Tag 101 - Endlich wieder unterwegs? (10.09.2024)

Von Strandhill nach

Der Morgen startet kalt und windig. „Immerhin kein Regen“, sagt Kyra mit Blick auf den grauen Himmel. Schnell ist das Zelt eingepackt und der Ottifant ist so von Aufbruchstimmung beseelt, dass er ein Video machen möchte. Im Anschluss packen wir die restlichen Taschen an die Drahtesel und rollen auf unseren frischen Continental ContactUrban zur Camperküche. Wir Frühstücken wieder Müsli und machen uns ganz entspannt, durch den Wasserkocher, den letzten Rest Kaffee. Nebenbei laden die Smartphones und ein weiterer Liter kochendes Wasser wird in der Thermoskanne konserviert. Der ältere  Mann von der Rezeption schaut vorbei und fragt ob, ob es denn wieder weitergehe? Wir bejahen und er schaut nach draußen: „You’re so brave with the bicycles. Where are you heading? North, the wind in the back?“ Nein, leider fahren wir in den Süden. Allerdings sind auch Passagen Richtung Osten dabei und somit sind wir frohen Mutes. Wir spülen alles ab, füllen die Trinkflaschen nach einem Tipp der Rezeption an dem Wasserhahn draußen auf und gehen zurück zur Rezeption. Niall, der uns am ersten Tag empfangen hat oder sein anderer junger Kollege sind nicht da. Schade, aber das gesamte Team war einfach super nett immer hilfsbereit. Wir bedanken uns für alles, geben den Toilettenschlüssel ab und die beiden Herren wünschen uns eine gute Fahrt. Dann rollen wir vom Campingplatz in die Stadt, um unseren Glasmüll noch ordnungsgemäß zu entsorgen. Gleich hinter Strandhill erwartet uns sogleich die erste Steigung und diese… bringt uns fast um. „Wir sind es einfach… nicht… mehr… gewöhnt“, presst Michi zwischen den Tritten hervor. Es ist steil, aber wir hatten definitiv bereits Schlimmeres und längeres. Oben angekommen werden wir zudem mit Sonnenschein und einem herrlichen Ausblick zurück über Strandhill und die Küste belohnt. Der Hintern schmerzt dennoch bereits jetzt ein wenig und die Jacken werden ausgezogen. Michis Schaltung mag zudem nicht so recht mit der neuen Kette zusammenarbeiten. Das 5. und 4. Ritzel scheinen bereits relativ verschlissen zu sein. 2-4 ist somit nun tabu, da 1-4 noch halbwegs geht und bei Steigungen doch sehr praktisch ist. Wir rollen rasant an Wohnhäusern und Wäldchen vorbei, durch eine schöne hügelige Landschaft. „Man merkt einfach, dass die Reifen für Asphalt gemacht sind“, ruft Michi. „Ja, die laufen noch besser als die alten!“, jubelt Kyra, doch dann schleift Kyras Bremse und wir überprüfen die Einstellungen. „Läuft wieder, super!“, sagt Kyra freudig. Wir treffen auf den EuroVelo 1 und verlassen ihn wieder, wobei die Beschilderung vor Ort ebenso immer wieder von der, vermutlich älteren Route, im Navi abweicht. Bei einer Abfahrt fällt Michi auf, dass Elias Vorderrad sich komisch verhält, aber das hatte er schon einmal in England. Gemäß dem Tipp vom Radladen zieht Michi die Achse etwas fester an. So ist auch die etwas herausgedrückte Abdeckung wieder drin. Ein Auto hält an und der Fahrer fragt uns, ob wir einen Platten hätten. Er habe alles für die Reparatur zu Hause und wohne nicht weit. Dankend lehnen wir ab und erklären, dass es ein etwas größeres Problem ist. Da kann er uns leider auch nicht helfen. Wir verabschieden uns und das Rad wackelt nun nicht mehr. Dafür knarzt es wieder bedrohlich… Ein paar Meter weiter entscheiden wir uns die Nabe zu zerlegen. Siehe da… die Kugeln des Kugellagers fliegen frei zwischen Bruchstücken dessen umher, was vermutlich eine Halterung war. Zudem ist die Abdeckung in zwei Teile gebrochen und wurde von den Kugeln herausgedrückt.  Dadurch haben die Kugel ohne das Lager quasi Freigang. Michi flucht und sucht fieberhaft nach einer Lösung, die zumindest übergangsweise Abhilfe schafft. Sekundenkleber und Gewebeband fixieren immerhin die Abdeckung erneut, sodass die Kugeln nicht gänzlich das Lager verlassen. Wir rollen etwas besorgt weiter. Nach einer Pipi-Pause an einem kleinen Bach geht es den Hügel hoch. Michi ist platt und Kyra übernimmt die Führungsarbeit.

