Tag 61 - Wanderung auf Muckle Roe (01.08.2024)

Von Muckle Ayre nach Lerwick

„Mähhhhhh! Määääähhhh!“, macht ein kleines Schaf in der Dunkelheit. Hufgetrappel kommt näher. „Nicht unser Zelt anknabbern!“, ruft Kyra in die Nacht hinaus und bekommt ein etwas empörtes „Mähhhh“ von mehreren Seiten zurück. Die Herde sammelt sich und zieht weiter. Wir blicken auf die Uhr. 2 Uhr morgens und wir drehen uns mit dem Rauschen der Wellen noch einmal um. Als wir erwachen, erblicken wir nicht eine Wolke aus dem Zelt heraus. Also raus aus dem Zelt und ab zum Strand… „Midges! Tausende, ein Schwarm! Oh Gott!“, stellt Michi erschrocken fest, als er gerade das Zelt verlassen will. Zrrrrrt. Ist der Reißverschluss wieder zu. Schon sind ein paar der kleinen Teufel ins Zelt geschlüpft und auf der Suche nach unserem Blut. Der Rest bedeckt das Innenzelt oder schwirrt umher. Das Insektenspray ist bei Emil am Lenker und Michi muss so langsam doch Pipi… Der Ablauf wird genau geplant und zrrrt ist das Zelt auf. Michi sprintet in Richtung Strand während Kyra das Zelt schließt. In einem Bogen rennt er zurück zu Emil und Elias. Greift das Spray und rennt weiter. Unbeeindruckt krallen sich Midges im Vorbeilaufen fest und als Michi zum zweiten Mal den Strand erreicht landen wenig später die Verfolger auf ihm. Doch zum Glück wirkt das Spray. Der Schutzschild aus Gift lässt einen tatsächlich halbwegs uninteressant erscheinen. Um das Zelt schwirrt eine dunkle Wolke. Michi gibt Kyra das Mittel durch einen kleinen Spalt und kurze Zeit später können wir entspannt mit Blick aufs Mehr frühstücken. Einfach herrlich! Nach einer Weile kommen die ersten Wanderer vorbei. Wir unterhalten uns mit einem Pärchen, dass mit zwei Kajaks am Strand angelandet ist. Dann darf Friedolin kurz in die Lüfter abheben. Die Landschaft ist beeindruckend und wir entscheiden uns eine Wanderung zu unternehmen.

Drei Wanderer, Bill, Jim und Barb aus den USA, kommen vorbei und wir unterhalten uns über das Rad-/Reisen, Shetland, was wir bisher gemacht haben und wie unsere Pläne für die Zukunft aussehen. Als wir zeigen, dass unsere Route auch ggf. durch die Staaten führt, werden sogleich Pläne für ein mögliches zweites Treffen geschmiedet. Dann verabschieden wir uns. Sie steigen den Hügel hinauf und wir verstecken die Drahtesel in einer kleinen Schlucht. Ein wenig mulmig ist uns schon, als wir die beiden so allein zurücklassen. Sind sie doch viel mehr als unsere treuen Begleiter. Sie tragen unser Haus samt Schlafzimmer, Küche, Vorratskammer, Kleiderschränke, Arbeitszimmer und Werkstatt. Kurz gesagt: Unser derzeitiges Hab und Gut. Wir steigen den Hügel hinauf und genießen einen grandiosen Ausblick. Es geht durch blühende Heide, über schroffe Felsen, an kleinen Tümpeln vorbei und zu einem weiteren grandiosen Blick über die See. Die Sonne brennt auf den roten Felsen und Schafe stapfen fröhlich mit dem Schwanz wedelnd neben uns her. Auf einmal wird der Weg sehr schmal. „Ist das noch unser Wanderweg oder folgen wir nur den Schafen?“, fragt Kyra etwas verunsichert.

