Tag 54 - Pikten (25.07.24)
Von Chanonry Lighthouse nach Helmsdale
Wellenrauschen und die Rufe der jungen Möwen wecken uns mit ihrem sanften „Fieeeep. Fieeeep.“ Die zwei kleinen schwimmen unterhalb dicht am Ufer. Dann stört ein Rasenmäher die Idylle und wir entscheiden uns lieber früh abzubauen und noch ein Frühstück an einem der Picknicktische in der Nähe zu genießen. Routiniert packen wir ein und bringen zugleich unsere Habseligkeiten für das Frühstück zum Tisch. Der Wind hat aufgefrischt, der Regen verschont uns. „Vielleicht sehen wir ja noch einmal Bottlenose Delfine“, frohlockt Michi. „Mal sehen. So gegen 10:30 Uhr ist 1 Stunde nach Beginn der Flut. Da könnten wir Glück haben“, antwortet Kyra. Doch plötzlich bekommt sie große Augen und rennt auf den Strand zu. „Hey! Weg! Hau ab!“, ruft sie. Geschickt hat ein Elternteil der beiden Jungtiere eine Kekspackung unter unseren Sachen hervorgeholt. Dann dachte sie sich wohl:“ Warum nur einen Keks, wenn ich auch alle haben kann?“ Unbemerkt und in aller Ruhe war sie mit der Packung davonstolziert. Doch nun ist Gefahr im Verzug! Ertappt lässt sie die Packung fallen, schnappt sich einen Keks für die kleinen und fliegt davon, ehe Kyra sie erreicht. Bis alles abgebaut ist, behalten wir unsere Taschen und den Himmel dauerhaft im Blick. Ein kurzer Blick auf die Uhr verrät, noch gute zwei Stunden bis zur Delfin-Primetime. Dann gibt es Frühstück. Brot und Scones mit Marmelade, Schokoladenaufstrich oder Erdnussbutter. Dazu Kaffee und etwas heißes Wasser, das wir für später in die Thermoskanne füllen. Wir lassen unsere Blicke vom Chanonry Lighthouse durch den peitschenden Wind über die Wellen schweifen. Eine Frau setzt sich dick eingepackt mit Fernglas unweit von uns hin und sondiert ebenso die Lage zu Wasser. Es ist wirklich kalt, sodass Michi gar blaue Lippen bekommt und anfängt umherzuhüpfen. Nach einer Weile spricht Kyra die Frau an. Sarah kommt von hier und beobachtet Wale, Delfine und mehr. Kurz gesagt, sie kennt die Natur ihrer Heimat vielleicht sogar besser als ihre Westentasche. Begeistert erzählt sie uns von aktuellen Sichtungen und welche Delfingruppe derzeit hier ist. Wen wir am vorigen Abend mit Jungtier gesehen haben und, dass derzeit Orkas nördlich bei den Inseln unterwegs sind. Außerdem ist diese Saison für die Delfine eher mager. Eine andere Gruppe hat ebenso Jungtiere und das ändert ihr Verhalten völlig, sodass diese derzeit gar nicht hier auftauchen. Auch per perfekte Zeitpunkt ist nicht sicher. Mal kommen sie und mal nicht. Mal schauen sie nur kurz vorbei. Zudem kann man sie quasi immer sehen und das bis fast nach Inverness sowie die ganze Küste hinauf. Michi schiebt noch eben Emil und Elias zur Seite, da ein Ehepaar mit Rollstuhl zu den Tischen kommt und Elias und Emil sich als Windschutz etwas breit gemacht haben. Prompt verquatscht er sich noch mit den beiden. Dann stößt er nochmal zu Kyra und Sarah hinzu. Sie gibt uns noch ein paar Tipps und wir entscheiden uns unser Glück die Küste entlang zu probieren.
