
Tag 265 - Hic Forum est
Fahrrad-Weltreise: Rom Touritour
21.02.2025
“Guten Morgen! Heute geht’s nach Rom, ich freue mich!”, begrüßt Kyra den Tag 265. Wir liegen in unseren warmen Schlafsäcken bei Alicia in der Nähe von Rom im Gästezimmer. Auch wenn wir weiterhin erkältet sind, geht es uns bereits viel besser. Aus diesem Grund möchten wir eine kleine Radtour durch Rom machen, um uns die schönsten Sehenswürdigkeiten anzusehen. Nächste Woche möchten wir anschließend noch ein zweites Mal in die Stadt, um uns den Vatikan, deutschen Friedhof und Pantheon von Innen anzusehen. Dafür fahren wir dann ohne Drahtesel. Zunächst frühstücken wir jedoch noch in Ruhe, denn wir möchten uns nicht stressen lassen und haben genug Zeit. Anschließend tragen wir die Esel aus dem fünften Stock herunter und bringen den Müll weg, dann geht es zur Metromare, eine Art U-Bahn, die oberirdisch fährt. Unproblematisch kaufen wir am Ticketschalter zwei Tickets für 2 €, mit denen wir jeweils 2x 100 min in Rom fahren dürfen. Das Fahrrad darf kostenfrei mit. Verrückt, wie günstig und fahrradfreundlich! Während wir uns freuen, warten wir am Gleis auf die Metromare. Dabei übersehen wir fast, dass auf der rechten Seite ein Schild mit einem Fahrrad abgebildet hängt. Kurz bevor die Metromare einführt, laufen wir schnell hinüber und können kurz darauf an der richtigen Stelle einsteigen. Eine wirkliche Abstellmöglichkeit für die Räder gibt es nicht, aber es scheint niemanden zu interessieren, dass wir deshalb mit Emil und Elias ziemlich im Weg stehen. Da fast alles leer ist, können wir uns sogar mit den Rädern in der Hand auf die hintersten Sitze setzen. Die Fahrt dauert circa 40 min und schon sind wir mitten in Rom. Bevor wir unsere Rundtour starten, planen wir diese bei einem Cappuccino im nächsten Café. Ganz in der Nähe ist die Thermae Antoninianae. Dort, möchten wir als erstes hin. Dafür stürzen wir uns in den Stadtverkehr. Als wir die erste Kreuzung überquert haben, wird es sofort leichter, denn ein separater Fahrradweg führt uns neben der Straße entlang. “Weißt du was das ist?”, fragt Michi und zeigt auf zahlreiche Flaggen, die an einem großen Gebäude hängen. “Neee.”, ruft Kyra von hinten, “aber da hängt eine Flagge der Vereinten Nationen.” Mit Blick aufs Handy klärt sich, dass es sich um die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen handelt. Die Ampel wird grün und wir biegen rechts ab. Auf einem kleinen Hügel gelegen können wir bereits die Überreste der Thermae Antonninianae sehen. Die Therme gehört zu den größten Thermenanlagen in Rom und wurde sehr wahrscheinlich in den Jahren 206 bis 216 erbaut. 537 wurde die Wasserleitung zerstört, weshalb der Badebetrieb eingestellt wurde. Anschließend wurde die Ruine lange als Steinbruch genutzt und im 16. Jahrhundert entfernte man für andere Bauwerke einen Großteil der Mamorausstattung und Skulpturen. Heute wird das Gelände von der Oper Rom für Freiluft Aufführungen genutzt. Zudem wurde 1960 das Gerätturnen der Olympischen Sommerspiele hier ausgetragen. Wir sehen von unserem Standort vor den Kassen jedoch nicht viel. Ein paar Mauern und Bögen können wir von außen betrachten. Trotzdem spüren wir bereits die lebendige und lange Geschichte der Stadt. Wer weiß, welche Straßen wir heute passieren und wer dort bereits alles war? Welche Freuden und Schicksale Menschen hier erlebt haben? Wir können es uns nicht vorstellen und wünschen uns einmal mehr, in der Zeit zurückreisen zu können. Doch, noch sind wir ganz am Anfang unserer Route. Es sollen noch ganz andere geschichtsträchtige Orte in Rom folgen. Und der nächste kommt sogleich. Wir fahren nur wenige Meter zurück, wie wir gekommen sind und vor uns liegt der Circus Maximus bzw. auf latein Circo Massimo. Circus ist hier nicht mit unserem heutigen Zirkus zu verwechseln. Es handelte sich im antiken Rom viel mehr um eine langgestreckte Arena, die z.B. für Wagenrennen aber auch für Tierkämpfe der Gladiatoren genutzt wurde. Der Circo Massimo war dabei mit rund 600 Metern Länge und 140 Metern Breite der größte Circus im antiken Rom und wurde bis ins 6. Jahrhundert für Wagenrennen genutzt. Wagenrennen waren im antiken Rom eine beliebte Sportart. Die Streitwagen waren leicht und zerbrechlich. Bei einer Kollision konnten diese schnell beschädigt werden, was für den Fahrer häufig tödliche Folgen hatte, da er sich in den Zügeln verfing und zu Tode geschleift wurde. Heute ist die alte Form noch erkennbar und der Ort wird für Massenveranstaltungen in Rom genutzt. Noch in jüngerer Vergangenheit wurden immer wieder unerwartet bei Ausgrabungen neue Entdeckungen gemacht.




