Tag 112 - Zum ersten Mal mit dem Zug (21.09.2024)
Von Killarney auf den St.-Georgs-Kanal
In dem kleinen Waldstück raschelt es. Ein Rehbock ruft und Äste knacken. “Kschhh!”, macht Michi und wir schlagen erneut kurz ein. Noch vor der Dämmerung erwachen wir erneut. Wir packen zusammen. Im ersten Dämmerlicht rollen wir durch den Park. Vereinzelt spazieren Menschen mit ihrem Hund durch den Park und die ersten Jogger sind unterwegs. Elias schleift und knarzt jämmerlich vor sich hin. “Die paar Kilometer wird er schon noch schaffen”, meint Michi und tätschelt seinem Esel liebevoll die Hörner am Lenker. Gegen 7:30 Uhr rollen wir die letzten Meter zum Bahnhof.
Brian wartet, wie bereits von Mars gestern angekündigt, auf uns. In der Bahnhofshalle kaufen wir ein Ticket, das am Schalter ganze 30 € teurer ist, als in der App. In dieser können wir den Zug jedoch nicht mehr buchen und somit gehen wir auf Nummer sicher. Wir sprechen kurz mit Brian, der uns kurz den Ablauf erklärt und wo wir uns am besten hinstellen sollen. Dann geht er seiner Arbeit nach und uns spricht ein interessierten Pärchen an. Wir wollen noch einen Kaffee kaufen doch mal wieder ist die Zeit verflogen und der Zug fährt ein. Brian zeigt schon auf das entsprechende Abteil und macht mit der Schaffnerin gleich klar, dass wir mit diesem Zug bis nach Dublin mit müssen. Schnell sind die Esel abgepackt und in die beiden kleinen Vorrichtungen gehangen. Wären unsere Räder größer, E-Bikes oder gar ein Tandem, wäre es noch sportlicher bzw. unmöglich gewesen. So bekommen wir mit vereinten Kräften die beiden widerwillig in den engen Bereich gepfercht. Die Schaffnerin mag Radfahren, aber diese Halter nicht. Wir bedanken uns bei ihr und Brian. Schon rollen wir los. Der Zug ist ausgebucht. Nur ein Platz ist noch frei und ein weiterer für die nächsten beiden Stationen. Wir setzen uns, verschnaufen und frühstücken Müsli mit Weintrauben. Da wir keine Reservierung haben wird es vermutlich bald noch spannend werden, aber für den Moment ist alles gut. Michi wäscht und rasiert sich notdürftig. “Na fällt dir was auf?”, fragt er grinsend, als er von der Toilette zurückkommt. “Na hast du dich etwa rasiert?”, entgegnet Kyra grinsend. Wir halten und Paul der Inhaber des Sitzplatzes kommt. Nach einem kurzen netten Gespräch setzen wir uns wieder und er geht auf den Platz nebenan. So lange die Person dort nicht auftaucht ist alles prima. Wir unterhalten uns über unsere Touren und den weiteren Weg. Wir reden über Unterschiede in der Bahn. Zum Beispiel, dass man bei der Reservierung den gesamten Namen am Platz stehen hat oder eben die Nummer. Gemeinsam überlegen wir scherzend, was mit Mr. Pearson passiert sein könnte und warum er nun nicht da ist. Die Geschichten gehen von heiter bis derb. Dann kommt ein jüngerer Mann und möchte auf den Platz neben Paul, aber er ist auch nicht diese Person, sondern hat eigentlich einen Platz ein paar Reihen weiter vorne, doch da sitzt bereits jmd. und er möchte diese nicht verscheuchen. So lange niemand kommt ist auch das okay. Doch kurz darauf kommt ein älterer Herr, der eigentlich auf den Platz müsste, aber auch er bietet an sich einfach einen Platz weiter hinten hinzusetzen. So sitzt am Ende jede und jeder irgendwo, aber alle haben Spaß und einen Platz. Außer der arme Mr. Pearson, der den Zug verpasst hat oder vielleicht in einem anderen Abteil gerade bis zur Einfahrt in Dublin darauf besteht, dass er diesen Platz gebucht habe. Wir werden es nie erfahren. Dann verabschieden wir uns von Paul. Fahren in Dublin Heuston ein und beeilen uns mit den Fahrrädern. Wir stehen noch kurz am Gleis und müssen beim Verlassen unser Ticket vorzeigen.
