Tag 200 - Letzte Nacht im Zelt im Jahr 2024 (18.12.2024)

Von Carrapateira nach Luz

Der beständige Wind and der Küste bläst über das Zelt. Doch es ist unglaublich warm. Michi wälzt sich noch lange vor dem Wecker hin und her. Kyra schläft hingegen relativ gut durch. “Guten Morgen”, begrüßt Michi schließlich Kyra als der Wecker klingelt und wir frühstücken ein Müsli. “Jan Ole kommt in etwa einer Stunde vorbei”, bemerkt Michi beim Blick auf sein Telefon. Wir essen auf und beginnen langsam mit der Morgenroutine. Ein paar Portugiesen treffen sich mit ihren Autos am kleinen Parkplatz auf den Klippen neben unserem Zelt. Sie quatschen und blicken aufs Meer hinaus. Bis auf wenige Blicke und ein Lächeln interessieren wir sie nicht weiter. Als wir gerade in den letzten Zügen des Abbaus sind, kommt Jan Ole winkend vorbeigefahren. Wir putzen noch unsere Zähne und machen Aufnahmen von den Klippen. So beeindruckend die Küste ist, entscheiden wir uns doch zurück und dann auf der asphaltierten Straße zu fahren. Bei Tageslicht sieht man erst, wie schön es ist. Bretterpfade führen hinaus an die Ränder der Steilküste und kleine Plattformen bieten einen tollen Blick auf das Meer und die Brandung am Fuße der Klippen. In Carrapateira biegen wir auf die ER 268 in Richtung Süden ab und kommen sogleich ins Schwitzen. Es geht beständig bergauf. Doch wir sind uns einig, dass es auf Asphalt besser rollt, als irgendwo da rechts zwischen Sand und Schotter. Während uns zahlreiche Camper und Wohnmobile, die allermeisten auf einmal aus Deutschland, überholen, reden wir drei über alles mögliche.

Von Fischbrötchen über Radreisen bis hin zu faszinierenden Geschäftsideen ist alles dabei. Jo sprüht vor umtriebiger Lebensfreude und seine pragmatische Art mit dem trockenen Humor sind erfrischend. Die Kilometer fliegen dahin und schon erreichen wir Villa do Bispo. Wir folgen den Schildern zu Aldi und kaufen ein. Der Himmel ist zugezogen und wir verzehren einen Teil der Einkäufe direkt vor Ort. Zeitgleich wird abgewogen, wie es weitergehen soll. Ursprünglich wollte Jo nach Sagres und wir zum südwestlichsten Punkt, doch warum eigentlich? “Also ich muss nicht den Umweg fahren… das Wetter ist nicht so und was werden wir dort sehen?”, fragt Kyra skeptisch. Ein deutsches Auto nach dem nächsten parkt zum Einkaufen. “Dasselbe, Klippen, Steilküste, Leuchtturm, aber wenn man schon einmal hier ist…”, wirft Michi seine Gedanken in die Runde. Jo muss es auch nicht sehen. Ein Radreisender kommt vorbei. Er ist Deutscher und reist quasi das ganze Jahr. Im Frühsommer arbeitet er in den Weinbaugebieten an der Mosel und den Rest erkundet er Europa per Rad. Im Winter ist er immer gern in Portugal und fährt die Küste auf und ab sowie in die Berge im Hinterland. Dort ist er zuletzt auf ein wildes Rudel Hunde gestoßen. “Ich dachte jetzt ist es aus. Die haben mich richtig umzingelt. Dann hab ich geschrien und einen Prügel rausgeht”, schildert er die Begegnung. Irgendwann haben sie von ihm abgelassen. Dann reden wir über unsere Touren und er warnt uns vor den Hunden auf Sizilien, aber wir als Gruppe stellen ohnehin keine leichte Beute dar. Wir reden noch etwas über Sagres und unsere weitere Routenplanung und Radreisen. Da fällt auf, wie gut er die Umgebung kennt. Er gibt Tipps, um steile Anstiege und schlechten Untergrund zu vermeiden. Dann verabschiedet er sich und geht einkaufen. Er meint auch uns beide bereits auf Reisen gesehen zu haben, vielleicht in Norwegen. Wir sind uns ebenso unsicher. “Dann sehen wir uns womöglich nächstes Jahr in Kasachstan”, sagt er noch und wünscht uns alles Gute.