Wir stehen eine Weile am Südöstlichen Rand und beobachten die Menschen auf dem Circus. Einige genießen die Sonne, andere Picknicken oder joggen in Bahnen. Obwohl wir uns mitten in Rom befinden, ist es auf diesem grünen Streifen relativ ruhig. Michi erkennt der Länge nach sogar bereits die Kuppel vom Petersdom in der Ferne. Als wir jedoch der Straße folgen und an zwei alten Aquädukten (Aqua Claudia und Aquädukt von Nero), eine antike römische Wasserleitung in diesem Fall zur Versorgung der Stadt Rom und der Domus Aurea, vorbeifahren… Wird es mit einem Schlag hektisch und voll. Überall sind Menschen und Autos. Ein Fahrradweg ist nicht mehr vorhanden, weshalb wir lieber auf dem Fußgängerweg bleiben. Doch der Weg wird so schmal und wir müssen links abbiegen, dass wir etwas später wieder auf die viel befahrene Straße wechseln. Zwischen zahlreichen Autos stehen wir an mehreren roten Ampeln. Der Grund für die Unruhe, ist das sich neben uns befindende Kolosseum. Majestätisch ragt das größte je gebaute Amphitheater in die Höhe. Es ist das Wahrzeichen Roms. Wahnsinn, was früher bereits geschaffen wurde! Das Kolosseum wurde zwischen 72 und 80 n. Chr. erbaut und war fast 450 Jahre Schauplatz für höchst grausame und brutale Veranstaltungen. Diese wurden meist zur Unterhaltung der Römer durchgeführt, die kostenlosen Eintritt zum Amphitheater hatten. Durch die vielen Todesfälle in der Arena wird geschätzt, dass etwa 1 Millionen Tiere und etwa 400.000 Menschen starben. Was für ein Leid… Das Kolosseum wurde nach Beendigung der Veranstaltungen hauptsächlich durch Großbrände, Erdbeben und spätere Stein-Plünderungen zerstört. Als wir am Gebäude über die nun leere Straße, da sie außer für Busse gesperrt ist, entlang fahren, können wir die Brutalität, Größe und Geschichte kaum fassen. Obwohl oder gerade weil an diesem Ort so viel Leid, Brutalität und Grausamkeit stattgefunden hat, ist es mit dem Pantheon heute die meistbesuchte Sehenswürdigkeit in Rom und gilt seit 1999 als Denkmal gegen die Todesstrafe. Wenn ein Todesurteil ausgesetzt wird oder ein Land die Todesstrafe abschafft, wird das Kolosseum für 48 Stunden in bunten Farben angestrahlt. Auch wir versuchen ein schönes Foto als Erinnerung festzuhalten. Was sich als gar nicht so einfach darstellt.



