Tag 237 - Traumhafter Rundgang durch die magische Alhambra

Fahrrad-weltreise: Alhambra in Granada (kein Radfahrtag)

24.01.2025

Lesedauer ca. 10 min

Wir wachen vor den ersten Sonnenstrahlen auf und genießen noch ein paar entspannte Minuten im Bett. Doch heute haben wir viel vor. Wir wollen uns Granada und insbesondere die Alhambra ansehen. “Auf, ich gehe duschen!”, sagt Kyra und kurz darauf folgt ihr Michi. Wir ziehen uns an und gehen hinunter zum Frühstücksbuffet des Hotels Porcel Sabica. Doch weit kommen wir nicht. Am Fahrstuhl angelangt, öffnet sich dieser und uns blicken vier Asiaten aus dem mit Gepäckstücken überfüllten Fahrstuhl irritiert an. Die Türen schließen und wir wollen gerade die Treppe nehmen, da öffnet sich die Tür des zweiten Fahrstuhls. Wir steigen ein und wollen ins Erdgeschoss. Bereits nach einer Etage stoppt der Fahrstuhl. Die Türen öffnen sich und fünf Asiatinnen blicken uns an. Gerade als die Türen sich schließen, klemmt eine ältere Dame noch ihren Rollkoffer dazwischen und winkt eine weitere herbei. Wir stehen dicht an dicht im Fahrstuhl. Da ruft die ältere Frau in den Flur und ein kleiner Junge kommt noch mit einem weiteren Rollkoffer an. Als der Junge samt Koffer im Aufzug ist, passt wirklich nichts mehr. Die jüngere Frau drückt auf die erste Etage und Michi verhindert gerade noch rechtzeitig, dass sie beim Drehen mit ihrer Tasche nicht den Alarm betätigt. Sie bedankt sich. Der Aufzug ächzt zwei Etage tiefer. Die Türen öffnen sich und wir stehen vor Absperrband und Baumaterial. Der erste Stock wird scheinbar renoviert. Die Türen schließen und… den Jungen packt die Neugier und er langt hinaus und zieht die Plastikplanen hinunter. “Nooooo!”, ruft Kyra und die Türen öffnen sich erneut. Der Junge ist irritiert, seine vermutlich Mutter ebenso. Es dauert kurz und die Türen schließen erneut. Wir rattern eine Etage tiefer. Die Türen öffnen und stehen in der Empfangshalle, die voller Asiaten ist. Scheinbar sind wir in die Abreisezeit einer Reisegruppe geraten. Wir manövrieren uns durch die Rollkoffer und dicht gedrängten Menschen und erreichen das Frühstücksbuffet. Wir geben unsere Raumnummer beim freundlichen Kellner an, holen uns Kaffee und Orangensaft und suchen uns in dem beinahe leeren Saal einen Platz. Das Buffet ist klassisch kontinental ergänzt durch lokale Spezialitäten, wie z.B. Churros. Wir speisen und planen unsere Route. Es soll vom Hotel zum Plaza Nueva und über die Cuesta de Gomérez zur Alhambra gehen. “In der Anlage beginnen wir mit der Alcazaba, auf dem Weg zum Generalife den Palacio de Carlos V und anschließend die Nasriden-Paläste um 15 Uhr”, legt Michi seine Idee der Begehung vor. Kyra stimmt zu und ergänzt: “Bei den Palästen sollten wir etwas früher sein, wegen der Warteschlange.” Denn sind wir nicht um 15 Uhr am Einlass, verfällt unser Ticket. Wir gehen alles noch einmal durch und lesen uns ein paar Informationen vorab über die verschiedenen Anlagen durch. Dann genießen wir nur noch, trinken einen letzten Kaffee und beobachten entspannt andere Hotelgäste, bei ihrem Start in den Tag. Besonders fällt uns die junge spanische Familie mit zwei lieben Jungs auf. Gerne würden die beiden schon alles selbst machen, aber es klappt noch nicht so recht. So schaut der Kleine mit einer Kelle voll Joghurt fest in beiden Händen und dem Schüsselchen außer Reichweite den Vater hilfesuchend an. Der hilft prompt, während die Mutter den anderen gerade wieder einfängt, als dieser mit einem Croissant losrennt. Es ist herrlich, die beiden beim Erkunden zu beobachten. Ansonsten ist das Publikum gemischt. Geschäftsleute und Touristen aus aller Welt. Ein Ehepaar betritt den Raum. Wir sehen uns an, müssen lachen und sind uns einig… das sind Deutsche. Sein suchender Blick findet den besten Platz, dieser wird zielstrebig mit großen Schritten angelaufen und im Vorbeigehen mit einem Pullover reserviert. Das weitere Gespräch über die Auswahl der Speisen und Getränke bestätigt uns in unserer Annahme. Als unsere Tassen leer sind, gehen wir noch einmal kurz aufs Zimmer, putzen Zähne und packen alles für den Tagesausflug zusammen. Es ist einer dieser wenigen Tage auf unserer Fahrrad-Weltreise, an dem wir unsere treuen Drahtesel stehen lassen. Wir starten zu Fuß aus dem Hotel links die Straße entlang. So gelangen wir im morgendlichen Verkehr über schöne Straßen zum Plaza Nueva de Granada. Das Sonnenlicht funkelt in den Becken des Brunnens am Platz und wir merken gleich, dass hier im Herzen von Granada das Leben pulsiert. Schulklassen besichtigen die alten Gebäude und zugleich suchen Einheimische Entspannung sowie die neuesten Nachrichten bei einem Kaffee in einem der zahlreichen Lokale. Wir verweilen kurz, ehe wir uns vorbei an traditionellen Handwerksläden und Souvenirshops durch die Cuesta de Gomérez in Richtung Alhambra aufmachen. Wir treffen auf die Puerta de las Granadas, ein historisches Tor mit Kaiserwappen von ca. 1536, das den Eingang zum Waldpark beschreibt. Dieser führt uns in einem steilen Anstieg hinauf zur Alhambra. Einer kleinen Gruppe an Touristen wird gerade von einem Guide am Ende der Tour der Boden gezeigt. Dieser ist selbst hier im Park vor der eigentlichen Anlage über und über mit Ornamenten verziert. Voller Vorfreude gehen wir die weiteren Meter hinauf und treten ein in eine Welt, die früher den meisten verborgen blieb. Heute sieht es anders aus. Die Alhambra ist seit 1984 UNESCO-Weltkulturerbe und mit circa 6.000 Menschen pro Tag eine der am stärksten besuchten Sehenswürdigkeiten Europas. Das merken wir sofort. Trotz Nebensaison ist es am frühen Vormittag so voll, dass sich bereits vor dem Eingang zur Alcazaba eine mittelgroße Schlange bildet.

