108 - Sonnenuntergang (17.09.2024)

Von Clooncolla nach Cromane

Zzzztttt. Kkkkrrrr… “Michi?”, fragt Kyra nachdem Michi seinen Schlafsack geöffnet hat und gerade versucht über Kyra zur Zelttür zu klettern. “Musst du auf Toilette?”, fragt sie weiter. “Ja…”, antwortet er. “Ich auch. Ich komme mit raus”, sagt Kyra. Gemeinsam steigen wir aus dem Zelt und gehen auf Toilette. Der Mond scheint sehr hell und das halbe Feld ist beleuchtet. Wir jedoch stehen im Schatten, da die Hecke und Bäume dahinter große Schatten auf das Feld wirft. Kurz nachdem wir ins Zelt zurück klettern, schlafen wir wieder ein und erwachen erst, als die Sonne gerade aufgeht. Bereits jetzt sind auf der nahegelegenen Straße einige Autos unterwegs und wir gucken uns mit großen Augen an, als direkt neben uns ein über den kleinen Landwirtschaftsweg fährt. Es hält jedoch nicht an und ist nach kurzer Zeit verschwunden. Müde schauen wir uns an und dösen noch eine Weile. Doch mit einem Schlag sind wir hell wach, denn ein Traktor fährt an uns vorbei. Auch dieser ist auf dem Landwirtschaftsweg unterwegs und fährt zum Glück nicht auf das Feld, auf welchem wir liegen. “Meinst du, der hat uns gesehen?”, fragt Kyra aufgeregt. “Bestimmt! Lass schnell verschwinden!” antwortet Michi. Schnell haben wir alles abgebaut, rollen vom Feld und auf die Straße. “Eine Bank zum Frühstücken wäre toll!”, stellt Michi bei den ersten Tritten in die Pedale fest. Um uns herum sehen wir an vereinzelten Häusern Kinder, die sich für den Schulbesuch fertig machen und entweder auf den Bus warten oder von ihren Eltern gebracht werden. Nach einer Weile fahren wir an einer Bank auf einem Spielplatz vorbei, doch das scheint uns nicht der richtige Ort. Eine weitere Bank scheint jedoch aus zu bleiben. Die Sonne steht mittlerweile hoch am Himmel und die Luft ist warm geworden. Dann wartet vor uns der erste kleine Anstieg. Langsam aber stetig fahren wir diesen vorbei. Wir bewundern dabei die Wohnhäuser um uns herum, die immer dichter am Straßenrand stehen und auf den Beginn einer Vorstadt deuten. Schließlich werden die Häuser auf der rechten Seite wieder weniger und wir bekommen einen traumhaften Blick auf die Küste im Nebel und die Stadt Trálee zur Linken.

Schließlich folgt die Abfahrt, welche uns bis zum Lidl führt. Kyra holt schnell ein paar Kleinigkeiten zum Frühstück und Michi packt das nasse Zelt nochmal aus. Doch wir entscheiden uns dann spontan doch wieder alles einzupacken und nicht vor lidl zu frühstücken, da die Gegend nicht so angenehm ist und bereits ein Kilometer weiter ein netter Park wartet. Der Stadtpark ist schnell erreicht und eine schöne Bank in der Sonne gefunden. Zunächst breiten wir unsere nassen Sachen aus und setzen uns dann mit dem Frühstück auf die Bank. Dabei beobachten wir einige Familien auf dem Spielplatz. Ein Vater starrt die ganze Zeit auf sein Handy, während die Tochter gefährliche Übungen an der Seilbahn durchführt, zwei Freundinnen verabschieden sich gerade und rufen ihre Töchter zu sich und wieder andere spielen mit ihren Kindern. Dann stürmt eine ganze Schulklasse in der großen Pause den Spielplatz. Eine Lehrerin sieht wie aus dem Bilderbuch aus. Mit einem langen weißen Kleid und Hut läuft sie hinter den Kindern her. “So habe ich mir eine britische und nicht irische Lehrerin vorgestellt”, lacht Michi. Sie scheint fast ein bisschen, wie aus der Zeit gefallen, zu sein. Links von uns geht ein weitere Schulklasse durch den Park flanieren, doch die Klasse besteht bereits aus Jugendlichen. Es ist eine reine Jungenklasse in schicken Uniformen. Auch hier trägt die Lehrerin ein langes Kleid. Alle Jungs scheinen über ein bestimmtes Thema aufgeregt zu diskutieren. Lustigerweise kommt kurz darauf eine Mädchenklasse vorbei, die ein ganz anderes Bild abgibt. Hier sind die Uniformen an das jeweilige jugendliche Mädchen angepasst. Wir können zahlreiche Details erkennen und manche Röcke sind ein wenig sehr hochgezogen. Kurz darauf sind alle Schulkinder verschwunden und der Park wird wieder ruhiger. Wir sind mit unserem Frühstück fertig und Michi entdeckt eine Nachricht von dem Dynamohersteller SON. Leider können diese aktuell nichts für uns anfertigen, aber wir sollen bei deren Vertragspartner in Großbritannien nachfragen. Dies machen wir sofort. Zum Glück sind diese bereit noch in dieser Woche einen Dynamo für Michi einzuspeichen und nach Irland oder Wales zu senden. Wir nehmen das Angebot an und erklären, dass wir uns am nächsten Tag mit einer Adresse melden. Während Michi die Mail abschickt, schreibt Kyra verschiedene Personen von der Community “Welcome to my Garden” an, um diese nach einer Nacht im Garten zu fragen, sowie nach der Möglichkeit, ein Paket dorthin schicken zu lassen. Aber nun soll es erstmal weitergehen, während wir auf eine Antwort warten. Unser Tagesanstieg steht bevor und dieser soll es in sich haben.

