Tag 145 - Saint Mont Michel (24.10.2024)
Von Courtils nach Cancale
Sonne küsst das Zelt und der Himmel ist so blau, dass man nicht weiß, wo dieser anfängt und das Meer aufhört. Doch nachts war die Luft so feucht, dass das Zelt pitschnass ist. Michi hat am Vorabend noch einen Graben um den nächsten Picknicktisch gezogen, sodass das Wasser langsam in den durch die Regenfälle entstandenen tieferliegenden Teich abfließen konnte. Nun am Morgen ist tatsächlich eine der Bänke trocken gelegt und wir können verschlafen ä, aber entspannter als gestern am Tisch Platz nehmen. Fridolin hebt erneut ab, um einen Blick in Richtung Mont Saint Michel zu werfen. Es ist einfach beeindruckend. Eine Schafherde kommt grasend vorbei und schart sich um uns und unseren Frühstückstisch. Unser Blick wandert über die trocken gefallene Bucht und unzählige Vögel landen und starten in großen Schwärmen. Wir packen das noch feuchte Zelt ein und als die ersten Touristen auftauchen, ziehen wir weiter in Richtung Mont Saint Michel. Es geht unspektakulär an Straßen entlang, doch der Blick auf die Insel mit der ehemaligen Benediktiner Abtei ist immer wieder beeindruckend.
Nachdem es am Wasser nicht weitergeht, fahren wir etwas ins Landesinnere und dann ist es soweit… wir biegen rechts ab und finden uns auf der Brücke zur am zweitmeisten besuchten Sehenswürdigkeit in Frankreich wieder. Diesen Umstand merken wir schnell, es ist noch Vormittag, der Himmel mittlerweile dicht zugezogen und tiefgrau, und doch schieben sich bereits Touristenmassen über die Brücke. Auf der Straße ist das Radfahren verboten, da hier die kostenfreien Shuttlebusse unentwegt Menschen einsammeln, zur Insel brausen und vor diesem ausspucken. Zum Glück gibt es einen Radweg neben dem Fußgängerweg. Wir schlängeln uns klingelnd durch die Menschen auf dem Radweg. Drüben angekommen stehen wir vor dem monumentalen Bauwerk. Wir suchen und finden den Fahrradstellplatz etwas versteckt links hinter einem alten Torbogen. Als wir die Räder gerade abgestellt haben, kommt ein Polizist auf uns zu. “You carry a stove? Gas cartridges?”, fragt er pflichtbewusst. Ehrlich bejahen wir. “You can’t leave your bikes here. No. Maybe at the other side of the bridge. Not here! It’s a threat to the security. I’m sorry, but you’ve got to leave now!”, sagt er bestimmt, wenngleich er unsere Lage versteht, aber so sind nun einmal die Regeln. Wir verstehen es, können es dennoch nicht fassen. “Warum gibt es keinen Hinweis darauf vor der Brücke?”, fragen wir uns. Wir können es nicht ändern und sind etwas enttäuscht. Diskutieren bringt nichts und so schieben wir die Esel zurück zur Brücke. Auf dem Rückweg hat sich die Zahl der Touristen noch einmal verdoppelt. Andere Radfahrer ignorieren die Verbotsschilder und fahren entspannt auf der Straße. Leider hat das zur Folge, dass die anderen Fußgänger den geteilten Weg neben der Straße als ihren ansehen und uns reihenweise irritiert anblicken, anmeckern und auf die Straße deuten. Ein Mann baut sich schimpfend vor Elias auf, als dieser langsam über ein im Boden eingelassenes stilisiertes Fahrrad, als Kennzeichnung des Radwegs, auf ihn zurollt. Seine Frau ist ebenso empört, zieht ihn jedoch zur Seite. Michi deutet einfach nur auf das Fahrrad auf dem Boden und schüttelt den Kopf. Es ändert nichts der Herr sieht sich weiterhin im Recht, wie der Rest der Masse. Wir passieren den schimpfenden Mann und bahnen uns weiter den Weg durch den Strom. So freudig wir gestartet sind, so gefrustet stehen wir nun auf der anderen Seite. Wir überlegen, ob wir die Esel tatsächlich hier an den Fahrradständern anschließen und somit mindestens zwei Stunden ohne Aufsicht lassen sollen? Im Grunde ist die Antwort klar… Nein! Mont Saint Michel ist bestimmt interessant, dafür die gesamte Weiterreise zu riskieren wäre schlicht blöd. Ein älteres Ehepaar kommt zu uns. Sie stammen von hier und sind gerade auf ihrer morgendlichen Runde unterwegs. Wir unterhalten uns und verstehen uns prächtig. Sie erleichtern uns die Entscheidung immens, da sie oft auf der Insel und in der Abtei waren und über die Jahrzehnte die Entwicklung gesehen haben. Sicherlich ist die Abtei beeindruckend, aber am Ende eine Abtei, deren Besonderheit insbesondere von hier zu erblicken sei… sie liegt wunderschön auf der Insel und ist einer der größten erhaltenen Baukomplexe des europäischen Mittelalters. Unterhalb der Abtei reihen sich Souvenirshops und Restaurants aneinander. Die beiden Einheimischen erinnern sich an die Zeit, als man noch ohne Probleme mit dem Auto hinüberfuhr und kostenfrei parkte. Wer jedoch die Tide vergaß, bekam Probleme und das ein oder andere Auto wurde unfreiwillig vom Meer gewaschen. Sie raten uns, es von hier zu genießen und uns eher auf die bevorstehenden Abenteuer zu freuen, als über die verpassten Details zu ärgern. Recht haben sie!
