Fahrrad-Weltreise - Von Tétouan über Ceuta nach Algeciras

Grenzübergang in die EU

15.01.2025 - Tag 228

Ein letztes Mal erwachen wir auf afrikanischen Boden. Es ist kurz vor halb 7 Uhr. Müde drehen wir uns noch einmal um, schließen die Augen und warten den Wecker ab. Verlässlich klingelt dieser ein paar Minuten später. Doch uns ist noch immer nicht nach aufstehen, weshalb wir uns noch kurz zusammen in ein Bett kuscheln. Als wir jedoch aus dem Schlafzimmer von nebenan Geräusche hören und Tim und Angela langsam aufstehen, verlassen wir ebenfalls das Bett. Da noch Reis vom gestern Abend da ist, beginnt Tim Eier mit Reis und Käse zum Frühstück vorzubereiten. Dazu machen wir Tee und Kaffee. Das improvisierte Frühstück schmeckt besser als gedacht bzw. es schmeckt richtig gut. Anschließend essen wir noch etwas Fladenbrot mit Schokoaufstrich und Feigenmarmelade. Dann spült Michi ab und wir anderen drei packen die Taschen. Leider ist die Wäsche von gestern Abend kaum getrocknet, doch im heutigen Sonnenschein am Fahrrad im Wind, sollte dies schnell nachgeholt sein. Erneut kommunizieren wir mit der Security der Wohnanlage über WhatsApp und fragen, wo wir den Schlüssel abgeben sollen. Die Antwort kommt schnell „A l’agent de sécurité“. Dies übersetzen wir laienhaft mit „beim Wachmann“. Nach und nach tragen wir zu viert alle Taschen und Fahrräder nach draußen. Dort ist es bereits hell und die Sonne scheint mit voller Kraft. Keime Wolke ist am Himmel und das Wetter verspricht einen wunderschönen Tag. Schnell haben wir noch einmal die Wohnung kontrolliert, uns auf die Drahtesel geschwungen und die Schlüssel am Ende der Straße bei der Security abgegeben. Was für eine verrückte Welt. Die Wohnung in der wir geschlafen haben war modern eingerichtet und sauber. Sie hatte fließendes Wasser und Strom. Eine warme Dusche, eine Küche, mehrere Schlafzimmer… Davon können viele Marokkaner auf dem Land nur träumen. Doch bereits beim Frühstücken haben wir uns gefragt: Wem wird es besser gehen? Wahrscheinlich geht es sowohl auf dem ärmeren Land wie auch in der reicheren Stadt Menschen gut als auch schlecht. Es ist nicht das Geld, was einen glücklich macht, sondern viel mehr, die Menschen, die einen umgeben. Die Situation in der man ist oder das was man daraus macht. Trotzdem kann man nicht abstreiten, dass es ein Minimum an Einkommen selbstverständlich braucht. Unsere Route führt uns den Hügel hinunter zur Hauptstraße. Diese ist breit gebaut und zweispurig. Wir haben sogar einen Fahrradweg und die Straße ist unglaublich sauber. Dafür sorgen viele Männer, die mit Besen ausgestattet über die Straße gehen. Wir sehen in den ersten Minuten bestimmt über 10 Straßenkehrer. Fast alle lächeln uns freundlich zu, winken oder zeigen einen Daumen. Dann wird es plötzlich touristischer.

