Tag 163 - Camino frances (11.11.2024)

Von Saint-Jean-Pied-de-Port nach Roncesvalles

Wir wachen mit den ersten Sonnenstrahlen auf. Während Kyra Blog schreibt, wirft Michi einen Blick auf das Informationsmaterial, welches wir gestern im Pilgerbüro erhalten haben. Noch sind wir uns unsicher, ob wir den Eurovelo 3 oder die alternative Pilgerroute fahren sollen, da die Napoleon-Route gesperrt ist. Die Alternative ist flacher, aber führt an der Hauptstraße entlang. Da wir noch keine Entscheidung treffen können, vertagen wir diese. Nun wird erstmal alles zusammen gepackt und das Zelt abgebaut. Dabei kommen Ralf und Virginie vom Bäcker zurück: “Habt ihr gut geschlafen? Hier, die sind für euch.” Und uns weden zwei Schokoladencroissants überreicht. Wir freuen uns sehr! Kurz darauf guckt unser anderer Nachbar aus dem Wohnmobil und fragt, ob wir Kaffee möchten. Wir freuen uns erneut sehr und bejahen. Unglaublich! Beides genießen wir erneut auf Stühlen. Anschließend essen wir noch Müsli, bereiten unsere Muscheln vor (zur Erkennung hängt man sich eine Jakobsmuschel an den Rucksack. Vor einigen Tagen haben wir Kammmuscheln gefunden, in die Michi nun ein Loch kratzt und bohrt und Kyra eine Kordel durch zieht.) und packen die Drahtesel fertig. Dabei quatschen wir mit Ralf und Virginie. Wir reden über das Thema los lassen vom Alltag, Vorstellungen über Geschwindigkeiten und Entfernungen. Denn uns fällt es bis heute schwer einfach den Tag kommen zu lassen. Häufig geht es Darum genug Kilometer zu fahren oder schnell genug zu sein, doch eigentlich ist dies überhaupt nicht wichtig. Als wir mit allem fertig sind, macht Virginie, die Fotografin ist (Internetseite, Instagram von Virginie), noch ein paar Bilder von uns, den Drahteseln und zum Schluss von uns Vieren. Die Nachbarn im Wohnmobil haben sich währenddessen bereits verabschiedet, uns noch zwei Trinkpäckchen geschenkt und sind verschwunden. Nun nehmen auch wir Abschied. Wir umarmen uns und dann geht es für uns alle los.

Wir entscheiden spontan den Eurovelo 3 zu fahren, was sich später noch als Glücksgriff herausstellen wird, auch wenn wir es jetzt noch nicht wissen. Zunächst fahren wir zurück in die Altstadt und füllen dort unsere Flaschen am Muschelbrunnen. Viele umherlaufende Leute lächeln uns zu und lachen, als wir dort die Zähne putzen. Doch dann geht es los. Wir verlassen Saint-Jean-Pied-de-Port über eine ruhige Straße. Diese ist zunächst angenehm und geht nur leicht auf und ab, doch nach wenigen Kilometern ändert sich dies schnell. Plötzlich sind die angekündigten Höhenmeter da und wir fahren kontinuierlich den Berg hinauf. Da Michi aktuell aufgrund einer ziemlich leeren Essenstasche und der endlich losgewordenen kaputten Powerbank sowie Solarpanel etwas weniger Gewicht als üblich hat, nimmt er Kyra die Tasche mit Zelt und Planen ab. So sind wir fast gleich schnell und Kyra schafft die Höhenmetern wesentlich angenehmer. “Ich bin echt beeindruckt wie du das schaffst. Auch jetzt mit dem Zusatzgewicht!”, sagt Kyra beeindruckt, doch Michi antwortet nur: “Noch sind wir nicht oben”. Dabei fahren wir weiter hinauf. Nach einigen Kurven haben wir einen traumhaften Ausblick aufs Tal und es kündigt sich Nebel an. Zuvor machen wir eine kleine Pause