Unsere Entscheidung steht nach dem Gespräch jedoch fest. So schön es bei tollem Wetter sein soll, rollen wir los und auf die Bundesstraße in Richtung Portimão. Nach einer Weile fällt uns auf, dass wir weder Kontaktdaten noch Namen getauscht haben. Schade, aber wenn es sein soll, sehen wir uns in Kasachstan wieder. Der Seitenstreifen ist zumeist breit und so ist das Fahren auf der gut besuchten Bundesstraße dennoch recht angenehm. Wir quatschen noch ein bisschen und schmunzeln über einen Kölner VW-Bus der gefühlt zum 5 Mal an uns vorbeifährt. Wir folgen der N 125 durch ein paar Kreisverkehre und gelangen schließlich nach Almádena. Hier müssen wir rechts weg zu unserem Schlafplatz in einem “Welcome to my Garden” und Jo will weiter Richtung Portimão. “Da ist noch ein Fahrradladen, ich hole mir einen Spiegel”, sagt er und kurzerhand begleiten wir ihn noch. Schließlich brauchen auch wir ein paar Teile und wer weiß, vielleicht werden wir ja fündig. Ein Tor öffnet sich und wir rollen in einen umschlossen Außenbereich mit Tischen und Stühlen sowie mehreren Fahrrädern. Wir werden freundlich von einem Hund begrüßt, stellen die Räder ab und betreten das Fahrradcafé. Diesem angeschlossen ist eine offene aufgeräumte Werkstatt und wir fühlen uns direkt wohl. Erneut werden wir begrüßt. Der Raum ist nicht überladen und stilecht eingerichtet sowie passend zur Jahreszeit weihnachtlich dekoriert. Doch Moment, die Tannenbäume in verschiedenen Größen und der Türschmuck sind aus alten Fahrradteilen gefertigt. Wie genial! Wir bestellen zwei Americano und einen Milchkaffee. Während der Zubereitung unterhalten wir uns gut mit der Chefin. Anschließend setzen wir uns raus in die Sonne. Ein Spiegel für Jo ist leider jedoch nicht vorrätig. Doch es werden gleich Optionen aufgezeigt, wo er einen bekommen kann und auch wir erhalten zahlreiche Tipps. Die Räder werden bewundert und immer wieder sprechen wir mit den Leuten vor Ort. Wir holen noch ein Wasser, alkoholfreies Bier eine Cola sowie Tiramisu und Cheescake. “Der Kaffee, geht auf mich, ich lad’ euch ein”, sagt Jo. Wir bedanken uns und unterhalten uns noch gut. Dann muss Jo langsam aufbrechen, damit er noch rechtzeitig zu seiner Unterkunft kommt. Wir blicken zurück auf zwei schöne Fahrtage und verabschieden uns. Definitiv werden wir nach der Reise auf ein Fischbrötchen oder zwei vorbeischauen. Dann radelt er davon und wir reden mit den Kunden und Angestellten über die Reise, das Radfahren und vieles mehr. Insbesondere mit Joan tauschen wir uns über unsere Räder aus. Er hat schon viel von der Welt gesehen. Stammt von hier, hat jedoch lange in Utah und Vancouver gearbeitet. Vor 6 Jahren kam er schließlich zurück. Er gibt uns Tipps zur Kette und der Drahtesel-Pflege. Man sieht, dass er in seinem Element ist, die Augen leuchten und verstrahlen eine Begeisterung, die jede und jeden zum Radfahren bewegen könnte. Sogar als er vom Radfahren bei eisigen Temperaturen deutlich unter 0 °C berichtet. Doch dann muss auch er zurück an die Arbeit und wir zahlen den verbliebenen Rest. Die Chefin zeigt uns noch einen weiteren Weihnachtsbaum aus Felgen und bringt ein Rücklicht an dessen Spitze an. Herrlich, radfahren wird hier durch und durch gelebt. Wir verabschieden uns von allen und fahren an einer von Palmen umsäumten Kläranlage vorbei den Hügel hinauf zu unserem Schlafplatz. Femke empfängt uns mit offenen Armen. Sie zeigt uns den Garten und alles was wichtig ist. Anschließend werden wir zu einem Singkreis eingeladen. Der Ort ist einfach nur fantastisch. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase akzeptieren uns die Hunde und lassen sich bereitwillig kraulen. Wir bauen das Zelt auf der herzförmig mit Steinen eingefassten Zeltwiese auf. Dann laden wir unsere Elektronik während wir parallel in der offenen Außenküche kochen. Wir entscheiden uns gegen den Singkreis, da es mit dem Duschen einfach zu knapp wird. So können wir genüsslich essen und wechseln noch ein paar Worte mit dem deutschen Pärchen, dass derzeit auf dem Gelände aushilft, ehe auch sie zum Singkreis gehen. Wir duschen und entspannen. Die jüngere von Femkes Töchtern kommt vorbei und möchte einen der Hunde mitnehmen, der es sich auf dem Kissen am Boden neben uns bequem gemacht hat. Doch er ist nicht wirklich begeistert und schaut sie nur fragend an. Dann kommt die ältere und hebt ihn kurzerhand hoch. Nach ein paar Metern setzt sie ihn ab und er läuft wie selbstverständlich mit ihr mit. Wir gehen duschen, entdecken oben auf der Terrasse noch ein nettes Buch für Kinder und Jugendliche über die Algarve. Doch es ist so nett aufbereitet,  dass wir selbst ein wenig schmökern. Dann genießen wir den Ausblick auf die Lichter der Orte um uns und die Sterne darüber. Eine Katze gesellt sich zu uns und schmiegt sich an. Sie schnurrt leise und würde am liebsten mitkommen, als wir wieder hinab zum Zelt schlendern. Dort angekommen schreiben wir noch etwas unsere Eindrücken nieder und schlafen zufrieden ein. Gute Nacht.