Es sind zwar kaum Touristen zu sehen, dafür jedoch zahlreiche Hotels bzw. ganze Hotelkomplexe. Die Gebiete sind mit Zäunen oder Mauern abgetrennt und es gibt eine Einlasskontrolle. Das Meer ist dadurch nicht mehr zu sehen. Jedes Hotel scheint seinen Privatstrand zu haben. Wir rasen mit Rückenwind an allem vorbei. Die wenigen Menschen die wir sehen, sind inzwischen westlicher gekleidet. Manche Frauen laufen sogar in Jeans rum, doch die meisten tragen weiterhin ein Kopftuch. Nur vereinzelt sehen wir Frauen ohne. Dann sehen wir rechts von uns wieder das Meer und halten. „Hier ist die Stelle, wo wir links abbiegen würden, wenn wir den Landweg nehmen wollen“, erklärt Michi. Wir hatten uns gestern Abend 4 verschiedene Routen überlegt und 3 favorisiert. Eine führt nach Ceuta, die anderen beiden zum Fährhafen in Tanger Med. Wir diskutieren kurz, was wir nun machen. Mehrere Argumente sprechen dafür nach Ceuta zu fahren und ein paar Euro mehr für die Fähre zu zahlen. Ceuta ist näher, es sind weniger Höhenmeter, wir haben noch eine Stadt davor, um unsere letzten Dirham auszugeben und sehen europäischen Grund in Afrika. Zudem geht es Kyra seit gestern mit Durchfall und ein bisschen Übelkeit nicht 100 % gut. Nach der Entscheidung die Fähre ab Ceuta zu nehmen, fahren wir für einige Kilometer nach Fnideq weiter. Schnell finden wir ein Café, welches nett aussieht, Gebäck hat und Sitzplätze im Sonnenschein. Die Bedienung empfängt uns freundlich und wir bestellen 3 Kaffee sowie einen Tee. Während Michi auf die Drahtesel aufpasst, suchen Tim, Angela und Kyra etwas zum Essen dazu aus. Es gibt für jeden ein Msemen (feine Pfannkuchenbrote), 2 Harcha (Hartweizengrieß-Pfannkuchen) und ein anderes Gepäckstück sowie ein Stück Pistazienkuchen. Alles wird uns nett auf kleinen Tellern und in vier Stücke geteilt gebracht. Wir quatschen über die letzten Tage und überlegen was das Highlight war, während draußen das Leben der Stadt an uns vorbeizieht. Es ist der erste Ort, an dem gebettelt wird. Eine ältere Frau sitzt am Straßenrand und kommt schließlich in unser Lokal. Dort läuft sie von Tisch zu Tisch, doch der Kellner gibt ihr eine Kleinigkeit für seine Gäste und schickt sie raus. Etwas später steht ein Jugendlicher an der Scheibe, klopft und möchte Geld. Auch dieser wird weggeschickt. Uns sind die Situationen unangenehm und häufig wissen wir nicht, wie wir reagieren sollen. Wir sind uns unserer Privilegien und Unterschiede bewusst. Bereits in wenigen Stunden sitzen wir vier wieder in Spanien. Es ist eine verrückte Welt. Wir trinken noch Tee oder Kaffee und genießen die Zeit. Anschließend laufen wir nochmal alle auf die Toilette und suchen einen Bäcker raus.

