Fahrrad-Weltreise - San José del Valle nach Tarifa

Durch Nebel und Sand Afrika Entgegen

09.01.2025 - Tag 222

Lesedauer ca. 6 min

Die Nacht war ruhig und warm. Der Regen fiel kontinuierlich aufs Zelt und hinterließ eine beruhigende Stimmung. Am Morgen ist jedoch alles nass. Leider auch unser Zeltboden auf Kyras Seite, denn irgendwo ist eine undichte Stelle. Die Tropfen sind scheinbar von dieser an der Stange hinuntergelaufen und haben sich dann gesammelt. So ist ein kleiner See entstanden. Da es noch immer regnet, fällt es uns schwer aufzustehen. Wir sowie Tim und Angela liegen nach dem Frühstück noch kurz rum, doch der Regen ist mittlerweile verschwunden und der Tag verspricht laut diversen Wetterberichten Besserung sogar Sonnenschein. “Was motiviert euch aufzustehen?”, fragt Kyra aus unserem Zelt in die Runde. “Feuer”, sagt Michi. “Bären!”, meint Tim. Etwas ernsthafter sagt Kyra: “Das wir heute ans Meer kommen”. Unser Ziel ist heute bis kurz vor Tarifa zu kommen. Dort wollen wir morgen die Fähre nach Tanger (Marokko) nehmen. Doch dafür müssen wir langsam los. Wir stehen auf und packen alles ein. Dann kann es los gehen. Wir rollen auf die Straße von gestern und fahren kontinuierlich leicht hinauf. Irgendwann werden die Höhenmeter anstrengender und wir meistern die ersten Hügel. Die Landschaft um uns herum ist dabei traumhaft. Wir sehen weitere Korkeichen und viele Olivenbäume. Das Wetter ist dabei nicht so erfreulich. Nebel hängt zwischen den Bäumen und über uns. Einige Autos fahren sogar bereits mit Nebelschlussleuchte. Wir spüren die Feuchtigkeit, die damit einher geht. Die kleinen Wassertropfen in der Luft lassen sich auf unserer Kleidung nieder. Wir fahren trotzdem mit guter Stimmung und sehen schließlich die für heute höchste Erhebung. Oben auf dem Hügel ist eine Burg. Während wir die ersten Blicke auf diese erhaschen, beginnen wir am Fuße des Hügels zu treten. Wir müssen in den kleinsten Gang schalten und fahren langsam hinauf. Aufgrund unterschiedlicher Geschwindigkeit fahren wir zu Tim und Angela etwas auf Abstand. Nach einem Kreisverkehr in Medina-Sidonia geht es besonders steil hinauf, doch alles ist noch gut machbar zu fahren. Oben angekommen verschnaufen wir kurz und atmen tief durch. Der Weg zur Burg ist aufgrund von Stufen etwas verwirrend, doch schließlich schaffen wir es nach oben. Leider ist der Ausblick sehr eingeschränkt, da das Tal unter uns weiter im tiefen Nebel liegt. Trotzdem suchen wir uns an einem alten Wehrturm ein nettes Plätzchen und machen eine längere Pause. Wir teilen unsere Süßigkeiten und essen auch etwas Baguette. Dabei beobachten wir, wie das Tal kurz aufzieht, um wieder in Nebel zu versinken. Dabei überlegen wir, was wir Da unten eigentlich sehen. Ein Zaun? Kühe und Hühner? Als das Tal zum zweiten Mal aus dem Nebel hervor tritt, sehen wir alles klar. Unter uns sind mehrere Bauernhöfe und in der Ferne stehen auch Pferde. . Wir packen unsere Sachen zusammen und fahren weiter. In Serpentinen winden wir uns hinab. Wir brechen im Geschwindigkeitsrausch durch die verbliebenen Wolken ins Tal und die Feuchtigkeit klebt an unserer Haut, unserer Kleidung… Moment… Es hat angefangen zu regnen. So ein Mist, wir halten kurz vor der großen Bundesstraße gen Süden und ziehen unsere Regenjacken an.

