Tag 199 - Der Mann mit der Fischbude (17.12.2024)

Von Cabo Sardão nach Carrapateira

Wir erwachen mit einem wunderschönen Blick auf das Meer. Die morgendliche Sonne färbt die Felsen um uns herum in verschiedene rote Töne, die die Umgebung zu erleuchten scheinen. Das blaue Meer im Vordergrund verstärkt die Szenerie der Farben. Wir genießen den Anblick, doch nachdem bereits das erste Auto und Fahrrad an uns vorbeigefahren ist, beginnen wir abzubauen. Anschließend nehmen wir uns nochmal Zeit die Umgebung zu genießen und ein paar Fotos zu machen. Dafür läuft Kyra ein paar Meter zum alten Leuchtturm zurück. “Kyra? Kyraaaaa?” ruft es durch die Stille. Michi, der nicht mitbekommen hatte, dass Kyra etwas zurück gelaufen war, geht schon vom Schlimmsten aus. “Ich dachte, ich dachte, du wärst den Felsen runter gefallen!” sagt er aufgebracht. Wir umarmen uns kurz und schwingen uns anschließend auf die bereits wartenden Drahtesel. Doch wir rollen nicht weit mit Emil und Elias, denn immer wieder stoppen uns die tollen Ausblicke und der Sand, der am Boden liegt. Die Klippen sehen einfach fantastisch aus und kleine Löche befinden sich in den Felsen. An einem Parkplatz bleiben wir nochmal etwas länger stehen und genießen erneut die Ausblicke. Dann verlassen wir die Küste.

Vorbei an bellenden Hunden und Schweinchen geht es zur Straße. Bereits nach wenigen Kilometern stoppt uns der Hunger an einem Supermarkt. Kyra springt schnell hinein und besorgt Baguette mit Käse sowie Orangen. Wir schlemmen unser zweites Frühstück im Stehen und grüßen einen anderen Radfahrer, der an uns vorbei läuft. Kurz bevor wir weiter wollen, hören wir plötzlich um die Ecke eine deutsche Stimme. Neugierig gucken wir um die Ecke und entdecken, dass der andere Radfahrer ein Deutscher ist. “Dürfen wir dich stören oder bist du am telefonieren?” fragt Kyra. “Ich telefoniere, aber einen Moment… Ich lege auf”, sagt er lächelnd und weiter: “ich rufe dich gleich nochmal an, okay? Super! Bis später”. Schon beginnen wir ein Gespräch, während Jan-Ole weiter sein Mittagessen genießt. Jan-Ole kommt aus der Nähe von Kiel und ist in Porto losgefahren. Im Sommer hat er viel in seiner Fischbude gearbeitet, mit welcher er sich vor einigen Jahren selbstständig gemacht hat. Somit kann er den Winter für andere Dinge nutzen. Die letzten Jahre war er immer in Schweden in der Kälte, dieses Jahr wollte er ins Warme. Portugal ist dafür bestimmt eine gute Idee! Spontan entscheiden wir die nächsten Kilometer zusammen zu fahren und so starten wir zu dritt, als Jan-Ole mit seinem Essen fertig ist.