Dort möchten wir unser Bargeld ausgeben und das leckere marokkanische Brot noch einmal kaufen. “Es ist erlaubt, Brot in die EU zu importieren”, findet Michi erleichtert heraus. Wir schieben unsere Drahtesel um die nächste Ecke und sehen Fnideq sofort aus einer anderen Perspektive. Hier ist Markt und zahlreiche Stände befinden sich am Wegesrand. Menschen wuseln herum und überall werden Sachen gerufen. Es bleibt nicht unbemerkt, dass sich vier Europäer den Weg durch den Markt suchen. Mehrmals werden wir angesprochen, doch immer mit Höflichkeit und nie zu aufdringlich. Trotzdem ist es Michi etwas zu viel und wir atmen tief durch, als wir wieder auf der etwas leeren Straße stehen. Dann ist die Bäckerei schnell erreicht. Während Tim und Angela eine Auswahl treffen, düsen wir über andere Straßen jedoch nochmal zurück. Der Kaffee drückt und wir benötigen dringend eine Toilette. Ein paar Minuten später treffen Wir wieder aufeinander. Nun wollen wir zu einem Supermarkt und kaufen noch ein paar Süßigkeiten. Abschließend trinken wir alle einen frischen Saft. “Hoffentlich vertragen wir diesen”, meint Kyra, während wir an unseren Strohhalmen mümmeln. Auch dabei werden wir von einer Frau angesprochen. Wir verstehen nicht wirklich was sie möchte, aber anscheinend sollen wir ihr ebenfalls einen kaufen? Der Verkäufer der Smoothies mischt sich ein und sie geht weiter. Unsere letzten 17 Dirham schenken wir einer Frau mit Baby auf dem Arm, die Kyra entdeckt. Sie freut sich sehr und erkundigt sich gleich, woher wir kommen. Nach einer kleinen Pause, in der sie überlegt, sagt sie schließlich etwas gebrochen: “Thank you very much!” und winkt uns hinterher. Sie winkt noch, als wir schon ein ganzes Stück die Straße hinunter gerollt sind. Wir verlassen den Kreisverkehr und fahren an der Küste entlang. Der Weg bis zur spanischen Exklave Ceuta. Zu unserer Rechten ist weiterhin das Mittelmeer, doch desto weiter wir der Grenze kommen, desto mehr Stacheldraht trennt die Straße von der See. Ceuta ist Teil der EU und somit befindet sich nun direkt vor uns eine hoch gesicherte Außengrenze der Europäischen Union. Einige Menschen warten hier auf ihre Angehörigen, zahlreiche Taxis warten auf Gäste und so manche Person wartet auf die Erlaubnis, in die EU reisen zu dürfen. Wir erkennen ein weiteres Mal, wie privilegiert wir sind. Als wir uns der Grenze nähern, werden wir langsamer und warten die Reaktion der marokkanischen Polizei ab. Diese winken uns und geben uns zu verstehen, dass wir weiterfahren dürfen. Wir lächeln uns gegenseitig dankbar zu und rollen hinter den ersten Zaun. Zunächst geht es ein kleines Stück geradeaus, doch dann sehen wir bereits einige Autos, Wohnmobile und Motorräder warten. Uns wird zu verstehen gegeben, dass wir uns auf die vierte Spur von links einordnen sollen. Diese Spur scheint für Motorräder und Fahrräder zu sein. Zum Glück dürfen wir somit an zahlreichen Autos und Wohnmobilen vorbei fahren. Dabei beobachten wir die Kennzeichen. Die meisten stammen aus Spanien, einige aus Marokko und wenige aus Deutschland oder den Niederlanden. Bei einer Überdachung und kleinen Kontrollhäuschen bleiben wir stehen. Das spanische Auto zu unserer linken wird währenddessen komplett auseinander geschraubt. Ein Beamter der Marokkaner liegt halb unter dem Auto und arbeitet mit einem Schraubenzieher. Vor uns wird ein Motorrad abgeklopft. “Uff, so eine Kontrolle hatten wir noch nie”, stellt Kyra fest. “Guck mal! Hunde in die EU zu überführen ist verboten, stehen dafür die kleinen Käfige?” fragt Kyra und zeigt auf diesen. Doch kurz darauf bemerken wir, dass dort bereits ein Hund drin liegt. Dieser war so still, dass wir ihn gar nicht bemerkt haben. Doch schnell wird klar, dass es ein Drogenspürhund ist. Ein weiterer Hund schnüffelt im selben Moment ein paar Autos weiter. Dann sind wir an der Reihe. Ein sehr freundlicher Mann gibt uns die Hand und lässt sich einige Taschen öffnen. Anscheinend ist er zufrieden und wir dürfen bereits nach wenigen Minuten die Kontrolle passieren. Anschließend folgt die Passkontrolle. Lustigerweise werden nur Michi und Angela nach ihrem Beruf gefragt. Kyra und Tim dürfen ohne ein Wort weiterfahren. Doch damit ist es noch nicht vorbei. Weitere Passkontrollen folgen und auf spanischer Seite dürfen wir erneut alle Taschen öffnen. “That is not allowed!” sagt der spanische Beamte zu Angela, als er die Backwaren entdeckt. Glücklicherweise dürfen wir jedoch wie am Mittag nachgeschaut das Brot behalten, nur die kleinen Backwaren sind verboten. Vielleicht liegt es an der Schokolade oder daran, dass irgendwo Milch verbraucht werden könnte? Wir sind uns nicht ganz sicher, aber alle anderen Lebensmittel scheinen in Ordnung zu sein. Der Beamte entschuldigt sich kurz, wiederholt nochmal, dass es verboten ist und schmeißt die Lebensmittel vor unseren Augen in den Müll. Wie schade! Aber er geht nur seinem Job nach. Dann haben wir es geschafft. Wir sind zurück in Spanien. Erneut, wie bereits bei der Einreise, gehen wir davon aus, dass wir viel Glück hatten. Wir kamen schnell dran und unsere Kontrolle verlief ebenso schnell. Andere scheinen hier mehrere Stunden zu stehen. Trotzdem müssen wir uns nun beeilen, um die Fähre gegen 16:00 Uhr zu erreichen.