Bis auf Michi. „Das hört gleich wieder auf“, sagt er und als es nur noch nieselt oder fisselt, ergänzt er:“Schau, hab‘ ich doch gesagt.“ Wir fahren weiter. Immer auf dem Pannenstreifen durch unspektakuläre leicht hügelige Landschaft, die geprägt von landwirtschaftlichen Plantagen und Äckern sowie ein paar Weiden im grauen Nebelschleier liegt. So ziehen die Kilometer dahin und der Regen nimmt zu und wieder ab. Der spanische Verkehr ist sehr achtsam, obwohl wir bereits auf dem Seitenstreifen fahren, halten die meisten zusätzlich mindestens 1,5 m Abstand. Das freut uns sehr. Dann sehen wir unseren Radweg und entscheiden uns spontan weiter auf der Bundesstraße zu bleiben. Wenige Meter später sehen wir, dass es die richtige Entscheidung war. Der kleine Sandweg liegt komplett unter Wasser. Wir sind gut unterwegs und nach einer Weile biegen wir links auf die CA 2225 nach Benalup-Casas Viejas ab. Es geht durch kleine Örtchen und schließlich den Hügel  nach Benalup-Casas Viejas selbst hinauf, wir fahren um eine Kurve und… da steht Michel in Regenmontur. Wir reden kurz und planen die weitere Strecke. Leider können wir nicht allzeit zusammen fahren, da er weiter durch den Nationalpark nach Algeciras möchte. Ein paar hunter Meter fahren wir noch zu fünft zusammen und dann heißt es erneut Abschied nehmen von unserem Freund von Tag 218. Wir wünschen uns gegenseitig eine tolle Reise und alles Gute. Dann rollen Tim, Angela und wir zwei nach rechts weg. Michel fährt weiter geradeaus. Uns umgeben Baumwollplantagen und alle stehen unter Wasser. Gefühlt kann der Regen nirgendwo hin, der Boden vermag ihn nicht aufzunehmen, kein Kanal kann ihn halten und so staut er sich auf den Feldern und in den wenigen Gräben. Unser asphaltierter Weg knickt plötzlich schräg rechts weg und vor uns liegt eine Sandpiste. Anfangs ist diese festgefahren doch je weiter wir hinein strampeln, desto ausgewaschener, matschiger und sandigen wird sie. Bäche kommen uns entgegen. Alle Drahtesel versinken dann und wann im nassen Sand, stecken fest, werden herausgeschoben und rollen unter Quietschen und Knirschen widerwillig weiter. Dazu frischt ein Seitenwind auf. Wir folgen neben zahllosen Spuren von Autoreifen einer Fahrradspur. Vermutlich ein andere Person auf Radreise, der oder die sich ebenso unsicher den Weg durch über Schotter, durch vermeintlich festen Sand und vollgelaufene Fahrrinnen gesucht hat. So ist sie für uns ein guter Indikator, wo der Sand definitiv lose ist. Links und rechts der Straße haben sich kleine Teiche gebildet und die gesamte Landschaft ist ein halber Sumpf. Unentwegt begleitet uns das Quacken der Frösche. Es geht sanft auf und ab und an großen Weiden vorbei. Auf einmal steht eine Kuh direkt am Wegesrand, wenig später fünf Pferde. „Wie haben die es nur aus dem Gehege geschafft?“, fragen wir uns. Zum Glück war kein Bulle dabei. Wir kämpfen uns weiter, müssen immer wieder eine Pause einlegen und gelangen nach 12 km auf die rettende Straße, ebenfalls ein Sandpfad, der und zur Bundesstraße führt. An dieser, der Carretera de Mediterráneo, geht es für uns, wie der Name vermuten lässt weiter in Richtung Meer bzw. zum Eingang des Mittelmeers.

Die Landschaft ist nun erfüllt von Windkraftanlagen, die sich  langsam drehend an die Hänge schmiegen. Der Verkehr nimmt mit jedem Kilometer zu und es werden immer mehr Camper und Wohnmobile. Manche haben sogar einen Anhänger mit einem extra Fahrzeug dabei. Also quasi das ganze Haus samt Garage und Fahrzeug. Irgendwie verrückt, aber wer Spaß daran hat. Wir strampeln fleißig weiter und der Himmel reißt ein bisschen auf, gerade so, dass die Sonne Strahlen in einem breiten Fächer aufs Meer wirft. Wenig später beginnen wir mit der Schlafplatzsuche und stehen an einem Parkplatz über den Klippen und am Horizont hinter den endlosen Wellen sehen wir… Marokko! Wir können es kaum glauben, aber wir vier aus Emden stehen nun mit unseren Fahrrädern kurz vor Afrika. Ein paar Straßen weiter finden wir eine kleine Straße, zahlreiche Camper stehen am Ende auf dem Parkplatz. Wir verschwinden in dem Wäldchen links und bauen unsere kleinen Zelte auf. Heute gibt es bei Tim und Angela Nudelsuppe und bei uns Brokkoli, Knoblauch, Paprika, Tomate und Spaghetti. Dann sprechen wir noch über die weitere Route, Wechselkurse, Einreisebestimmungen und das Wetter. Wor sind erschöpft, aber glücklich, das Meer rauscht und morgen geht es für uns nach Marokko! Gute Nacht.

0 0 votes
Artikel-Bewertung
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Kommentare
Newest
Oldest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments