Tag 176 - Windig (24.11.2024)
Von Alto de San Roque nach Portomarín
Der Wind hat in der Nacht aufgefrischt und hinterlässt lautes Rascheln in den Bäumen über unserem Zelt. Wir stehen zum Glück gut windgeschützt und bekommen vom Wind nicht all zu viel mit. Zwischendurch fegt er durch unser Zelt, doch es hält sich in Grenzen und durch Schottland wissen wir, was unser Zelt zum Glück aushalten kann. Somit starten wir entspannt in den Tag. Zunächst gibt es Müsli im Zelt und dann bauen wir ab. Der Wind schiebt uns die ersten Meter auf Emil und Elias nach vorne. Die ersten Meter, obwohl sie nochmal bergauf gehen, sind somit schnell geschafft. Oben angekommen wartet ein gut besuchtes Café auf uns, doch bevor wir hinein kommen, begrüßt uns ein hungrigen Welpe, der unser Essen in den Taschen riecht und vielleicht auch ein bisschen unsere Dreckswäsche und Schuhe. Wir bestellen uns einen Kaffee und setzen uns raus. Es ist zwar windig, aber da dieser aus Süden kommt, haben wir es bereits über 15 °C und es sollen noch 21 ° werden. Wir trinken relativ schnell aus, während wir den Welpen beobachten. Er darf frei rumlaufen, ist leider noch nicht stubenrein und sehr am Müll interessiert. Kurz bevor es für uns weitergeht, verlassen auch einige andere Pilger das Café. Wir wünschen uns “buen Camino” und machen uns alle auf den Weg. Ein Spanier kündigt noch an, dass es nun erstmal nur bergab geht und er Respekt davor hat, dass wir im Wind radeln. Zum Glück haben wir zunächst jedoch Rückenwind.
Da es in Serpentinen nach unten geht und der Wind durch die Berge weht, kommt er schließlich gefühlt aus jeder Richtung. Die Abfahrt ist schnell geschafft und wir haben es nach Triacastela geschafft. Anschließend wartet der erste von drei Hügeln auf uns. Es geht steil hinauf, doch wir meistern auch diesen Hügel. In Sarria bekommen wir Hunger und kochen Nudeln. Dabei beobachten wir, wie eine Herde Ziegen auf die Weide getrieben wird und sich anschließen die zwei Männchen der Herde kabbeln. Als wir vor dem weiterfahren unsere Wasserflaschen am ausgeschilderten Trinkwasserbrunnen auffüllen, bemerken wir, dass das Wasser irgendwie komisch schmeckt und einen öligen Film auf sich hat. “Schmeckt das Wasser nach Benzin?” fragt Michi, doch Kyra schmeckt zunächst nichts. Dann ist sie sich ebenfalls unsicher. Zur Vorsicht leeren wir unsere Flaschen und füllen ein paar Kilometer weiter an einem Trinkwasserbrunnen erneut auf. Das Wasser schmeckt nicht viel anders und so nehmen wir an, dass der für uns komische Geschmack, in dieser Stadt normal ist. Wir radeln weiter, aus der Stadt hinaus. Da der Untergrund auf dem Camino schlecht zu sein scheint, führt uns die Navigation den Eurovelo 3 auf einer anderen Strecke. Als wir jedoch an der entsprechenden Kreuzung stehen, winkt uns eine Frau vom Balkon freundlich, aber mit Nachdruck zum Camino. Um sie nicht zu enttäuschen, folgen wir Ihren Anweisungen und befinden uns kurze Zeit später auf einer kaum befahrbaren Strecke. Wir müssen über Geröll hinunter schieben, ein bedrohlich rot leuchtenden Bahnübergang überqueren, einen Gravelweg die Fahrräder hoch schieben und kommen schließlich auf eine befestigte Straße zurück. Diese Moment sind für den Körper anstrengend und Zeitaufwendig, doch immer wieder sind wir anschließend froh, doch den Camino gewählt zu haben. Oben auf dem Hügel ist die Aussicht traumhaft. Es wirkt eher wie Oktober und nicht Ende November. Alles wirkt irgendwie noch grün und frisch herbstlich. Doch der Wind weht uns stark entgegen. Es ist ein richtiger Kampf weiterzufahren und dann kommt erneut eine Stelle, wo wir aufgrund des Untergrundes den Camino umfahren müssen. Ein Mann im Auto, der uns entgegen kommt, gibt uns nich zu verstehen, dass wir falsch sind, doch wir fahren weiter durch kleine Dörfer bis wir schließlich nicht mehr weiterkommen.