Wir stellen uns an und halten unsere Reisepässe bereit. Nach erfolgreicher Überprüfung dürfen wir passieren. Wir dringen ein in die Festungsanlage, den ältesten Teil der Alhambra und erstürmen deren Mauern, die uns einen imposanten Blick über Granada und hinüber zu den Höhlenhäusern des Sacromonte. In diesem Viertel lebten und leben zum Teil die Gitanos, Roma. Diese kamen im 15. Jahrhundert aus Indien und ließen sich hier am Rande der Stadt mit weiteren Vertriebenen, wie z.B. Juden und Muslimen, aus dieser nieder. Als wichtiges Kulturgut entstammt die Flamenco-Stilrichtung Zambra dem Viertel. Heute kann man das Feuer und die Energie des Flamenco hier immer noch in allabendlichen Flamenco-Shows bewundern. Wir blicken noch eine Weile in die schneebedeckten Gipfel der Sierra Nevada. Dann begeben wir uns hinab und Michis Fuß macht eine kurze Bekanntschaft mit einem der zahlreichen Wasserläufe auf dem Gelände. “Mist! Zum Glück ist es nicht kalt”, sagt er und zieht den nassen Schuh zurück auf den mit Spiralen verzierten Boden neben der kleinen Vertiefung. Wir begutachten die massiven Steinmauern und erkennen, dass die hier ein überdachter Gang gewesen sein muss. Wer hier wohl alles im Schatten an den Orangenbäumen vorbei gewandelt sein mag?

Wir verlassen die Festung und stehen vor dem Eingang zum Palast von Karl V., der 1527 im Renaissance-Stil in Auftrag gegeben und nie gänzlich vollendet wurde. Bereits am Eingang sehen wir Kampf-Szenen in den Stein gemeißelt. Wir treten durch das Portal, gehen vorbei am Alhambra Museum und finden uns im runden Innenhof des Palastes wieder. Es geht dem Kreisrund nach hinauf zu einem Säulengang. Eine Gruppe Grundschulkinder stellt sich im Innenhof auf dem kreisrunden Mosaik am Boden auf und die Lehrerinnen erklären ihnen etwas. Dann machen sie ein paar lustige Aufnahmen zusammen. Wir wandeln ebenso darüber einmal im Kreis, genießen die Sonne und bestaunen den Innenhof. Dann setzen wir unseren Rundgang fort. Das nächste Ziel ist die Sommerresidenz der Nasriden-Sultane, der Generalife. Auf dem Weg dorthin setzen wir uns noch einmal, blicken auf die Nasriden-Paläste und entspannen in der Sonne. Wir essen eine Kleinigkeit und trinken etwas, ehe es durch Gärten und Wasserläufe weiter zum Generalife geht. Die Anlage wurde im frühen 14. Jahrhundert unter Muhammad II. erbaut und diente als Rückzugsort vor dem politischen Geschehen in der Alhambra. Allerdings diente die Anlage nicht ausschließlich der Erholung. Sie wurde zudem als Testgelände für ausgeklügelte Bewässerungssysteme und zur landwirtschaftlichen Kultivierung verschiedener Obst-, Gemüse- und Heilpflanzen genutzt.