In Rosemarkie geht es noch schnell auf die Toilette und Wasser wird aufgefüllt sowie die Zähne geputzt. Direkt darauf erwartet uns der erste Anstieg des Tages über 6 km. Von der Hauptstraße wechseln wir auf eine kleine Nebenstraße und nach einem Stückchen Wald genießen wir einen herrlichen Ausblick zurück in die Bucht und die Küste hinauf. Rasant geht es vorbei an Mountainbikern hinab. Michis Tacho verweigert den Dienst. Eine Lösung ist wie in Belgien nicht in Sicht, obwohl alles neu justiert wird bleibt die Anzeige bei 0 km/h. Als er den Stecker des nun voll geladenen Mobiltelefons zieht, arbeitet der Tacho auf magische Weise wieder, als wäre nichts gewesen. Komisch, aber wir wollen uns nicht beschweren. In Cromarty erreichen wir eine kleine Fähre, die uns sogleich an Ostfriesland und die Verbindung Petkum Ditzum erinnert. Auf der Überfahrt sehen wir leider keine Wasserbewohner, aber lernen Angie und Charlotte kennen. Die beiden Freundinnen radeln ebenso und Charlotte zeigt Angie ein wenig ihre Umgebung auf dem Pikten-Trail. Als Pikten wurden durch die Römer die schottischen Stämme bezeichnet, da diese zumeist von blauen Tattoos verziert und somit bemalt, lat. picti, die Bemalten, waren. Über ihre Herkunft ist wenig bekannt und ihre Kultur und Sprache verschwand über die Jahre. Dennoch hinterließen sie zahlreiche Kunsthandwerke. So auch den Nigg cross-slab. Der reich verzierte Sandstein ist Zeugnis, für die Verbreitung des Christentums bis in diese entlegenen Gebiete. Zunächst stand er als Grabstein auf dem Friedhof der Kirche in Nigg, zerbrach und geriet über die Jahre in Vergessenheit. Mittlerweile steht er sicher in der Kirche und kann als stummer Zeitzeuge bestaunt werden. Wir radeln weiter, vorbei an einem Wildtiergehege und durch kleine Örtchen. Wir vier verstehen und unterhalten uns gut bis Charlotte und Angie nach Balintore abbiegen und wir weiter nach Hilton fahren.
Wir verlassen die Küste ins Landesinnere. In Tairn halten wir noch einmal neben dem Rosengarten zum Pippimachen. Per zufall entdecken wir noch einen Lidl und füllen unsere Vorräte auf. Als wir gerade unsere Einkäufe verstauen, fängt es an zu regnen. Ein eisiger Wind frischt auf. Wir retten uns unter ein kleines Dach und nutzen die Zwangspause für unser Mittagessen. Dann biegen wir ein, auf die A9. Es geht mit der Dornoch Bridge über den Meeresarm Dornoch Firth. Die Autos brausen vorbei und wir rollen gemächlich, sofern vorhanden auf dem Standstreifen, bzw. allem befestigten links der Fahrbahn dahin. Einen guten Anstieg später geht es hinab zum Loch Fleet, der neben Robben auch Seeotter beherbergen soll. Tatsächlich sehen wir einige. Wir halten am nächsten Parkplatz und holen erst ei mal Luft. Ein junges Bochumer Pärchen hält hinter uns. Wir tauschen uns aus und sie berichten von ihrer Lücke im Dachzelt. „Einmal haben wir sie schon abgeklebt, aber bisher haben uns die Midges auch verschont“, sagt der Mann. Uns zum Glück auch, aber unser Zelt ist sobald es geschlossen ist auch dicht. Dann fahren sie weiter und wir wünschen uns noch einen schönen Urlaub. Nun gehen wir mit Objektiven bewaffnet auf Otterjagd, aber diese sind bereits verschwunden. Nur vereinzelt hört man ihre Rufe. Dennoch bekommen wir noch ein paar nette Blicke auf das Naturschutzgebiet.
Wir schwingen uns wieder auf die Esel und erklimmen den nächsten Hügel. Nur um sogleich hinabzustürzen und vorbei am hoch auf dem Hügel aufragenden Duke Of Sutherland Monument zu sausen. Noch eine letzte Pause in einer Parkbucht bei Doll. Hier werden wir auch unseren Müll los. Die Mülltonne scheint jedoch schon weit gekommen zu sein, da auf ihr steht, dass es toll ist, dass wir den Strand sauber halten. Ein Strand ist leider noch nicht in Sicht und so radeln wir weiter. In Brora passieren wir die Clynelish Destillerie. Deren typische Highlandwhisky-Aromen finden sich auch im Blend Johnnie Walker wieder. Wir erblicken Strände und unzählige Schafe, die in der Abendsonne grasen. Endlich erreichen wir Helmsdale und können in perfekten öffentlichen Toiletten unseren Wasservorrat auffüllen. Wir rollen hinab zum Hafen und vorbei an schönen Fischerbötchen und kleinen Segelyachten. Aus dem Ort heraus empfängt uns ein herrlicher Wanderpfad an der Küste. Wir schieben die beiden Drahtesel über fluffohe Grasbüschel bis wir zu einer Bank gelangen. Warnte uns Karen noch vor den zahlreichen Zeckenhaben, so haben wor sie nun um, über und an uns. Schnell schlagen wor das Zelt auf und grüßen noch zwei Wanderer. Doch der Regen naht und… Wir schaffen es gerade noch so alles einzupacken. Erschöpft und von Eindrücken überwältigt fallen wir ins Bett. Gute Nacht!