Tag 134 - Auf nach Rouen! (13.10.2024)
Von Sandrancourt nach Rouen
Es ist mitten in der Nacht. Unweit von uns ist ein Tier unterwegs. Es schmatzt und atmet laut. Langsam kommt es näher. Kyra ist mit einem Schlag hell wach und lauscht mit gespitzten Ohren. “Michi! Ist das ein Wildschwein”, fragt sie laut, um das unbekannte Tier zu verjagen. Das Tier lässt sich jedoch nicht beirren und macht weiter. Michi, der durch die Frage erst wach wurde, schaut nur müde drein. Er horcht kurz, dreht sich um und fängt ebenso laut an zu atmen. Anscheinend konnte er keine Gefahr ausmachen. Mit etwas mehr Gefühl von Sicherheit, legt sich auch Kyra wieder hin, doch die Stille hält nicht lang an. In der Nähe faucht plötzlich laut ein Tier. “Jetzt wissen wir Bescheid. Es ist ein Schwan!”, sagt Michi belustigt. Wir beide gehen auf Toilette und schlafen erneut ein. Als wir das nächste Mal erwachen, werden wir vom Wecker geweckt. Draußen ist es jedoch noch dunkel und somit dösen wir eine Weile. Wir sind zu müde und es noch zu kalt, um bereits im dunkeln abzubauen. Als es langsam hell wird, schaffen wir es schließlich doch uns aufzuraffen. Als wir aus dem Zelt steigen, merken wir, wie neblig es draußen ist. Man kann kaum zur anderen Seite des Sees schauen. Kyra wäscht sich trotz hoher Luftfeuchtigkeit und somit durchdringender Kälte mit kaltem Wasser und Michi räumt im Zelt alles zusammen. Dann wischen wir das Zelt ab und räumen es ein. Trotzdem wir heute circa 140 km vor uns haben, entscheiden wir uns noch nicht loszufahren, sondern zunächst etwas zu essen. Wir naschen viel Baguette und während wir schließlich die letzten Sachen aufräumen, telefonieren wir noch mit Michis Eltern. Michi stellt diese auf die Kopfhörer um, als wir gegen 10 Uhr unseren Schlafplatz verlassen. Erst jetzt sind auf dem Weg neben uns die ersten Personen unterwegs. Also hat uns niemand beim Zelten gesehen. Während Michi weiter telefoniert, vergehen die ersten Kilometern schnell. Wir folgen der Seine und fahren durch nette französische Orte mit viel Charme. Dabei begleiten uns die Farben des Herbstes. Einige Bäume sind gelb bis rot gefärbt und strahlen vor den sich nun weißen Kreidefelsen zu beiden Seiten der Seine. Zum Glück fahren wir im Tal und haben es fast durchwegs Flach.
In La Roche-Guyon erblicken wir eine kleine Burg oberhalb der ebenso weißen Felsen. Nach einer Kurve offenbart sich ein Schloss unter der mittelalterlichen Burgrouine. Im vorbei fahren manchen wir ein paar Fotos und Michi regt sich kurz über nicht grüßende Rennradfahrer auf. Er telefoniert weiterhin mit seiner Mutter und verpasst, wie Kyra zahlreichen Tunnel und Bauten im den Kreidefelsen wahrnimmt. Dann legt er auf und wir halten kurz an, um die Ketten zu reinigen und zu ölen. Beide Ketten hatten bereits angefangen zu quietschen. Als wir nach der kurzen Drahteselpflege weiterfahren entdecken wir in Giverny das Haus von Claudet Monet. Bereits von draußen sieht es traumhaft aus, auch wenn wir nicht viel erahnen können. Der Zeitdruck und die vielen Menschenmassen halten uns von einem Besuch ab. Als wir gerade auf den nächsten Radweg schön getrennt von der Straße rollen, sind zahlreiche Fußgänger unterwegs. Alle tragen eine Nummer und scheinen für wohltätige Zwecke unterwegs zu sein. Im Slalom versuchen wir um die Leute herumzufahren, doch leider müssen wir immer wieder stark abbremsen, da einige unser klingeln nicht hören oder nicht hören wollen. Erst als wir Vernon erreichen, nimmt die Masse nach dem Zieleinlauf ab. Für uns geht es weiter am Fluss entlang, doch dann werden wir erneut gestoppt. Diesmal nicht von Menschenmassen, sondern von der Seine, die über ihre Ufer getreten ist. Der Fahradweg steht so sehr unter Wasser, dass wir nicht mehr erkennen können, wo es weitergeht. Also umkehren und eine Alternative suchen. Die ist zum Glück schnell gefunden. An einem Maisfeld entlang fahren wir zurück zur Straße, der wir für einige Kilometer folgen. Dann sind wir hungrig und machen eine Mittagspause am Fluss, bevor es einen Hügel hinauf geht.