Kühe stehen auf der Straße und werden gerade vom Berg hinunter getrieben. Die Familie scheint dabei viel Spaß zu haben. Sie lachen laut und sind sehr freundlich zu uns. Mehrmals entschuldigen sie sich und bedanken sich, dass wir warten. Dann erreichen wir die Hauptstraße. Nach kurzer Zeit verlassen wir diese wieder und fahren mit nur noch wenigen Steigungen Portomarín entgegen. Dort auf den letzten Metern weht uns erneut ein kräftiger Wind entgegen und die Stadt fordert unsere ganze Kraft. Auf steilen Steigungen fahren wir hoch in den Ort. Wir können nicht mehr im sitzen fahren und müssen stehen, doch wir schaffen es. Michi nimmt dabei noch Ruinen am Flussufer wahr, die Kyra aufgrund der Anstrengung nicht mehr beachten kann. Später erfahren wir, dass Portomarín überflutet wurde. 1956 hat man begonnen 40 km entfernt eine Staumauer zu bauen. Das Wasser des Stausees hat Portomarín überflutet, doch zuvor wurde der Ort erhöht auf den Terrassen des Monte do Cristo auf dem rechten Ufer des Miño neu errichtet. Dafür wurden einige Gebäude, wie zum Beispiel die Kirche und dein Bogen der alten Römerbrücke Stein für Stein abgetragen und wieder neu errichtet. Als wir die Brücke passieren und die anschließende Steigung empor fahren, hat es längere Zeit kaum geregnet und der Pegelstand ist niedrig, wodurch die Ruinen der alten Stadt sichtbar werden. Unglaublich! Als wir die Steigung geschafft haben, müssen wir feststellen, dass die für die regenreiche Nacht rausgesuchte Herberge geschlossen ist. Wir fahren ein paar Meter weiter und treffen auf die “Albuerge Ultreia”. Eine ältere Dame lächelt uns von innen herzlich an, als wir erneut im Stehen Uns eine Steigung hinauf kämpfen. Sie zeigt Kyra drei Optionen: Schlafsaal für 14 €, Privatzimmer für 40 € oder Privatzimmer mit Bad für 45 €. Wir nehmen, wie immer in Herbergen den Schlaafsaal. Es ist nicht viel los und da Kyra die einzige Frau ist, bekommen wir ein Doppelbett am Ende des großen Raumes hinter einem Vorhang. Anschließend zeigt uns der Mann der Inhaberin die Garage, wo wir unsere Fahrräder unterstellen können. Der Mann ist ebenso herzlich und nett. Er spricht ein paar Wörter deutsch und ist sehr bescheiden, dass sein Deutsch so schlecht wäre, doch wir können nicht zustimmen. Sein Deutsch ist ausgezeichnet. Da der Supermarkt um die Ecke in wenigen Minuten schließt, laufen wir schnell hinunter, um etwas zum Essen einzukaufen. Als wir dort ankommen, ist die Tür bereits geschlossen, doch wir werden nich hineingelassen. Schnell packen wir die erstbesten Sachen, laufen zur Kasse und bezahlen. Hinter uns wird die Tür wies geschlossen. Zurück in der Unterkunft sitzen zwei weitere Männer in der Küche. Rick kommt aus Kanada und Andi aus Deutschland. Wir unterhalten uns kurz, dann verschwindet Andi kurz, da er in die Messe möchte, doch scheinbar findet heute keine statt, weshalb er wenige Minuten später ebenfalls mit Essen zurück bei uns in der Koche sitzt. Wir essen gemeinsam und teilen unseren Nachtisch untereinander. Andi hat Schokolade, Rick Chips und wir Schokokuchen. Jeder isst etwas von allem. Wir unterhalten uns gut und lang, bis wir nacheinander kurz unter die wirklich heiße Dusche springen. Die anderen spanischen Pilger kommen von ihrem Barbesuch zurück und nach kurzer Zeit verschwinden wir alle ins Bett. Gute Nacht!