o ist die Anlage eine für die Mauren typische Verbindung von Schönheit und Nutzen nach dem Islamischen Konzept eines Paradiesgartens – einer Symbiose von Wasser, Pflanzen und Architektur. Heutzutage ist die Anlage jedoch durch mehrere Erweiterungen und Umgestaltungen nicht mehr in ihrem ursprünglichen Zustand. Die Kernidee der Symbiose wurde jedoch weiter verfolgt und zieht sich durch alle Bereiche. Vorbei an Gemüse- und Obstgärten und gelangen wir über die neuen Gärten, mit Rosen-Labyrinthen, Zypressen und einem Freilufttheater in den Hauptpalast. Durch den Patio de Polo gelangen wir in den Patio de la Acequia. Dieser Hof ist zur Linken durch einen Bogengang mit einem traumhaften Blick auf Granada und die anderen Teile der Alhambra begrenzt. In der Mitte befindet sich ein langer Wasserkanal. Das lange Wasserbecken ist gesäumt von üppigen Beeten und wir gelangen tiefer in die Wohlfühloase zum Pabellón del Mirador. Der verzierte Aussichtspavillon diente den Sultanen zur Inspiration und Kontemplation. Auch wir treten an die offenen Bögen heran und werfen erneut Blicke hinaus auf Granada. Es plätschert um uns herum und schnell sind die anderen Menschen vergessen und durch die weitläufige Anlage werden diese ohnehin zerstreut. Es geht hinauf zu einem kleinen Highlight zwischen den Zypressen und Rosen in den Jardines Altos, den höheren Gärten. Eine Treppe, die Escara del Agua, deren Handläufe Wasser führen. Eine ruhige Atmosphäre liegt über uns unter den Blättern, mit den unentwegt fröhlich plätschernden Handläufen. Wir können nur erahnen, wie wohltuend ein Griff ins kalte Nass während des andalusischen Sommers sein mag. Wir blicken auf den Pabellón Romántico, der erst 1836 erbaut wurde und verweilen noch etwas unterhalb im wohltuenden Schatten der Gärten mit den gewundenen Bäumen. Da die Zeit voranschreitet, verlassen wir die Anlage langsam über die Paseo de las Adelfas, einen Gang umschlossen von einem Oleander-Bogen. Schön anzusehen, jedoch giftig. Über die Medina, die Altstadt, geht es zurück und erst einmal zur Toilette.

Dann stellen wir uns in die Warteschlange bei den Nasridenpalästen. Wir sind etwas zu früh und sollen in 15 Minuten wiederkommen. Also warten wir in der Sonne und entspannen noch einmal etwas. Dann geht es los und durch die Sicherheitskontrolle in die Nasridenpaläste, das Herzstück der Alhambra. Dieses Meisterwerk islamischer Baukunst wurde zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert erbaut und war der Regierungssitz der Maurischen Herrscher, der Dynastie der Nasriden. Die Besichtigung erfolgt, wie auch der Einlass gelenkt und so starten wir im Verwaltungsbereich, dem Mexuar. Hier sprach der Sultan Recht und ging anderen administrativen Aufgaben nach. Verglichen mit den weiteren Teilen ist dieser öffentliche Bereich eher schlicht. Wir sind bereits begeistert und bestaunen filigrane Arbeiten, als wir auch ein paar christliche Elemente entdecken. Diese wurden jedoch natürlich erst im Zuge der Eroberung 1492 mit weiteren Umgestaltungen integriert. Das Datum beschreibt zudem das Ende der der muslimischen Herrschaft auf der iberischen Halbinsel. Wir laufen weiter in den Patio de los Arrayanes, den Myrtenhof und Comares-Palast. Fasziniert bestaunen wir die Spiegelung des Palastes im Wasserbecken in der Mitte des Hofs, um dann in den Sala de los Embajadores, einen der wichtigsten Räume des gesamten Palastes zu gelangen. Hier wurden die Botschafter und andere wichtige Gäste unter einem kunstvoll gearbeiteten Holzkuppeldach, welches das Universum darstellt, empfangen. Wir versuchen die zahllosen Eindrücke aufzunehmen. Doch es scheint, als wäre jeder Raum, den wir neu betreten, mit immer prächtigeren Flechtornamenten verziert. Zudem finden wir zahllose Kalligraphien, kunstvolle Schriftzeichen, die anscheinend bedeuten “Es gibt keinen Sieger außer Gott”. Außerdem finden sich kurze Gedichte. Gepaart mit den Farben und Wasserläufen, den Ausblicken und kunstvollen Holzarbeiten wirken die Paläste wahrlich majestätisch und geradezu überwältigend. So erreichen wir den Löwenhof im Inneren. Dieser ist mit seinen 124 Säulen und dem Löwenbrunnen mit seinen 12 steinernen Löwen besonders beeindruckend. Es folgen der Sala de los Abencerrajes mit einer Sternkuppel, der Sala de los Reyes, also der Saal der Könige mit seinen Deckenmalereien. So wunderschön es ist, so erschlagen fühlen wir uns langsam und entschwinden in die privaten Gemächer. Diese sind kleiner, jedoch umso kunstvoller dekoriert. Wir werfen noch einen Blick ins Hammam und verlassen die Nasridenpaläste durch den Partal-Palast. Dieser ist einer der älteren Bereiche, jedoch durch sein Wasserbecken und die Arkaden ebenso einfach wunderschön. Was die Alhambra auch aufzeigt ist, dass alles in einem fortwährenden Wandel inbegriffen ist. Nach der Eroberung durch die spanischen Könige wurde die Anlage zunächst umgebaut und als königliche Residenz genutzt. Anschließend verfiel sie jedoch langsam. Erst während der Besetzung durch Napoleon wurden die Alhambra als Kaserne genutzt und die Bewässerungssysteme teils wiederhergestellt, jedoch beim Rückzug 1812 erneut durch Sprengungen zerstört.