Wir quatschen viel unterwegs und uns kommen immer wieder neue Themen. Wir alle drei sind sehr aufgeschlossen miteinander und merken, dass die Gruppe gut passt. So fahren wir immer weiter gemeinsam, auch, als es plötzlich steil runter und ebenso steil nach oben geht. Der Untergrund ist damit besonders nervig. Es sind Steine verlegt, die Löcher in der Mitte haben und bei jedem Stein fährt man hinein. Dock, dock, dock… Als wir gerade wieder oben sind, kommt uns ein anderer Radfahrer entgegen. Erst auf den zweiten Blick erkennen wir das Gesicht und halten an. Tiko dreht sich ebenso nochmal um und bleibt stehen. “Du heißt Tiko und hast eine Mittelohrentzündung, richtig?” fragt Kyra. Tiko bejaht etwas irritiert und beunruhigt zugleich. “Wir folgen dir auf Instagram”, lacht Kyra bei dem Anblick und da klingelt es auch bei Tiko: “Achsooo, stimmt! Drahteselzeit, habe ich gesehen!”. Wir reden nur kurz miteinander, da Tiko noch einige Kilometer machen möchte und in die andere Richtung unterwegs ist. Wir wünschen ihm noch gute Besserung und dass er seinen geplanten Flieger ab Lissabon mit seinen Eltern nach Weihnachten nehmen kann. Eigentlich hatte er vor ein Jahr durch Europa zu fahren, doch er hat gemerkt, dass aktuell einfach nicht der richtige Zeitpunkt ist. Somit begleitet er seine Familie, die ihn in Lissabon besucht, zurück nach Hause und startet zu einem späteren Zeitpunkt erneut. Jan-Ole hat für Tiko sogar noch einen Tipp zum Schlafen und dann trennen sich unsere Wege. Nur ein paar Meter später sehen wir Zebras, die Tiko uns bereits angekündigt hatte. Wir beobachten diese sowie die Alpakas und Strauße kurz und machen ein Foto. Dann geht es weiter, doch erneut nicht lang, denn unser Weg ist gesperrt. Somit drehen wir wieder um und fahren eine alternative Route. Die Ausblicke von unserer spontanen Straße sind wunderschön. In der Ferne sehen wir mehrere kleine Hügel die sich von der sonstigen Umgebung hervorheben. Alle sind grün und erinnern leicht ans Auenland aus Herr der Ringe. Unglaublich, wie Abwechslungsreich die Umgebung ist. Dann geht es plötzlich steil hinab. Der Weg besteht aus Schotter und es sind tiefe Rillen im lehmigen Boden. Michi wagt sich langsam als Erster hinab und Jan-Ole folgt ihm mit einem kleinen Sicherheitsabstand. Kyra hingegen schiebt das Rad, da es ihr bei den abgefahrenen Bremsen und den tiefen Rillen zu gefährlich scheint. Als sie etwas später zu den beiden anderen hinunterkommt sagt Michi: “Puh! Das war die bisher gefährliche Abfahrt durch die Verbindung von Rillen, Schotter und Steigung”. Kyra nickt und wir fahren weiter durch den Ort, den nächsten Hügel empor. Anschließend geht es Aljezur entgegen. Spontan entscheiden wir uns etwas Hauptstraße zu fahren, da der Eurovelo immer wieder zu dieser hinführt und wegführt. Durch diese Entscheidung erreichen wir Aljezur schnell. Wir hatten von Tom den Tipp bekommen, dass es hier ein günstiges und gutes Restaurant gibt, doch bei google steht dieses als geschlossen drin. Deshalb warten Jan-Ole und Kyra an einer öffentlichen Toilette, während Michi zum Restaurant hinunter fährt. Nach wenigen Minuten ruft er an und leider ist es bei google richtig eingetragen, das Restaurant ist geschlossen. Wir nutzen die Gelegenheit und gehen auf die Toilette. Michi wäscht sich zudem schnell seine Haare, bevor es den Hügel weiter hinauf geht. Oben steht eine Burg und wir werden von einem Niederländer angesprochen. Wir quatschen nur kurz, während seine zwei niedlichen kleinen Töchter um seine Beine herumlaufen. Wir verabschieden uns und fahren weiter der Küste entgegen. Jan-Ole hatte ursprünglich gedacht heute bis nach Sagres zu kommen, doch die Stadt liegt noch weiter entfernt, als er annahm. Somit sucht er sich ein Hotel, welches in der Nähe von dem Spot liegt, wo wir uns heute Nacht einen Schlafplatz suchen möchten. Unser Weg führt uns zunächst über viel Schotter und Sand über kleine Hügel. Erneut entscheiden wir spontan einen 3 km langen Umweg zu fahren und auf die Bundesstraße auszuweichen. Hier ist der Untergrund perfekt. Asphalt und sanfte Steigungen gefallen uns in diesem Moment mehr. Zudem ist die Straße kaum befahren, während es langsam um uns herum dunkel wird. Oben angekommen ist es dunkel und wir schießen zu dritt den Hügel hinunter. Die Aussicht wäre am Tag bestimmt faszinierend gewesen, denn selbst im Dunkeln entdecken wir tolle Stellen. Wir genießen die Schnelle Abfahrt und sind erneut schnell im Zielort Carrapateira. Jan-Oles Hotel liegt sogar noch auf unserer Strecke, weshalb wir ihn bis vor die Haustür bringen. Dort verabreden wir uns für den nächsten Tag, um weitere Kilometer zu dritt zurückzulegen. Nach einer kurzen Verabredung fahren wir beiden die letzten zwei Kilometer den Klippen entgegen. Es ist finstere Nacht. Wir sehen unsere Umgebung nicht und nur durch das Licht der Fahrräder den Weg vor uns. Dann hören wir das Meeresrauschen vor uns und in der Ferne das Licht von einem Leuchtturm. Wir scheinen die Küste erreicht zu haben. Nach wenigen Metern ist der bei google herausgesucht Platz gefunden, doch leider scheint der Boden durchgängig aus Schotter zu bestehen. Wir ziehen uns die Kopflampe an und suchen nach einer kleinen Stelle Rasen. Wir finden einen kleinen Platz und bauen das Zelt auf. Während Michi Reis mit abgelaufener Pilzsuppe als Soße kocht, schmückt Kyra die Drahtesel vor dem Zelt weihnachtlich. Emil und Elias werden wie Tannenbäumen Lichterketten über geworfen. Als das Essen fertig ist, machen wir Fotos im Schein der Lichterketten und kriechen zum Essen ins Zelt. Nach dem Essen fallen uns erschöpft die Augen zu. Gute Nacht!