Profile von Radreisenden

Katrin & Thomas

Quer durch Euroasien

Katrin und Thomas aktuelle Reise führte sie bereits von Deutschland bis in die Türkei. Danach sind noch viele weitere Länder bis nach Südostasien, an den Pazifik geplant. Wir vier lernten uns an einer Tankstelle in der Türkei kennen, kurz vor Istanbul. Gemeinsam nahmen wir uns drei Tage später eine Unterkunft in Istanbul und fuhren zwei Wochen zusammen bis nach Kappadokien. Wir verbrachten eine wunderschöne Zeit mit vielen kleinen Abenteuern gemeinsam. 

Wie seid ihr auf die Idee gekommen?

„Vor dieser Radreise waren wir viel in den Alpen unterwegs und haben viele Trekkingtouren in verschiedenen Ländern gemacht. In der Natur zu sein war für uns also schon immer wichtig. Als wir entschieden haben, uns ein Jahr für das Reisen Zeit zu nehmen, war unser Ziel Distanzen besser zu begreifen. Wie weit muss man fahren, bis sich Kultur und Sprache der Menschen ändert? Wie schnell wechseln Landschaften, Speisekarten und Architektur? Welche Klima- und Vegetationszonen liegen auf dem Weg und wie weit ist es ans Meer?“

"Uuh, da vorn wird's nochmal steil - kleiner Gang und Treten, Treten, Treten, Treten..."
Thomas Gruber

Woher habt ihr die Zeit dafür? Habt ihr alles gekündigt?

„Wir haben vor ein Jahr lang zu reisen. Dafür haben wir unsere Wohnung gekündigt und unseren Hausstand Großteils aufgelöst und den Rest bei Verwandten untergestellt. Thomas Arbeitsvertrag ist ausgelaufen; ich (Katrin) habe meinen Job gekündigt. Den richtigen Zeitpunkt für eine solche Auszeit gibt es leider nie. Man muss sich bewusst dafür entscheiden.“

Wie sieht ein typischer Tag auf eurer Radreise aus?

„Unser Wecker klingelt je nach zu erwartenden Temperatur Mal mehr Mal weniger früh (4:30-7:00 Uhr). Dann nehmen wir uns morgens gerne noch ein bisschen Zeit um in den Tag zu starten, weil wir eigentlich beide keine Frühaufsteher sind. Meist gibt es Kaffee und Müsli und wir brauchen ca. 2 Stunden bis wieder alles verpackt ist und die Räder startklar sind. In der Regel fahren wir zwei Etappen mit einer ausgedehnten Mittagspause dazwischen, die auch zum Einkaufen, Sightseeing und für ein Schläfchen genutzt wird. Wahrscheinlich machen wir insgesamt mehr Pausen als die meisten Radreisenden (oft mehr als die eigentliche Fahrzeit), um Dinge auf dem Weg zu entdecken. Kurz vor Sonnenuntergang gehen wir dann auf Schlafplatzsuche und bis wieder alles aufgebaut ist und eine Kleinigkeit gekocht und gegessen wurde ist es meistens schon 22 Uhr. Vom Schlafsack aus werden dann meistens noch ein paar Fotos gesichtet, Nachrichten geschrieben und der nächste Tag geplant. So ein Radreisetag ist also schon sehr vollgepackt und die Zeit vergeht oft wie im Flug.“

Was war die größte Herausforderung auf eurer Reise – und wie habt ihr sie gemeistert?