Zunächst geht es die Straße moderat hinauf, doch dann wird es immer steiler. Das Ende ist so steil, dass wir beide schweigend unser eigenes Tempo fahren und nur noch bei uns und unserem Kampf mit der Steigung sind. Michi schafft die letzten Meter nur noch im Stehen und auch Kyra kommt tief atmend oben kurz nach ihm an. Doch wie immer belohnt der Ausblick. Wir lassen uns, nach einer kurzen Pause zum Durchschnaufen, zum Aussichtspunkt rollen und machen einige Erinnerungsfotos. Auf der rechten Seite können wir bereits das Meer wieder erblicken und links davon die Steile abfahrt, die vor uns liegt sehen. Das Wetter ist fantastisch und die Berge erscheinen groß und nah. Anschließend geht es steil bergab. Nicht nur Elias Vorderrad auch die Hinterradbremse macht Probleme. Nur langsam und mit viel Bremsen kommen wir unten an, wo wir anschließend die Bremsbeläge von Elias tauschen. Mal wieder lässt sich die Bremse jedoch nicht verstellen. Dieses Problem begleitet uns immer wieder seit dem Lake District und wurde durch Michi mit Hitze vor einer Woche auf dem Campingplatz behoben. Nach viel Mühe und Kraft klappt es dann doch.

Wir fahren weiter und können einen Campingplatz für den heutigen Abend suchen. Als wir gerade wieder Geschwindigkeit aufnehmen, fährt ein Rennradfahrer an uns vorbei. Dieser macht eine komische Kopfbewegung, die Michi etwas triggert. Trotz kaputtem Vorderrad hängt sich Michi an diesen dran und zeigt damit eindeutig, dass er auch ohne Rennrad und mit viel Gepäck genauso schnell fahren kann. Als Kyra Michi wieder eingeholt hat, ist es nicht mehr weit bis zu unserem herausgesucht Strand. Kurz vor Sonnenuntergang kommen wir am Steinstrand an und entscheiden spontan das Zelt nicht aufzubauen. Wir möchten die Nacht nur in Schlafsäcke gehüllt unterm Sternenhimmel verbringen.

Zunächst kochen wir noch und erleben einen traumhaften Sonnenuntergang. Die Sonne färbt die Berge um uns herum in tausende von Farben. Sie leuchten orange, lila und rot sowie braun und dunkelgrün. Es ist ein wahres Farbspektakel. Auch wir werden orange angestrahlt und genießen die letzten warmen Strahlen. Dann ist die Sonne verschwunden und als wir aufgegessen haben, bauen wir im Dunkeln unser Nachtlager auf. Am Himmel leuchten einige Sterne. Wir entdecken den großen Mond und Cassiopeia… “Da eine Sternschnuppe!”, sagt Kyra erfreut. Und auch Michi hat eine gesehen. Überglücklich und zufrieden schlafen wir unter tausenden von Sternen ein. Gute Nacht! Oder auch nicht? Kurz darauf erwachen wir wieder. Wir hören Stimmen, französische Stimmen und erkennen, dass zwei oder drei junge Franzosen ein PickUp mit einer Art Dachzelt auf den Steinen ein paar Meter weiter steht. Sie sprechen laut und nehmen leider keine Rücksicht auf uns Schlafenden. Die Stimmen hallen von den Bergen zurück in der sonst so stillen Umgebung. “Haben die uns überhaupt wahrgenommen?”, fragt Kyra und macht den Schlafsack auf. Kurz darauf kommt sie von der Toilette wieder, doch obwohl sie nun mit Sicherheit gesehen wurde, werden die Stimmen nicht leiser. “Vielleicht sollte ich etwas sagen?”, fragt sie weiter… Doch die Kälte hält uns davon ab erneut aus dem Schlafsack zu kriechen und so packen wir uns nur etwas wärmer ein, damit wir die lauten Stimmen etwas leiser wahrnehmen. Circa 20 min später wird es ruhig und nun kann die Nacht uns doch umschließen. Gute Nacht.