Anschließend verlassen wir den Haupt-Tourismus-Strahl und fahren eine breite Straße den Hügel hinauf zur Basilica Papale die Santa Maria Maggiore. Michis Eltern haben uns diese und ein Restaurant in der Nähe empfohlen. Wir haben so viel Zeit beim Kolosseum verbracht, dass es bereits Nachmittag ist und eine geteilte Pizza eine gute Idee erscheint. Aus diesem Grund besuchen wir zunächst das empfohlene Restaurant. Der Kellner scheint zunächst eher unhöflich und resigniert, taut über unseren Besuch hinweg jedoch immer mehr auf und macht schließlich Scherze über Parkplatzgebühren für unsere abgestellten Fahrräder. Die Pizza schmeckt zudem richtig lecker. Während wir diese genießen, schauen wir uns in Ruhe im Lokal um. Die gesamten Wände sind mit Geldscheinen, Grüßen, Bildern und anderen Sachen vollgeschrieben und geklebt. Dazu die typische italienische Restaurant-Einrichtung. Wie urig! Als wir fertig gegessen haben, fahren wir zur Basilika zurück und möchten gerne unsere Fahrräder parken, um einen kleinen Blick hineinzuwerfen. Der Eintritt ist kostenfrei. Da wir nicht wissen, wo wir unsere Fahrräder abstellen können, winkt Kyra verlegen der Polizei an der Einlasskontrolle. Ein jüngerer Polizist sieht uns, grinst und kommt zu uns. Wir fragen ihn, ob wir hier oder in der Nähe die Fahrräder für einen kurzen Besuch anschließen dürfen. Scheinbar, wurde er dies noch nie gefragt, denn er muss sich zunächst mit seinen Kolleg*innen austauschen. Leider wird uns anschließend zurück gerufen, dass es nicht möglich ist, die Fahrräder hier stehen zu lassen. Es könnt ja eine Bombe in der kleinen Lenkertasche versteckt sein. Wir lachen freundlich und Michi fragt: “And when we show you what’s insite?” Auch der Polizist lacht und sagt anschließend, dass dies leider nicht möglich ist. Wir verabschieden uns freundlich und etwas enttäuscht fahren wir weiter. Doch wir haben heute noch viel vor, deshalb ist es vielleicht gar nicht schlimm, trösten wir uns und sind schnell wieder bester Laune. Rasant rollen wir den Hügel nun wieder hinunter, biegen zweimal ab und strampeln einen weiteren Hügel hinauf.



Ohne Gepäck fällt uns dies ziemlich einfach. Obwohl die Nase noch zu sitzt und wir wenig Luft bekommen, sind wir schnell oben und erblicken das Forum Romanum. Insbesondere für Kyra das absolute Highlight in Rom. Schon bei ihrem ersten Besuch mit ihrer Mutter vor mehr als 13 Jahren war sie vom Forum Romanum nachhaltig beeindruckt. “Hic Forum est! Populus properat.” rezitiert sie aus ihrem ersten Lateinbuch der 7. Klasse. Michi, der ebenfalls Latein hatte versteht den Satz und übersetzt: “Hier ist das Forum! Das Volk eilt”. Wir grinsen. Spätestens jetzt fühlen wir uns im antiken Rom angekommen. Im Lateinunterricht wurde viel über eines der wichtigsten Ausgrabungsstätten des antiken Roms und den damaligen Marktplatz gesprochen. Und nun sind wir hier… Mit dem Fahrrad. Wie verrückt! Wir stehen eine Weile von der kleinen Aussichtsfläche, machen ein paar Fotos und genießen den Anblick. Dann werden wir von zwei französischen Pärchen angesprochen. Wir unterhalten uns kurz und erzählen von unserer Strecke. Sie sind interessiert und fragen uns einiges zum Gewicht und Alltag auf dem Rad. Es ist ein nettes kurzes Gespräch. Am Ende notieren sie sich noch unseren Blog und gehen weiter. Auch wir schwingen uns wieder auf die Drahtesel. Doch weit kommen wir nicht. Wenige Meter später, bleiben wir erneut stehen und machen ein Foto von der Nachbildung der berühmten Skulptur der Wölfin mit Romulus und Remus, die mythischen Gründer der Stadt Rom. Das original steht im Inneren der Kapitolinischen Museen in Rom und soll aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. stammen. Daran wurden scheinbar jedoch Zweifel laut.