„Bisher ist eigentlich alles Recht glatt gelaufen auf unserer Reise. Das bisher schlimmste war ein Nachmittag auf einer schlammigen Nebenstraße in Griechenland in der wir festgesteckt sind. Es hat geregnet und alles hat sich in den Schutzblechen und Bremsen gefangen, sodass der Schlamm die Laufräder blockiert hat und man nicht einmal mehr schieben konnte. Wir sind kaum mehr vom Fleck gekommen und haben viel geflucht. Für 3 km brauchten wir den ganzen Nachmittag und hatten dann zu allem Unglück auch noch einen Platten. In der Situation nicht komplett die Nerven zu verlieren war schwierig. Zu zweit lässt es sich dann aber leichter ertragen und über die Situation lachen. Und am Ende des Tages kamen wir schiebend an einen rettenden Bach (mit Furt), wo wir bis spät in die Nacht die Räder säubern konnten. Am nächsten Morgen war dann alles viel besser und der Schrecken überstanden. Es geht halt dann doch immer irgendwie und auf jede Katastrophe folgt wieder eine bessere Zeit.“

Habt ihr auch mal Ängste oder Sorgen? Und tut euch manchmal etwas weh?

„Ja natürlich: Wir haben Angst vor Bären am und im Zelt oder Hunde, insbesondere Hof- und Herdenschutzhunde sind manchmal unberechenbar. Aber auch wilde Autofahrer in der Nacht oder wichtige Ereignisse daheim in der Familie zu verpassen bereiten uns Kopfzerbrechen. Genauso, wie den Kontakt zu machen Freunden vielleicht zu verlieren. Natürlich haben wir auch Sorge, dass die Bräunungsstreifen nie wieder weggehen. Natürlich tut uns manchmal auch etwas weh, z.B. nach langen Etappen der Popo. Auch wenn man schon einiges an Training hinter sich hat. Wir versuchen eine Stretching-Routine vor dem Abendessen durchzuziehen, aber oft gewinnt der Hunger und der Schweinehund. Morgens sind die Beine dann oft noch müde und der Rücken zwickt nach der Nacht im Zelt. Aber für diese Wehwehchen gilt: das fährt sich raus! „

"Das fährt sich raus... (über Schmerzen, Muskelkater, Wartungsrückstand...)"
Katrin Kuck

Wie hat das Radreisen deine Sicht auf die Welt verändert?

„Die Welt ist sehr groß und vielfältig. Es ist faszinierend zu sehen wie Menschen an anderen Orten zurecht kommen. Viele Probleme die einen zu Hause im Alltag beschäftigen sind auf Reise und anderswo ganz unbedeutend und andersherum. Dass sauberes Wasser aus dem Hahn kommt und immer jederzeit Lebensmittel, Strom und medizinische Versorgung zur Verfügung stehen vergisst man zu Hause leicht. Das ist aber nicht überall eine Selbstverständlichkeit und muss sich von den Menschen vor Ort manchmal hart erarbeitet werden. Gerne schaut man beispielsweise kritisch auf den Umgang mit Müll, aber das spielt oft eine untergeordnete Rolle wenn die Lebensmittelversorgung der eigenen Familie im Zentrum steht. Da würde einem ein bisschen mehr Demut als ‚Reisender aus einem reichen Land‘ manchmal gut tun.“

Nutzt ihr noch andere Verkehrsmittel auf Reisen, wenn ihr mit dem Rad unterwegs seid?

„Wir haben auf unserer Reise immer Mal wieder Passagen mit dem Zug oder Bus ‚übersprungen‘. Uns ist es weniger wichtig wirklich jeden Meter mit dem Rad zurückzulegen, als die Freiheit zu haben sich für die kleinen und großen Entdeckungen am Straßenrand Zeit nehmen zu können. Sei es eine uns unbekannte Orchidee, die sechspurige Ameisenautobahn oder eine herzliche Begegnung bei einem Glas Tee.“

Was ist euer Tipp für Personen, die das Radreisen einmal ausprobieren möchten?

„Einfach mal ausprobieren. Und sich nicht von anderen und Social Media verrückt machen lassen, die behaupten, dass man nur auf DIE eine Art Radreisen kann. Man braucht nicht die neueste superleichte Ausrüstung, das sportlichste Rad oder jahrelange Erfahrung. Auch für uns ist es die erste große Radreise und wir sind in gewisser Weise ins kalte Wasser gesprungen; haben es aber noch keinen Tag bereut.“