zum Trinken, bis wir schließlich im Nebel versinken. Wir können nur noch 20 m weit sehen, wenn überhaupt, so dicht ist der Nebel. Wir fahren immer weiter, ein Tritt nach dem anderen… Sekunden und Minuten vergehen. Doch dann… Wir verlassen den Wald und wo wahrscheinlich ein traumhafter Ausblick wäre, sehen wir nur weiß. Plötzlich hören wir Glocken. Etwas galoppiert an uns vorbei und schnauft. Dann gewieher… “Pferde!” sagt Michi erstaunt und bleibt stehen. Wir versuchen ein paar Bilder zu machen, doch die Tiere sind schnell wieder im dichten Nebel verschwunden. Die Pottok-Ponys geben uns jedoch die letzte Kraft den Berg hinauf zu fahren und nach wenigen weiteren Minuten stehen wir an einem Grenzstein, der auf die Besatzung von Frankreich im zweiten Weltkrieg hinweist. Der Wind nimmt zu und es beginnt zu regnen. Uns wird kalt und wir ziehen mit etwas Mühe aufgrund des plötzlich starken Windes die Regenjacken an. Dann fahren wir weiter und stehen plötzlich in Spanien. Kein Schild oder ähnliches weißt auf die Grenze hin, bloß Michis Navigation weißt uns das neue Land. Vor Freude klatschen wir uns ab und bemerken noch freudiger, dass es plötzlich flach ist.

DAnn geht es rasant hinunter und der Nebel ist nicht mehr so dicht. Anschließend wieder hinauf und schließlich ein langes Stück bergab. Doch die Freude über die Abfahrt hält nicht lang, denn ein nächster Berg will überquert werden und diesmal auf Schotter. Obwohl die Höhenmeter ähnlich sind benötigen wir auf der Schotterpiste mehr Kraft. Es wird herausfordernden und sehr anstrengend. Kyra macht zweimal eine kurze Pause, da sie beim Serpentinen fahren zu spät umlenkt. Doch auch diese Anstrengung meistern wir. Nach einer kurzen Pause mit unserem letzten Croissant aus Frankreich, welches wir am Morgen in Saint-Jean-Pied-de-Port gekauft hatten sowie 2 Muffins als Gâteau Basque Creme, haben wir es geschafft. Die letzten Kilometer führen uns umit nur zwei kleinen Unterbrechungen bergab nach Roncesvalles. Dort suchen wir nach einer Herberge, um uns unseren nächsten Stempel abzuholen. Ganz spontan entscheiden wir bei der Frage, ob wir zwei Betten für die Nacht brauchen, zu bleiben. Wir zahlen pro Person 20 € fürs Bett in einem 3 Personen Raum, 13 € fürs Abendessen und 6 € fürs Frühstück. Was für ein Luxus! Zudem können wir die Fahrräder in einem Schuppen unterstellen. Die nette Frau der Rezeption schließt uns den Schuppdn auf und gibt uns zu verstehen, dass wir die Tür danach einfach zuziehen sollen. Wir stellen Emil und Elias sicher ab, nehmen alles wichtige für die Nacht mit und legen das Zelt zum Trocknen über die Drahtesel  perfekt! Dann suchen wir unser Zimmer, Raum 2 auf. Noch sind wir dort alleine, doch eine dritte Person wird erwartet. Die Tür ist jedoch abgeschlossen, dass wir nicht hinein können. Wir sagen an der Rezeption Bescheid und unser Raum wird geöffnet. Da fällt uns auf, dass wir Schlafsäcke brauchen, also fragen wir auch nochmal nach dem Schuppen und Kyra rennt schnell runter die Schlafsäcke holen. Nun haben wir alles, bereiten unser Bett vor und gehen duschen. Kurz bevor wir die Dusche betreten kommt unser Zimmernachbar hinein. Wir ziehen uns wieder an, um kurz hallo zu sagen, doch dann springen wir nacheinander unter