Tag 56 - Tag der Fähren (27.07.2024)
Von Gills Bay nach Lerwick
Unser Wecker klingelt um 6:30 Uhr. Draußen hören wir nicht nur Möwen und Austernfischer, sondern auch Seehunde, die unweit auf den Steinen liegen. Hinter den Seehunden erstreckt sich das Meer und einige Inseln der Orkneys. Die Inseln ragen majestätisch aus dem Wasser und lassen die zum Teil karge Landschaft schon erahnen. Wahnsinn, was wir wieder für einen tollen Schlafplatz gefunden haben. Im Zelt ist es schön warm, was ein Zeichen dafür ist, dass die Sonne scheint. Nach all dem gestrigen Regen ein Segen. Wir strecken uns und packen langsam alles ein. Als wir im Zelt fertig sind, ist der große Moment gekommen, dass wir die Wärme gegen blutdurstige Midges eintauschen. Zahlreich sitzen diese an der klammen Außenzeltwand und warten auf uns. Selbst im Innenzelt entdecken wir noch einige. Es nützt nichts, wir müssen das Zelt verlassen, sonst verpassen wir die Fähre. Zeitgleich wagen wir uns nach draußen und in sekundenschnelle sind zahlreiche Tiere auf uns gelandet. Beim einpacken beißen wir die Zähne zusammen und werden von den Midges mehrmals gebissen. Während Kyra sich um die Taschen kümmert, baut Michi das Zelt ab. Schnell sind wir fertig und fahren die paar hundert Meter zur Fähre. Zum Glück geht ihr ein bisschen Wind und somit sind keine weiteren Midges in Sicht. Wir reihen uns hinter den ersten wartenden Autos ein und kommen schnell dran.
Doch bevor wir uns an die richtige Stelle zum Warten einreihen können, müssen wir noch ins Fährhaus gehen und Tickets kaufen. Wir drücken fest die Daumen, dass noch genug Platz an Bord ist und tatsächlich, der nette jedoch wortkarge Mann am Schalter, Bucht uns zwei Tickets. Super! Nun gehen wir beide zunächst nochmal auf Toilette und putzen Zähne. Anschließend dürfen wir an allen Autos vorbeifahren und uns an den Fußgängereingang stellen. Da noch etwas Zeit ist, holen wir unserem Drachen raus und erwärmen uns Milch für einen heißen Kakao. Dabei müssen wir uns dann doch beeilen, da die Fähre plötzlich in Sicht ist. Mit dem warmen Kakao in der Hand beobachten wir, wie zahlreiche Autos die Fähre verlassen. Kurz nachdem wir ausgetrunken haben, ist die Fähre leer und wir dürfen mit einer Fußgängerin als erstes auf die Fähre rollen. Die Drahtesel werden fest angebunden und wir gehen aufgrund des weiterhin traumhaften Wetters zum Sonnendeck. Es dauert eine ganze Weile bis alle Autos an Bord sind, aber das macht bei diesem Wetter gar nichts. Wir genießen die Sonne und den Ausblick. Als wir schließlich losfahren machen wir einige Fotos und Michi sieht sogar nach einiger Zeit kurz einen Delfin. Der Himmel ist mittlerweile fast komplett blau und das Wasser unter uns wirkt ebenso blau. Es ist einfach wunderschön. Gegen 11:30 Uhr erreichen wir St. Margaret’s Hope, wo wir noch kurz zwei Radreisende treffen und uns mit diesen unterhalten.
Die beiden kommen aus den Niederlanden und sind dort gestartet. Sie fahren den Eurovelo 12 (Nordseeküstenradweg), welcher sie bereits über Deutschland, Dänemark, Schweden und Norwegen nach UK geführt hat. Von Bergen ging es mit dem Flieger auf die Inseln, nun heißt es für sie die Orkneys zu verlassen und der Küste in den Süden zu folgen. Als wir gerade anfangen uns ins Gespräch zu vertiefen, müssen die beiden auf die Fähre. Wir wünschen einander alles Gute und starten unsere knapp 30 km nach Kirkwall, wo wir heute Abend die nächste Fähre zu den Shetlands nehmen. Die ersten Blicke über die Insel sind traumhaft. Die Sonne scheint und der Wind treibt uns von hinten an. Wir fahren an einem traumhaften Strand nach dem anderen vorbei. Das Wasser ist von dunkelblau bis türkis gefärbt und die Strände sind zum Teil aus weißen Sand oder bunten Steinen. Es ist unglaublich, was für Schönheiten die Natur hervorbringen und wir hoffen in diesem Moment so sehr, dass das Wetter gut bleibt. Unser Weg führt uns von einer Insel zur nächsten und als wir einen besonders schönen Strand entdecken machen wir eine Pause, denn wir haben noch nichts gegessen und starten mit etwas herzhaften zum Mittag. Es gibt Mac and Cheese aus der Tüte, als Fertigessen. Eigentlich nicht unsere Art, da wir gerne selbst kochen, aber für heute super. Auch ohne Milch, die laut Angabe eigentlich benötigt wird, schmeckt es ganz gut. Wir genießen die Zeit und Kyra macht sogar kurz die Augen zu. Als uns schließlich kalt wird, da der Himmel mit Wolken zu zieht, packen wir alles ein und fahren weiter. Der nächste Anstieg schafft sofort Abhilfe und uns ist wieder warm, Pulli aus und weiter geht es. Zwischendurch bekommen wir ein paar Tropfen ab, aber ansonsten bleibt es trocken und die Sonne kommt immer wieder durch. Einfach perfektes Wetter. Wir fahren am Flughafen von Kirkwall vorbei, strampeln uns eine Steigung hoch, es geht rasant runter und geschafft. Wir sind im Kirkwall angekommen. Zu zweit besuchen wir nochmal ausführlich Lidl, um für die nächsten Tage gut ausgerüstet zu sein. Elias ist nun mehr als voll und auch Emil muss einige Lebensmittel tragen.