Es regnet und geht weiter hoch. Da Rad wackelt wieder und das Provisorium scheint erneut gebrochen, aber die Abdeckung verbleibt in der Nabe, sodass die Kugeln nicht herausfallen können. Moor und Heide säumen die weiten Hügel links und rechts der Straße. Der Geruch von Torffeuern liegt in der Luft. Dann geht es lange den Berg hinab. Ein Combi überholt uns mit passablen Abstand und direkt dahinter rast ein Transporter an uns vorbei und… vielleicht sind es Zentimeter, vielleicht nur Millimeter, aber wir haben überlebt. Eine derart knappe Überholung hatten wir wahrscheinlich bisher auf keiner unser nun doch zahlreichen Touren und wir haben einige wilde Überholmanöver erlebt. Fassungslos und noch halb im Schock schreit Michi dem Fahrzeug alles andere als wohlwollende Worte hinterher und reckt einen zumindest in Europa doch nicht als Grußzeichen bekannten Finger in die Luft. Etwaige Konsequenzen sind ihm egal, da sie der Person am Steuer ebenso egal zu sein scheinen… Vielleicht wünscht er sich sogar, dass die Person anhält und er sie einfach mal zur Rede stellen kann. Im nächsten Ort kündigt sich ein starker Schauer an und wir ziehen die Regenhose an. Auf den Schock und Frust über die Rücksichtslosigkeit folgt einfach nur Erleichterung, dass nichts schlimmeres passiert ist. Wir strampeln durch den Regen und auf einmal ist der ganze Himmel wieder blau. In der nächsten Stadt erwartet uns ein Lidl und wir füllen die Vorräte auf. Als wir gerade gehen wollen, fällt Kyra auf, dass die frische Milch kaputt ist. Wir tauschen sie kostenfreie um, zum Glück. Dann radeln wir weiter durch den schönen Stadtpark. Viele Menschen treiben Sport order spazieren im Abendlicht. Wir sehen uns noch kurz ein schön verziertes Mausoleum an und folgen weiter dem mit Parkbänken gesäumten Weg durchs Grün. Wir befinden uns wieder auf dem EuroVelo 1 doch die Schilder zeigen in einen netten kleinen neuen Radweg und das Navi weiter auf die Straße.  Wir folgen der Beschilderung und fahren eben über den neuen mit feinem Schotter bereiteten Weg.

Nach einer Weile gelangen wir so zurück zur Straße und folgen dieser, bis es rechts zu einer alten Klosterruine geht. Die Region der Rosserk Abbey wird bereits 1198 im Zusammenhang mit einem Schüler St. Patricks erwähnt, welcher in der Gegend gewirkt haben soll. Das Kloster selbst wurde jedoch erst um 1460 von einem Mitglied der Joyce Familie gegründet. Entgegen anderer Klöster lebten hier jedoch nicht Mönche oder Nonnen, sondern verheiratete Frauen und Männer nach den Regeln der Franziskaner. 1590 ließ der Gouverneur von Connacht das Kloster niederbrennen. Wir schauen uns die Überreste an und sind fasziniert,  dass diese nicht nur frei zugänglich, sondern zudem, bis auf wenige mit Steinen eingeritzte Namen in einen Stein, frei von Vandalismus ist. Dann bauen wir in den letzten Strahlen der Sonne, welche bereits hinterm Horizont versinkt unser Zelt geschützt hinter der Ruine auf. Wir essen Baguette mit Salami, und trinken heißen Tee mit dem Wasser aus der Thermoskanne. Nebenbei schreiben wir am Blog und putzen schließlich unsere Zähne. Gute Nacht!