Tag 174 - Überwältigende Abfahrt! (22.11.2024)

Von San Justo de la Vega nach Ponferrada

Wir hören Vögel zwitschern und Autos in der Ferne. Der Wind hat offensichtlich an Kraft verloren und wir können die Geräusche der Umgebung wahrnehmen. Es Ist unglaublich ruhig und unsere Motivation aufzustehen ist gering. Wir drehen uns nochmal um und genießen die Zeit, bis die Sonne aufgeht. Draußen sind es aktuell 0 °C, weshalb unsere Entscheidung im Zelt zu frühstücken, schnell getroffen ist. Michi erbarmt sich die Tassen und Milch von draußen zu holen. Wir lassen uns Zeit und hören draußen die ersten Pilger an unserem Zelt vorbei laufen. Dann können wir uns aufraffen und bauen das zum Glück trockene Zelt ab. In der Nacht hatte es nicht so stark geregnet, wie angekündigten und der Wind hat alles trocken gepustet. Als wir fertig sind, sind bereits eine handvoll weitere Pilger an uns vorbei. Wir schwingen uns auf die Drahtesel und rollen langsam den Hügel hinunter, da der Untergrund herausfordernd ist.

Wir kommen nicht weit, denn plötzlich breitet sich vor uns das Paradies aus. El Jardín del Alma, ein Rastplatz am Jakobsweg, bietet alles was das Herz begehrt. Es gibt warmen Kaffee und Wasser, verschiedenes Obst, Kekse, Kuchen, Chips und Brot. Es sind bereits die Pilger dort, welche an unserem Zelt vorbei gelaufen sind. Fatima und Jan kommen ebenfalls aus Deutschland und sind über den Ort ebenso begeistert. Wir trinken einen Kaffee zusammen und genießen die Sonne. Zwei Katzen gesellen sich dazu und eine macht sich über Fatimas Joghurt her. Zu spät bemerken wir die Situation und müssen lachen, als die Katze zufrieden schlabbert. Anschließend machen wir von uns gegenseitig Fotos. Besonders faszinierend an dem Platz ist, dass alle Getränke und das Essen auf Spendenbasis laufen. Auf einigen Tischen liegt Geld, doch Vertrauen wird hier groß geschrieben. Wir genießen nach dem Kaffee noch einen frisch gepressten Orangensaft, den Kyra presst und machen uns anschließend wieder auf den Weg. Wir winken Fatima und Jan im vorbeifahren und genießen die Abfahrt nach Astorga. Hier schauen wir uns kurz die Kathedralen von außen an, holen uns einen Stempel und suchen anschließend eine Bäckerei. Wir finden einen kleinen netten Laden, wo wir für wenig Geld Baguette und ein Süßes kleines rundes Brot kaufen. Dann geht es weiter. Doch wieder kommen wir nicht weit. In Murias de Rechivaldo halten wir bei einem Kaffee und trinken einen weiteren Kaffee, um beide die Toilette nutzen zu können. Nun sind wir für die kommende Auffahrt gut vorbereitet.

Langsam nähern wir uns den Höhenmeter. Zum Glück ist die Steigung zunächst sehr angenehm. Zur späten Mittagszeit suchen wir uns eine Bank und essen das Baguette. Dazu gibt es die Avocado von gestern, Tomate und Leberwurst. Anschließend wird die Steigung steiler, doch noch immer ist es angenehm. Wir kommen gut voran und genießen die Ausblicke zurück. Neben uns klingeln Glocken. Kühe weiden und die Sonne entfaltet ihre ganze Kraft, obwohl es gerade einmal 4°C hier oben sind. Es ist einfach wunderschön. Dann fahren wird an einigen Herbergen für Pilger vorbei. Ein Kreuz steht mitten auf der Straße. Noch einmal um die Kurve, bergab und bergauf… geschafft! Wir sind auf über 1500m angekommen. Ein großes Kreuz, welches auf einem Steinhazfen von Pilgern steht, weißt aug die höchste Stelle hin. Nebenan ist eine kleine Kapelle, die leider geschlossen ist. Wir gehen einmal um das Kreuz, machen ein Foto vor dem Straßenschild mit Höhenmetern und ziehen uns für die Abfahrt dicker an. Erst geht es erwas hoch und runter, doch dann beginnt die rasante Abfahrt. Von 1500m auf 520m stürzen wir in die Tiefe. Dabei ist der Ausblick unfassbar. Zu jeder Seite ragen hohe Berge in den Himmel. Diese erscheinen durch die Ferne in unterschiedlichen blautönen. Wir können unsere Blicke kaum lösen, so schön ist das Schauspiel. Ebenfalls in der Ferne liegt die Stadt Ponferrada, unser heutiges Tagesziel. Während wir die Serpentinen fahren, werden wir immer schneller, doch nur wenige Autos kommen uns entgegen, dann erreichen wir einen kleinen Ort. In Acebo de San Miguel scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Alte charmante Gebäude aus Stein stehen dicht an der Straße. So schnell wir den Ort erreicht haben, so schnell sind wir auch schon wieder draußen. Dann geht es weiter die Serpentinen runter. Dabei sind wir erneut aus dem Häuschen, doch können vor Kälte an den Händen keine Fotos machen. Wir schießen durch einen Wald und haben trotzdem ein fantastischen Ausblick auf die steilen Berge. “Zum Glück mussten wir auf dieser Seite nicht hoch”, schreit Kyra mit einem großen Lächeln im Gesicht. Außer einer handvoll Autos und zwei Rennrädern sehen wir auf der weiteren Abfahrt niemanden. Schließlich erreichen wir Molinaseca. Dort gibt es viele Hotels und die Stadt scheint vom Tourismus zu leben. Die letzte Steigung kurz nach Molinaseca fordert kurz unsere nun kalten schmerzenden Muskeln und geschafft!