Vorsichtig folgen wir dem Weg um Felsspalten, die steil ins Meer abfallen herum. Gefährlich, aber nicht minder beeindruckend. So suchen unsere Hände immer sicheren Halt am Felsen. Nach 2 Stunden entscheiden wir uns zu rasten und umzukehren. Am Rastplatz verspeisen wir eine Banane und einen Karamellriegel, den wir am Vortag geschenkt bekommen haben. Wir winken einem Segelboot und lassen umkreist von Möwen die Seele baumeln. Ein Papageientaucher besucht noch einmal seine Bruthöhle. Doch all seine Gefährten scheinen bereits ausgeflogen zu sein. So machen auch wir uns auf zu unserem nächsten Abenteuer mit den Drahteseln. Die Kurven um die Schluchten sehen aus dieser Richtung irgendwie gefährlicher aus als auf dem Hinweg. Noch vorsichtiger Tasten wir uns langsam zurück. Es war definitiv der Schafspfad. Wir treffen auf Katleen. Die Belgierin wandert etwas erhöht und ist ebenso auf der Suche nach dem besten Weg. Sie erkundigt sich nach der Beschaffenheit unseres Weges. So kommen wir in ein kurzes nettes Gespräch und erhalten noch ein paar Tipps zu Sehenswürdigkeiten und Museen. Einmal mehr sind es doe Landschaft und Menschen, diesen Tag unvergessen machen. Sie wandert dankend den Rundkurs auf der oberen Route weiter und wir sind sogleich ebenso froh auf dieser zurück zurück zu sein. Der Rückweg ermöglicht noch einmal andere Perspektiven und so ist dieselbe Strecke mitnichten langweilig. Dann geht es wieder hinab zum Strand. Hinein in die kleine Schlucht und… da stehen beide Räder unversehrt und ungeduldig wartend. Wir schieben sie gemeinsam durch den Sand und sind zurück auf der Straße. Geschwind geht es in Richtung Frankie’s, da wir heute die Kammmuscheln probieren wollen, aber…

„Der Cake-Fridge!“, jubelt Michi. „Oh nein.“, seufzt Kyra lachend. Wor können nicht widerstehen und kaufen den halben Kühlschrank leer, da es neben Kuchen sogar selbstgemachtes Eis gibt. Alles wird probiert, das Eis geschleckt und der Rest als Proviant verstaut. Was nicht ganz leicht ist, da es einfach zu gut schmeckt. Dann erreichen wir Frankie’s und… die Muscheln sind erneut leider ausverkauft… Wir wollen fast schon gehen, als wir uns für Shetland-Burger mit Cheddar-Chips entscheiden. Der Burger ist, zumindest für uns, nichts besonderes, schmeckt aber gut. Als wir gerade losfahren wollen, kommen die Amerikaner zum Laden und kurz danach Anette und Catherine zu uns. Wir quatschen und dann fallen uns die Berge an Kuchen in unsere. Gepäck ein. Wir schenken ihnen zwei Stücke. Denn was ist schöner als Gutes zu teilen und somit doppelte Freude zu bereiten? Dann verabschieden wir uns von den beiden am lokalen Hotspot des Fisch-Imbiss und radeln gen Süden.

In der Abendsonne geht es erneut durch Moor- und Heidelandschaften. Dann erreichen wir singend Lerwick. Michi springt noch schnell in einen Supermarkt und dann geht es auf zu unserem Schlafplatz. Es geht gefühlt endlos durch Wohngebiete den Hügel hinauf. Vorbei an einem Friedhof erreichen wir einen kleinen Parkplatz. Dahinter liegt eine winzige, ummauerte Rasenfläche mit einer Öffnung. Dort bauen wir unser Zelt mit einem Blick über die Bucht und Stadt auf. Den Tipp haben wir von einem Radreisenden am ersten Abend im Süden der Insel erhalten. Vielen Dank Joshua! Wir verschwinden im Zelt essen zum zweiten Mal Eis und kuscheln uns in die Schlafsäcke. Gute Nacht!