Wir düsen den Hügel hinauf durch Ceuta und anschließend wieder herunter. Die Einfahrt zum Hafen liegt etwas versteckt, doch dann finden wir sie. Am Tor werden wir jedoch abgepasst. “Do you have a Ticket?”, fragt die Spanierin. Wir schütteln den Kopf und sie erklärt uns den Weg zum Schalter. Erneut sind wir trotzdem kurze Zeit aufgeschmissen und, wie man im Englischen so nett sagt, „lost“. Doch wir finden nach kurzem Suchen den Weg und laufen schnellen Schrittes zum Ticketschalter. Die Fähre hat anscheinend Verspätung und wir können in Ruhe ein Ticket für 17:30 Uhr kaufen. Perfekt! So bleibt noch Zeit, um auf Toilette zu gehen und zurück zur Hafeneinfahrt zu fahren. Dort geht es bereits wenige Minuten nach unserem Ankommen los. Wir dürfen Tickets und Ausweise zeigen und rollen in den inneren Hafenbereich. Hier warten wir erneut. Als es weiter geht, zeigen wir erneut Ticket und Pässe, bevor wir schließlich unter Beobachtung der spanischen Polizei auf die Fähre dürfen. Ein letztes Mal blicken wir von der Fähre auf Afrika zurück. Wir sind sehr glücklich darüber, dass wir uns auf dieses Erlebnis auf unserer Fahrrad-Weltreise eingelassen haben. Es war eine mega Zeit voller Gastfreundschaft, wunderschöner Natur und schönen Städten. Auf der einen Seite hätten wir noch wesentlich länger bleiben können, auf der anderen Seite freuen wir uns auf das neue Kapitel, welches in circa 2 bis 3 Wochen auf unserer Weltreise in Italien beginnt. Auf der Überfahrt knabbern wir etwas marokkanisches Brot, schreiben Blog und schießen für kurze Zeit die Augen. Kurz nach Sonnenuntergang legen wir in Algeciras auf dem europäischen Festland an. Dann verlassen wir die Fähre und fahren in schneller Geschwindigkeit zu unserem herausgesuchten Schlafplatz. Dieser liegt etwas außerhalb der Stadt. Ein Mann weißt uns im Vorbeifahren noch darauf hin, dass es am Ende der Straße nicht weitergeht. Wir bedanken uns, fahren jedoch weiter. Was er wohl denken wird? Aufgrund der Uhrzeit ist es uns jedoch egal. Wir sehen aufgrund der Dunkelheit nicht viel, sind müde und wollen nur noch in den Schlafsack. An unserem Ziel angekommen sind wir ganz zufrieden und entscheiden, nebeneinander zu biwakieren, das bedeutet, die Zelte nicht aufzubauen, sondern nur im Schlafsack auf den Isomatten zu übernachten. Das Nachtlager ist schnell errichten und nach Reis geht es in die Schlafsäcke. Es ist kalt, doch die Schlafsäcke halten uns warm und wir können schnell einschlafen. Gute Nacht!

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