Die Herberge auf Spendenbasis ist direkt am Anfang von Ponferrada. Wir schieben unsere Drahtesel in den Innenhof und sind froh angekommen zu sein. Mit einem selbstgemachten Eistee werden wir von Paolo, ein Hospitalero aus Italien, empfangen. Er verweist uns an Betz, ebenfalls Hospitalero aus England. Wir checken bei ihr ein und reden kurz über unsere Fahrradtour, dann zeigt uns Paolo unsere zugewiesenen Betten. Leider gab es keine unteren mehr, weshalb wir in zwei oberen der Stockbetten liegen. Die Zimmer sind für eine so große Herberge mit über 170 Betten klein. Mit zwei anderen Personen teilen wir uns das Zimmer, doch beide sind gerade nicht da. Wir tragen alles was wir benötigen hinein, machen unser Bett fertig, schließen die Drahtesel ab und gehen nochmal in den nahegelegenen Supermarkt. Dort lassen wir uns viel Zeit. Zum Abendessen findet Michi Mozzarella, was zu unserer noch vorhandenen Tomate mit Nudeln eine super Idee ist. Zudem kaufen wir Eis, Chips, Kekse und Nachtisch. Ein richtiger Wohlfühl-Einkauf, den man manchmal im Nachhinein bereut. Auf dem Rückweg naschen wir bereits das Eis, welches ein Glückstreffer war, da es fantastisch schmeckt. Dabei wird uns etwas kalt, dich der Weg ist zum Glück nicht weit. Anschließend kocht Kyra, während Michi seinem Schwager zum Geburtstag gratuliert. Kyra hat bei der Menschenmasse in der Herberge zunächst Schwierigkeiten einen Topf zu ergattern, doch dann wird eine Pfanne frei. So werden die Spaghetti halt in der Pfanne gekocht. Schnell ist alles fertig und wir genießen unser Essen, welches super lecker geworden ist. Wie gut manchmal leichte Kochkunst schmecken Kann. Ein anderer deutscher, der uns gegenüber sitzt, wünscht uns einen guten Appetit und meint noch dazu, dass es gut aussehen würde. Zum Nachtisch gibt es Mango sowie eine Schokomouse. Nach dem leckeren Mahl springen wir unter die Dusche und gehen auf unser Zimmer, wo bereits Anton aus Bulgarien im Bett unter Kyra liegt. Er hat vor einem Jahr einen ziemlichen Lebenswandel geschafft. Mit einem Personal Trainer macht er nun viel Sport und möchte einen Iron Man laufen. Respekt! Sein Ziel ist es bereits nächsten Donnerstag in Santiago zu sein, somit würde er den Camino frances in 24 Tagen schaffen. Er sieht den Camino also als sportliche Herausforderung. Auch Radfahren findet er cool und träumt davon von Kairo zum Cape of good Hope zu radeln. Obwohl unsere Reise uns dagegen klein vorkommt, ist er begeistert. Michi und Anton quatschen noch eine Weile während Kyra langsam die Augen zufallen und die Nachtruhe einsetzt. Da kommt unser zweiter Bettnachbar Nico aus Frankreich hinein. Wir alle sind noch kurz am Ende, bis jemand das Licht ausmacht und wir einschlafen. Gute Nacht.