wir und fühlen uns einfach wohl. So langsam ist unsere Kleidung sogar fast wieder trocken. Nach endlos entspannenden Minuten laufen wir erneut durch den Verkaufsbereich.
Ein Mann kauft zwei Flaschen des Distillery Exclusive und als er eine an seinen Sohn weiterreicht, kann dieser es kaum begreifen. “Keep it for a special occasion”, fügt der Vater hinzu. Wie gerne würde man diese Flasche nun verfolgen und als stiller Beobachter dem Moment der Öffnung beiwohnen. Wird es mit guten Freunden sein, zu einem runden Geburtstag, einer Beförderung, einer Geburt oder dem Tod eines geliebten Mitmenschen? Wir werden es nicht erfahren. Wir stöbern weiter. Eine normale Flasche wird es bei uns definitiv nicht werden. Zu groß, zu schwer, zu viel Alkohol und zu fragil. Zudem würde es unsere Reisekasse erheblich schmälern, sodass am Ende bei der Anzahl der Destillerien statt der Weltreise nur eine Reise nach Schottland stattfinden würde. Ein kleines graviertes Fläschchen des Talisker 10 wäre jedoch eine tolle Erinnerung. Allerdings werden nur die großen Flaschen graviert. Dann vielleicht einen kleinen Schluck zum Mitnehmen? Nein, auch abgefüllte 25 ml finden wir nicht. Doch zwischen all dem Merchandise von T-Shirts, Seifen, Notizbüchern und Bar-Zubehör entdecken wir gravierte Tasting-Gläser. Von der Form entsprechen sie den Glencairn-Gläsern, nur ohne Glasfuß. Klein und leicht, aber fragil. Wir können nicht widerstehen und kaufen zwei. Dick in Papier eingepackt befördern wir die beiden sicher zu den im Regen ungeduldig wartenden Eseln. Noch ein Selfie vor der Destillerie und wir rollen… zum Dorfladen. Wir kaufen Marmelade, Brötchen und einen Karamellkeks-Aufstrich, zudem ein kleines Sandwich und Milch. Gestärkt und nach Stunden auch fahrtauglich, radeln wir den Hügel hinauf. Wir schwitzen, doch der Regen kühlt uns. Nach einer Ewigkeit im Stop-and-Go der gut befahrenen Single track road erreichen wir die Hauptstraße. Diese führt uns vorbei an unbekannten Wasserfällen, die von den Hügeln ins Tal stürzen. Es beginnt wieder aus Eimern zu regnen. Nein, wir werden regelrecht mit Wasser übergossen. Als der Schauer nachlässt, geht es hinab zur Sligachan Old Bridge.
Die bröckelige Straße mit ihren Schlaglöchern ist so von Regenwasser überströmt, dass man kaum erkennt, wo die Straße anfängt oder der zu einem Bach angeschwollene Seitenstreifen aufhört. Dazwischen verstecken sich die Schlaglöcher, die nur kurz zwischen den Fontänen der anderen Fahrzeuge zu erkennen sind. Der Tanz der Esel auf engstem Raum durch Wasser und um die Löcher herum beginnt. Dann rumst es hinter Elias. “Whuaaaaahh!”, ruft Kyra. Ein weiteres Rumsen und Emils Bremsen quietschen. Gummi reibt nass über Asphalt und sandiges Wasser knirscht an den Flanken der Felgen. Doch auf den Schock folgt Erleichterung. Emil hat die Schlaglöcher gut weggesteckt und Kyra ihren Esel auf der Straße gehalten. Der restliche Verkehr strömt, wie das Wasser unbeirrt weiter. Die Steinbrücke ist schön und alt, aber trotz des Wetters überlaufen. Wir entscheiden uns weiterzufahren. Es geht lange am Wasser entlang und nach einer rasanten, aber diesmal trockenen Abfahrt passieren wir zahlreiche wartende Autos beim Eas a’ Bhradain. Der Wasserfall ist beeindruckend, doch unsere Fähre duldet keine Verzögerung. So fahren wir weiter im goldgelben Sonnenschein. Bei Harrapool verlassen wir die Küste und kreuzen, stumm tretend und erschöpft, das Innere der Insel zum Kinloch Forest, als es erneut zu regnen beginnt. Dann sehen wir nach einem Hügel die See und möchten