Seit dem 19. Jahrhundert werden Restaurierungs- und Instandhaltungsarbeiten durchgeführt, wodurch wir heute die Möglichkeit haben, die Alhambra in vollem Umfang zu bestaunen. Es ist kaum zu glauben, was Menschen vor so langer Zeit geschaffen haben, und doch wurde und wird es immer wieder zerstört. Wir blicken noch einmal in die Santa Maria de la Alhambra. Die Kirche wurde im Renaissance-Stil nach der Eroberung an der Stelle der Moschee zum Zeichen des Sieges des Christentums errichtet. Vorbei an Kanonen treffen wir auf ein junges deutsches Pärchen, welches lustigerweise in beiden Pausen bereits neben uns saß. Wir haben jedoch nicht miteinander gesprochen, was wir nun nachholen. Die beiden sind jedoch nicht, wie erwartet, mit dem Flieger angereist, sondern mit dem Zug. Sie berichten von ihrer entspannten Reise und erzählen, dass sie auch noch durch mehrere Städte in Spanien und Portugal reisen werden, ehe sie per Bahn zurück nach Deutschland fahren. Wir reden noch etwas über Land und Leute sowie unsere Eindrücke aus der Alhambra und dann verabschieden wir uns. Durch kleine Gassen bahnen wir uns den Weg zurück Richtung Hotel und stehen unverhofft vor der Kathedrale von Granada. Diese gilt als eines der Meisterwerke der spanischen Renaissance. Wir haben für heute jedoch definitiv genug von herausragender Architektur und beobachten lieber vor der Kathedrale einen jungen Mann, der stilecht in alten Kleidern mit einer Box-Kamera Fotos von den zahlreichen Besuchenden macht. In Windeseile zaubert er das Foto auf einer scheinbar alten Zeitung aus einem Schlitz in einem nebenstehenden Garderobenkoffer hervor. Doch mit einem Mal kommen keine Zeitungen mehr und wir und alle Umstehenden sehen zu, wie die Illusion zerfällt. Aus dem Koffer taucht ein Drucker auf, ein moderner Laptop wird aufgeklappt und eine moderne Kamera der Box-Kamera entnommen. Die Illusion ist dahin und obwohl es zuvor bereits den allermeisten sicher klar war, bleibt dem armen Mann, als alles wieder läuft, nichts über, als einen anderen Platz zu suchen. Denn hier ist der Effekt verflogen und es möchte sich keiner mehr der Illusion hingeben. Wir ziehen ebenso weiter gegen die sinkende Sonne in Richtung Hotel. Wir kaufen noch etwas zum Abendessen in einem nahen Supermarkt und befinden uns kurze Zeit später in unserem Zimmer. Wir trinken einen Tee, versuchen zu verarbeiten, was wir erlebt haben und blicken auf die zahlreichen Fotos des Tages. Wir essen noch Ramen-Nudeln und fallen mit erschöpften Füßen ins Bett. Was für ein ereignisreicher Tag. Gute Nacht!