Wir sind nicht losgefahren, um genau diese Abtei zu besichtigen, sondern diese wird am Ende ein wunderschöner Ort von vielen sein. Somit nur ein kleiner Teil unserer großen Reise, denn sagen wir nicht immer, dass es die Begegnungen mit Menschen UND die Landschaften sind, die das Radreisen so unglaublich schön machen? So verabschieden wir uns von dieser unverhofften netten Begegnung und laufen sogleich in die nächste. Edwin und Birgit lebten lange in den Niederlanden und sind nun an Spaniens Nordküste zuhause. Sie waren früher selbst viel mit dem Rad unterwegs. Wir quatschen über das Reisen und werden prompt von ihnen zu sich eingeladen. Eigentlich wollen wir den Camino Frances radeln, doch wer weiß… vielleicht geht es doch an der Küste Anklang auf dem Camino del Norte. Es wäre nicht unsere erste Routenänderung. Egal wie, es ist unglaublich nett und wir tauschen Nummern aus. Dann radeln wir weiter und essen zu Mittag. Vor uns liegen noch ein paar Stunden Radfahren und so schwingen wir uns gestärkt auf die Drahtesel. Zunächst geht es am Kanal entlang, dann auf Alleen und durch kleine Wäldchen zwischen den Feldern hindurch. Endlich erreichen wir wieder die Küste und treffen einen weiteren Radreisenden, Thierry. Er ist von seinem kleinen Dorf in den Pyrenäen gestartet und radelt einmal um Frankreich. “If you pass by my village.. you’re welcome. Just ask for Thierry and they’ll know where to send you. I live in a house 200 years old.”, erzählt er mit leuchtenden Augen. Wir bedanken uns und nach ein paar Metern gemeinsam trennen sich unsere Wege. Die Sonne lacht erneut und der Wind hat das Grau hinfort geweht. Wir blicken aufs Meer, auf die Häuser alter Fischerdörfer, auf Sandstrände und Austernbänke. Strandsegler rauschen mit ihren Wagen über den Sand. Wenig später galoppiert ein Pferd samt einer Art Streitwagen derart schnell über den Sand der Bucht, dass man meinen könnte, es fliege dahin. Ein Austernfischer bietet im 24/7 Automaten frische Austern rund um die Uhr an. Für uns kurios, hier ganz normal und so schlendert ein alter Franzose mit seinem Dutzend Austern dem Abend entgegen. Wir kaufen jedoch nichts, sondern treten kräftig in die Pedale.
Nach einem Anstieg erreichen wir Cancale und auch den Campingplatz. Dort haben wir zunächst Schwierigkeiten einzuchecken. Die Rezeption ist in der Winterzeit nur am Vormittag geöffnet, doch nach einer Weile finden wir eine Klingel und uns wird geöffnet. Zunächst bauen wir das Zelt auf und kochen. Als wir gerade am Essen sind, melden sich Caroline und Cyrille. Seine Eltern waren für den Tag da und machen sich nun auf den Weg. Da es mit dem Auto kein Umweg ist, bringen sie uns das Solarpanel schnell vorbei. Wir warten nach dem Essen am Eingang vom Campingplatz und erkennen ihr Auto Dank der Beschreibung von Cyrille sofort. Sie sind sehr freundlich und fahren nach kurzem Händeschütteln und netten Blicken gleich weiter. Leider können wir kein französisch und können uns somit nur mit Händen und Füßen verständigen. Anschließend gehen wir noch duschen und gehen müde ins “Bett”. Gute Nacht.