am liebsten vor Freude jauchzen, als wir erkennen, dass doch noch ganze 10 Meilen vor uns liegen. Das wiederum übersetzt in Fahrzeit bedeutet für uns eine gute Stunde. “Das schaffen wir, aber es wird knapp!”, ruft Michi und versucht irgendwie neue Kraft und Mut in die Worte zu legen. Im ewige Auf und Ab kriechen Nässe und Kälte erneut in die Glieder und säen Zweifel. Die Torabhaig Destillerie liegt wie gemalt zur linken. Das Wasserrad dreht sich noch langsam, ansonsten ist es ruhig und kein Rauch steigt aus dem Schornstein empor. Es ist still und nur unser regelmäßiger schwerer Atem ist zu hören. Verleiht der Erschöpfung Ausdruck und mahnt zugleich wie das unaufhörliche Ticken eines Metronoms das Verstreichen der Zeit an. Dann sehen wir unsere Fähre übers Wasser auf den noch nicht einsehbaren Hafen zugleiten. Der Takt wird schneller, neue Kraft erwächst aus der Verzweiflung. Die Fähre verschwindet aus dem Sichtfeld. Autos der Fähre kommen uns entgegen. Andere überholen uns in Eile. Zwei Rennradfahrer mit leichtem Gepäck kommen uns entgegen. Sie beachten unseren Gruß nicht und fluchen nur in dünnen hautengen Langarmshirts über den Regen. Dann sehen wir das Ortsschild von Armadale, das Schild zur Fähre und kurz darauf diese selbst. Ein Einweiser begrüßt uns freundlich. Außer Atem kommen wir zum Stehen. “Relax you’ve made it”, sagt er mit einem breiten Grinsen. Wir kaufen im Fähranleger schnell zwei Karten.
Nach einem Apfel, denn Kyra in einer Geschwindigkeit isst, dass es einem Zaubertrick, der Gegenstände verschwinden lässt, gleichkommt, geht es auf die Fähre. Wir kaufen durchnässt noch je einen absolut überteuerten und Kaffee. Doch das nötige Wohlbefinden siegt über die Vernunft. Das Getränk wärmt uns von Innen und schon erreichen wir Mallaig. Wir überlegen sogar, ob wir in ein Hostel oder kleines Hotel gehen sollen. Als Kyra nochmal kurz in den Co-op springt, prüft Michi die örtlichen Unterkünfte. Nichts ist frei. Auch ein Anruf bleibt gänzlich unbeantwortet. So schieben wir unsere Esel ins Ungewisse, steigen auf und erblicken Duschen und Toiletten an einem Wohnmobilstellplatz. Eine niederländische Familie steht mit ihrem Wohnmobil auf dem Busparkplatz neben ein paar Picknickbänken. Der kleine durchnässte Grünstreifen hat es uns angetan. Wir fragen die Niederländer, ob es für sie in Ordnung ist, da wir genau in ihrem Sichtfeld stehen würden. “No, problem”, sagt der Vater und wir beginnen die kleine Rasenfläche nach Hundekot und anderem Unrat abzusuchen. Nachdem alles entfernt ist, bauen wir schnell das Zelt auf. Dann springen wir unter die Dusche, die nur zwei Modi kennt. 2 £ für weniger als 4 Minuten oder 4 £ für mehr als 4 Minuten. Clever entscheiden wir uns zu zweit für mehr als 4 Minuten. Wir duschen uns schnell ab und wollen dann noch etwas das heiße Wasser genießen und Wäsche waschen. Nach etwa 4 Minuten und vielleicht 5 Sekunden läuft kein Wasser mehr, weder kalt noch warm. Immerhin sind wir geduscht und entschäumt, sodass wir zumindest halb zufrieden ins Zelt kriechen. Wir machen noch schnell Wraps und schlafen erschöpft ein. Dann schrecken wir auf, es prasselt. Pfützen haben sich um das Zelt gebildet, aber alles hält dicht. Der Wind hat jedoch gedreht und so aufgefrischt, dass Michi in die Dunkelheit huscht und das Zelt nachspannen muss. Als die Böen nachlassen, schlafen wir erneut ein und werden nur noch einmal kurz von den Rufen einer Robbe geweckt, die es sich scheinbar auf einem der Felsen direkt unterhalb unseres Zelts gemütlich gemacht hat. Gute Nacht!