Voll bepackt fahren wir die letzten Meter zum Fähranleger und Essen etwas zu Abend. Als die Toiletten neben uns schließlich schließen und Michi dringend auf Toilette muss, entscheiden wir uns bereits vor zum Anleger zu rollen. Auf dem Weg werden wir abgefangen und gefragt, welche Fähre wir nehmen wollen. Wir antworten: „Kurkwall – Lewick“. Er lächelt uns freundlich an und erklärt, dass wir falsch sind. Wir müssen circa 2,5 Milen weiter in Richtung des Kreuzfahrtschiffs. Wir beide gucken uns an und sind mehr als froh, so früh zur Fähre gefahren zu sein. Nun haben wir genug Zeit die paar Kilometer zu fahren. Dort angekommen dürfen wir zunächst noch nicht zum Fährhaus da ein deutsches Kreuzfahrtschiff zunächst auslaufen muss. Also wollen wir es uns in sichtbarer Nähe bequem machen. Als erstes packen wir zwei Taschen um, damit wir diese auf der Fähre bei uns haben können. Aus Erfahrung wissen wir, dass man bei langen Fährfahrten nicht an die Fahrräder kommt und alles wichtige bei sich haben muss. Wir müssen an etwas zum Essen, warme Anziehsachen und Hygiene denken. Nachdem wir gerade fertig umgepackt kommen zwei weitere Radreisende zu uns um die Ecke gefahren. Die beiden kommen gebürtig aus den USA und Australien. In San Francisco haben sie sich kennengelernt. Ihre Reise führte sie von Inverness an die Westküste und dort die gesamte Küste entlang bis zu den Orkneys. Auch sie waren nur einen halben Tag hier und fahren bereits weiter zu den Shetlands. Zurück geht es nach Aberdeen und anschließend Inverness. Wir tauschen uns munter aus, bis wir plötzlich Musik von dem Kreuzfahrtschiff hören. Ein Dudelsackspieler scheint live zu spielen, während das Schiff ablegt. Am Ende des Stücks wird kräftig auf dem Schiff geklatscht. Schnell wird das Schiff kleiner und wir dürfen endlich zum Fähranleger. In der Zwischenzeit ist es ziemlich kalt geworden und wir freuen uns auf die Wärme im Inneren. Wir geben unsere Buchungsnummer an und bekommen die Tickets ausgehändigt. Da wir noch keinen Rückweg buchen konnten, weil auf der Internetseite Fahrräder als Fahrzeuge gewertet wurden, buchen wir für in 6 Tagen (02.08.) unsere Rückfahrt zu den Orkneys, denn hier möchten wir gerne noch ein bisschen mehr Zeit verbringen. Als wir gerade bezahlt haben, zeigt uns Alicia wie unsere gebuchten Schlafsessel für die Überfahrt aussehen. Sie hat ein Bild davon auf einem Aushang entdeckt. Am Morgen gibt es sogar eine Dusche mit Handtuch. Was ein Luxus! Doch erstmal müssen wir noch etwas warten. Wir schreiben etwas Blog und Michi, der leider noch immer etwas Probleme mit der Blase hat, rennt mehrmals auf Toilette. Gegen 23 Uhr geht es dann plötzlich ganz schnell. Ein Mann in gelber Warnweste kommt herein und fragt, wer mit dem Fahrrad auf die Fähre will. Wir werden aufgefordert zu folgen und laufen ihm hektisch hinterher. Im Autodeck angelangt, sind die Fährleute über das Gewicht von Emil und Elias überrascht. Trotzdem werden beide gut verstaut und angebunden. Anschließend gehen wir zum Aufzug und gelangen auf das Aufenthaltsdeck. Als wir unsere reservierten Stühle finden, können wir es im ersten Moment nicht glauben. Es handelt sich leider nicht um die Stühle, die Alicia und Jim gebucht haben. Wir haben lediglich eine Reservierung im Großraum. Das wäre an sich nicht schlimm, aber um unsere reservierten Plätze herum, sitzen bereits betrunkene laute Männer, die ihre leeren Flaschen auf und neben unsere Plätze gestellt haben. Zudem befinden sich die Plätze in der zweiten Reihe vor dem Fernseher, welcher laut die olympischen Spiele zeigt. Wir gucken uns an und schnell ist klar, hier wollen wir nicht bleiben. Aber wohin? Michi bleibt mit der gepackten schweren Tasche für die Nacht stehen und Kyra sucht das Deck ab. Zum Glück findet Kyra schnell vier kleine Schalensessel, die jeweils zu zweit zusammengeschoben werden können. Das ist zwar etwas eng und neben den Toiletten, aber mit unserer Größe gut zu machen. Wir machen es uns gemütlich. Ziehen die Schuhe aus und nutzen die Jacken als Decken und Kopfkissen. Bevor wir versuchen zu schlafen, essen wir noch Brezeln mit Frischkäse. Und als Michi auf die Uhr guckt, ist es gerade eine Minute vor 0 Uhr. Er zählt die Sekunden und singt…