Von oben haben wir eine tolle Aussicht über das Tal, doch schnell geht es wieder runter. Zahlreiche Angler sitzen am Ufer und hoffen auf einen guten Fang. Überall stehen Bänke und Tische und wir können nur erahnen, wie hoch das Wasser steht. Einige Bänke befinden sich fast im Wasser und auch die zahlreichen Angler müssen erfinderisch sein. Wir wechseln nochmals die Uferseite und erreuchen den See Lac des Deuxamants. Auch hier stehen zahlreiche Bänke und Toilettenhäuser. In diesem Moment ist zwar nicht viel los, aber die zahlreichen Essensbuden am Wegrand, lassen den Trubel im Sommer erahnen. Nach zwei weiteren Uferwechsel und einer spontanen kurzen Pause, da die Kraft langsam ausgeht, planen wir unsere letzten 22 km um. Anstatt einen Hügel zu fahren, wollen wir weiter der Seine folgen, die uns durch ein Industriegebiet nach Rouen führt. Dann sehen wir die ersten Kirchturme und erreichen die Stadt. Einen letzten Hügel gilt es noch zu bezwingen, doch zuvor halten wir bei einer Bäckerei, um unseren heutigen Gastgebern etwas mitzubringen. Wir zweigen der kaum englisch sprechenden Frau hinter der Theke was wir haben wollen und treten anschließend fest in die Pedale. Die kurze, aber heftige Anstrengung am Ende, ist schnell geschafft und schon stehen wir vor der Tür von Caroline und Cyrille. Wir klingeln, doch irgendwie scheint die Klingel nicht richtig zu funktionieren. Bevor wir jedoch einen zweiten Klingelversuch starten, wird uns geöffnet. Zunächst wird uns gezeigt, wo wir die Räder unterstellen können und unser Schlafplatz ist. Der Sohn Marius und Veras Austauschschüler hat extra für uns sein Zimmer geräumt. Hier haben wir sogar ein eigenes kleines Bad. Doch bevor wir duschen, gehen wir mit rüber, denn wir wollen gleich zusammen zu Abend essen. Vera steht bereits in der Tür und winkt. Sie ist die Tochter von Moni und Jan-Mark, eine befreundete Familie aus Emden, die ebenso unsere Kolleg*innen waren. Es ist schön, nach so langer Zeit, ein vertrautes Gesicht zu sehen. Auf der anderen Seite, kommt es uns auch unwirklich vor. Auf jeden Fall freuen wir uns und folgen Vera ins Wohnzimmer, wo wir zunächst etwas trinken und eine Kleinigkeit knabbern. Es kommen auch die Kinder Marius und Joanne dazu. Die Limo tut nach den vielen Kilometern richtig gut. Vera scheint sich ebenfalls zu freuen bekannte Gesichter aus der Heimat zu sehen, denn sie erzählt freudig einige Geschichten und fragt uns, zu unserer bisherigen Tour. “Ich weiß nicht, wie ihr das schafft!” sagt sie zweimal belustigt. Dann ist es Zeit und wir wechseln ins Esszimmer. Caroline hat sich richtig viel Mühe gegeben und es gibt vorweg eine Suppe. Anschließend zwei verschiedene Lasagnen. Eine klassisch mit Fleisch und eine mit Gemüse. Wir alle hauen richtig rein, denn beide schmecken ausgezeichnet. Anschließend gibt es Käse aus der Region und dazu ein Wein. Dabei lernen wir von Marius, dass es eine Schande ist, den herzförmigen Käse in Streifen zu schneiden. Wie man es vom Brie kennt, werden kleine Dreiecke hinaus geschnitten. Zum Nachtisch serviert Caroline eine Schokotart, die besonders gut schmeckt. Michi muss sogleich nach dem Rezept fragen. Wahnsinn, wie wir verwöhnt werden. Am Ende sind wir glücklich, durch die netten Gespräche und voll, vom guten Essen. Da alle, bis auf wir, morgen früh raus müssen. Gehen wir anschließend ins Bett. Wir laufen rüber in unser kleines Haus über der Garage und schlafen nach wenigen Sekunden ein. Gute Nacht!