Das erste, dass wir sehen ist tatsächlich die Guiness Brauerei. Dann schmeißen wir uns in den Verkehr der Großstadt und sind heilfroh nicht über Nacht gefahren zu sein. Es ist viel Verkehr und es gibt schöne und nicht so schöne Ecken. Immer wieder sieht man Zelte auf Grünflächen oder am Straßenrand mit etwas zwielichtigen Gestalten. Ansonsten rutschen wir zumeist ganz gut neben dem restlichen Verkehr auf dem Radweg dahin. Manchmal ist doe Wegführung dieser etwas undurchsichtig, sodass wir immer wieder auf der Straße landen und den Radweg suchen müssen. So geht es durch die Stadt ohne großes Sightseeing geht es vorbei am Trinity College direkt zum anderen Bahnhof, der Conolly Station. Gegenüber finden wir einen verhältnismäßig günstigen Kaffee beim EuroSpar. Wir sprechen noch kurz mit einem Pärchen. Der Mann ist in jungen Jahren selbst von England nach Italien geradelt und sagt, dass es Erlebnisse fürs Leben waren. Diese wünscht er uns auch. So wackeln wir mit unserem Kaffee über die Straße zum Bahnhofsvorplatz. Wir setzen uns auf ein paar Steinblöcke und machen ein zweites Frühstück oder eher Mittagessen. Irgendwie laufen überall leicht bekleidete Damen von Anfang 20 bis Mitte 30 herum. Wir sind etwas irritiertaber. Es muss irgendeine Art Festival oder Messe sein, denn es kommen immer mehr mit und ohnr Begleitung in kleinen und großen Grüppchen mit dem Zug an und fahren mit Taxen und Bussen eilig weiter. Bei uns gibt es Baguette mit Frischkäse und Marmelade sowie Honig. Zwei Radreisende rauschen durch den Trubel an uns vorbei zum Zug.
Wir bereiten den Nachtisch, Kuchen mit Pudding, Sahne und Zimt, vor. Als wir gerade “Guten Appetit” sagen macht es… RUMPS! Ein Auto hat auf der gegenüberliegenden Seite einen Lieferdienst auf seinem Fahrrad übersehen. Der Radler steht etwas benommen, aber scheinbar unverletzt auf. Das Auto wendet mit herunterhängender Frontstoßstange und prescht davon. Da er allerdings auf dem Weg seine Stoßstange samt Nummernschild verliert und vermutlich gerade aus 40 Blickwinkeln von Passanten gefilmt wird, beendet er die Flucht und dreht. Der Radler rollt zum Auto und Details werden ausgetauscht. Zum Glück ist am Ende außer Blech nicht viel zu Bruch gegangen. Wie aus einer anderen Welt sitzen wir da und essen unseren Kuchen, während um uns die Großstadt pulsiert. Bus und Bahn Welle um Welle an Menschen auf den Gehweg schiebt, gleichzeitig rollen Menschen in Blechlawinen vorbei. Alle sind individuell und doch gleich. Es wird geschäftig telefoniert, marschiert, posiert und gedrängelt. Es wird gestaunt, gemustert, gestarrt und gelacht. Es wird uns zu viel.
Wir schieben die Esel durch die wuselnde Menge und stehen vor einem defekten Aufzug. “Hier im Gedränge alles abpacken?”, fragen wir uns. Wir gehen noch einmal um das Gebäude herum. Ein zweiter winziger Aufzug findet sich. Gleich hinter dem Ausstieg der Straßenbahn. Keine 10 Meter vom Trubel sitzen im Schatten die, die niemand sieht, sehen will und so vielleicht auch nicht gesehen werden wollen. Eine Frau um die 25 und ein Mann deutlich über 40 eint ihre Lage und ihre Sucht. Wir verfrachten einen Esel nach dem anderen in den Aufzug kommen oben an und sind in einer anderen Welt. Ein aufgeräumter Bahnhof mit Restaurants und weitgehend entspannten Leuten umgibt uns. Wor gehen nochmal aufs Klo und schieben die Räder durch die Ticketkontrolle. Dahinter ist es noch ruhiger und geordneter. Wir gehen zu unserem Gleis und treffen die beiden Radreisenden wieder. France und Clement sind aus Frankreich und auf der Heimreise. Wir reden kurz, als auch schon der Zug einfährt. “Wo ist das Fahrradabteil?”, fragt Kyra verdutzt. “Keine Ahnung!”, sagt Michi mit suchendem Blick. Auch die Franzosen sind etwas irritiert. Sie nehmen den vorletzten und wor den letzten Waggon. Zum Glück sind die Bereiche für die ein und Ausstiege groß, sodass alle Fahrräder gut hineinpassen. Nunja, zumindest so gut, dass wir wahlweise eine frei machen können. Die Schaffnerin gibt uns zu verstehen, dass es so zwar nicht gedacht, aber da kein Abteil vorhanden ist in Ordnung sei. So rauschen wir mit dem Zug hinaus aus Dublin und an der Küste entlang gen Süden. Nach einer Weile kommen France und Clement zu uns. Wir unterhalten uns sehr gut. Nach einer Weile geht es um das Schlafen im Zelt und Taktiken dieses komfortabler zu gestalten. Für die Wärme und gegen Kondensation vom Untergrund ist ihr Wundermittel eine wiederverwendbare Rettungsdecke. Da wir in den letzten Tagen immer wieder mit Kondenswasser und der daraus resultierenden Feuchtigkeit zu kämpfen hatten, sind wir natürlich interessiert und wollen es mal mit unserer “Einweg”-Rettungsdecke ausprobieren. Doch die beiden schenken uns ihre Rettungsdecke, da sie sie nun ersteinmal nicht mehr benötigen. Wir bedanken uns und versprechen es bald auszuprobieren. Wir sprechen weiter und sie erzählen von ihrer traumhaften 6-monatigen Reise durch Europa im letzten Jahr. Jetzt sind sie “nur” im Radurlaub und hatten tatsächlich keinen Regen in Irland. Die Zeit verfliegt förmlich und der Zug leert sich.