die Dusche und waschen Wäsche. Sergio kommt aus Mexiko und er macht den Jakobsweg aus zwei privaten großen guten Gründen. Wir haben Respekt vor dem, was er uns erzählt. Anschließend macht er Werbung für sein Land und erzählt was wir in Mexiko unbedingt gesehen haben sollten. Dann muss er jedoch schnell unter die Dusche springen, denn um 18 Uhr ist Messe und die will er nicht verpassen. Wir gehen nicht mit in die Kirche, denn für uns fühlt es sich nicht richtig an. Wir gehen in unserem Alltag nie und selbst an Weihnachten haben wir schon länger keinen Weg hinein gefunden. So würden wir es als geheuchelt wahrnehmen, nun nur auf Nachfrage und aufgrund des Jakobsweg zu gehen. Doch vielleicht fühlt es sich die Tage richtig an? Wir werden es sehen. Nachdem wir etwas Blog geschrieben haben, ist es bereits 19 Uhr und somit Zeit zum Abendessen. Unten angekommen stehen schon einige weitere Pilger da. Auch unser Zimmernachbar steht bei einer Gruppe. Kurz darauf wird die Tür zum Speisesaal geöffnet und wir circa 35 hungrige Personen dürfen eintreten. Wir werden an den letzten Tisch geschickt, wo bereits ein paar sitzt. Die beiden erzählen, dass sie Südkorea kommen. Kurz darauf setzt sich ein Mann zu unserer rechten. Er kommt ebenfalls aus Südkorea. Auf dem Tisch steht bereits Suppe und Nudeln mit Tomatensoße und Würstchen. Wir fangen alle mit der Suppe an und trinken Wasser dazu. Als wir gerade ins Gespräch kommen, setzten sich drei weitere Personen dazu. Der Südkoreaner zu Kyras Rechten schenkt ihnen Wasser ein, doch die drei lehnen lachend ab und zeigen auf die Weinflasche. “No vino, no camino”, sagt der eine Spanier lachend. Für ihn ist heute, genauso wie für uns ein besonderer Tag, denn auch er schläft sonst im Zelt. Letzte Nacht hat sein Zelt jedoch nicht dem Wetter standgehalten, weshalb seine Sachen nass wurden. Zum Trocknen ist er nun hier. Der Franzose in der Mitte kommt von Korsika und ist total begeistert von unserer Tour als er durch den Südkoreander zu Kyras Rechten davon erfährt. Er folgt uns sogleich auf Facebook. Trotzdem erklärt er uns in Zeichensprache, da er kein englisch spricht, dass man mit dem Auto weniger sieht, mit dem Fahrrad mehr und zu Fuß am meisten. Wir bejahen. Zu seiner linken und somit zwei Plätze weiter rechts von Kyra sitzt ein weiterer Spanier. Er kommt aus Barcelona und wird aufgrund seiner Arbeit 7 Tage unterwegs sein und nicht den ganzen Weg gehen. Nach der Vorspeise gibt es Fisch oder Hähnchen mit Pommes. Michi wählt Fleisch und Kyra Fisch. Als das Personal sieht, dass der Mann zu Kyras rechten 3 Gläser Wasser vor sich stehen hat, sagt sie: “For each person only one glas” Wir müssen lachen, waren doch die Gläser Wasser für die drei, die später kamen und Wein wollten. Das Essen ist gut, wenn auch nicht hübsch angerichtet. Es erinnert an gutes Kantinen Essen. Wir quatschen alle zusammen und mal durcheinander. Das Paar aus Südkorea zu Michis linken verschwindet als erstes mit ihrem Nachtisch. Wir anderen 6 essen noch zusammen auf und quatschen dabei. Zum Nachtisch gibt es Naturjoghurt mit Zucker. Anschließend leert sich so langsam der Tisch und auch wir verabschieden uns. Wir gehen ins Zimmer, schreiben noch etwas Blog und gehen schlafen. Gute Nacht!