Am Europort in Rosslare angekommen, fahren wir noch zu einem Pub in etwa 1,5 km Entfernung. So kommt Michi noch dazu zumindest einmal in einem irischen Pub. Elias meckert zwar über doe zusätzlichen Kilometer, aber da muss er leider durch. Am Pub angekommen, fängt es draußen an zu regnen und wir bestellen unser ein letztes irisches Bier. Leider ohne Musik, da der Pub heute eher auf Sport getrimmt ist. Ausgelassen, aber mit der Uhr im Blick, genießen wir den Moment mit den beiden und lachen viel. Eigentlich wollen wir bezahlen, aber die beiden winken dankend ab und laden sogar uns ein. Gegen den Wind und durch den Regen kämpfen wir uns zurück zum Fähranleger und checken schon einmal ein. Dann kochen wir gemeinsam vor dem Eingang.geschauf Bei uns gibt es Nudeln mit Lachs aus der Dose, Zitrone und Knoblauch. Bei ihnen gibt es ebenfalls Nudeln. Die Zubereitung wird genaustens begutachtet und Tipps ausgetauscht. Anschließend machen wir nochmal unseren Pudding Kuchen nach „Madeira”-Art mit Sprühsahne für uns vier. Dann spülen wir ab und verabschieden uns. Doch auch die beiden müssen bereits in ihre Fähre einchecken. So sehen wir uns noch kurz auf der Fahrt zum Zugang zum Autowartebereich und winken uns.
Wir rollen in unserer Schlange an allen Autos vorbei nach ganz vorne, wie es uns der nette Herr an der Schranke gesagt hat. Wir haben es geschafft! Doch das heißt auch Irland liegt fast hinter uns. Ein feiner Regen legt sich im Wind über alle Wartenden und uns wird richtig kalt. Ein Engländer um die 50 quatscht uns noch kurz an. Er warnt uns vor der heutigen schweren See, erzählt davon, dass die besten Plätze an Board immer gleich belegt sind und, dass er häufig in Irland im Urlaub ist und dementsprechend die Route gut kennt. Dann wechselt er das Thema und erzählt von sich und seiner Reise als junger Mann um die Welt, natürlich nur mit einem kleinen Rucksack. Wir sind beeindruckt und fragen ihn, wie er das mit der Kleidung für die unterschiedlichen Klimazonen und Jahreszeiten gemacht hat? “I just bought the stuff I needed and left it when I didn’t need it anymore. Just travel light”, sagt er stolz. Dann verabschiedet er sich und schlendert zurück zu seinem großen Wohnmobil. Wir blicken uns schmunzelnd an und denken uns: “Just travel light.” In unseren Augen reisen alle Reisenden auf ihre Weise und es nur wichtig den eigenen Stil immer wieder zu hinterfragen sowie anderen die eigene Art nicht aufzuzwingen. Dann öffnet sich das Tor und wir dürfen durch die von Scheinwerfern durchflutet Nacht am Hafengelände radeln. Eine Brücke hinauf und schon sind wir auf der Fähre und die Drahtesel angebunden. Beim betreten treffen wir noch ein deutsches Pärchen und der Mann ist ganz gierig auf Fish & Chips im Board Restaurant. Wir zeigen Ihnen den Übersichtsplan des Schiffs und begeben uns selbst auf Schlafplatzsuche. Den Engländer sehen wir auf einer der Sitzbänke im Café neben zahlreichen anderen liegen. Wir schauen zum Oberdeck und ein großer Zettel zeigt an, dass die bequemen Liegesessel des Decks für alle Gäste freigegeben sind. Wir lassen uns entspannt in zwei Sessel hinter der Panoramascheibe fallen und laden unsere Elektronik auf. Nach einer Weile kommt der Deutsche wieder und stellt sich als Manfred “Mannie” vor. Wir unterhalten uns gut und er beschwert sich über das Fish & Chips. Auf seiner letzten Fährfahrt nach Irland war es herausragend und hier leider keinen Penny wert. Wir sprechen über ihren Urlaub und unseren und wo es noch hingeht. Er empfiehlt die Gärten in Wales und ist begeistert von unserer Tour. Dann gelüstet es ihn noch nach einem Schlummertrunk und wir wünschen uns eine gute Nacht.