Wir folgen weiter der Straße, verirren uns kurz und sehen schließlich das Viktor-Emanuelsdenkmal vor uns. Es wurde zu Ehren des ersten Königs des vereinigten Italiens errichtet. Wir halten uns hier jedoch nicht lange auf und folgen der Straße weiter, bis sie so voll wird, dass wir schieben müssen. Wir befinden uns nun in der Fußgängerzone und Fahrrad fahren ist sowieso verboten. Bald darauf erkennen wir zudem, warum es so voll ist. Der Trevi Brunnen befindet sich neben uns. Der Legende nach bringt es Glück eine Münze über die rechte Schulter in den Brunnen zu werfen. Zweimal in der Woche werden die vielen Münzen mit langen Besen und Saugschläuchen aus dem Brunnen gefischt. Im Gegenteil zu früher gehören die Münzen nicht mehr jede*r Stadtbewohner*in Roms, sondern das Geld wir seit den 90er-Jahren an die Caritas gespendet. Der Trevi Brunnen ist übrigens einer der bekanntesten Brunnen der Welt. Das Wasser stammt aus der Acqua Vergine. Das Aquädukt liefert Trinkwasser nach Rom und der Vorgänger wurde im Jahr 19 v. Chr. erbaut. Wieder so viel Geschichte! Als Kyra sich durch die Menschenmassen quetscht, um sich kurz den Brunnen anzuschauen, klatschen plötzlich alle laut. Kyra schaut sich um und sieht, dass gerade ein Hochzeitsantrag stattgefunden hat. Für uns ist es hier jedoch zu voll und somit gucken wir, dass wir schnell weiterkommen. Erneut ist der Weg nicht lang bis zur nächsten Sehenswürdigkeit, die spanische Treppe! Auch hier ist es voll, doch diesmal kämpft sich Michi durch die Massen und schaut sich die Umgebung näher an. Schöner finden wir jedoch die Aussicht, die sich uns nur wenige Meter von der Treppe entfernt ergibt. Vom Piazza della Trinita dei Monti können wir gefühlt über ganz Rom sehen. Wir sehen unzählige Kuppeln und wunderschöne Bauwerke. Wir atmen kurz durch und fahren anschließend die Straße rasant hinunter über den Piazza del Popolo und die Tiber zur Engelsburg.






Die Sonne steht bereits tief, doch wir brauchen eine kurze Pause. Kyra besorgt uns zwei Flaschen Wasser und eine Zitronenlimonade. Mit beidem setzen wir uns auf die Mauer neben der Tiber und genießen kurz die Ruhe. Ein Mann spielt unweit von uns Gitarre und singt dazu. Es hört sich schön an. Unter uns fahren immer wieder Ruderboote an uns vorbei. Wir richten den Blick auf die Engelsburg, welche als Mausoleum für den römischen Kaiser Hadrian und seine Nachfolger errichtet wurde, von Päpsten zur Kastelburg umgebaut wurde und schließlich seit 1906 schließlich als Museum genutzt wird. Doch Michis Blase drückt und wir suchen schnell eine öffentliche Toilette. Anschließend wird es Zeit, über die Via della Conciliazione zum Vatikan zu gehen. Kurz bevor wir den Vatikan erreichen, bleiben wir kurz stehen. Wir atmen einmal tief durch und erkennen, dass der Vatikanstaat unser 10. Land dieser Reise sein wird. Dann ist es soweit. Wir machen einen großen Schritt und sind drin. Während die Sonne langsam untergeht, genießen wir den Moment. Wir blicken uns um und kleben die Flagge vom Vatikan auf Emil und Elias. Was für ein schöner Tag! Ursprünglich hatten wir geplant, nun noch zum Pantheon und großen Synagoge zu fahren, doch das möchten wir aufgrund der anbrechenden Dunkelheit auf unseren nächsten Besuch verschieben. Bei diesem wollten wir sowieso ins Innere vom Pantheon sowie den Vatikan und den deutschen Friedhof. Somit fahren wir im Feierabendverkehr den Autos hinterher auf der viel befahrenen Straße am Tiber. Es gibt keinen Fahrradweg, nur einen gesperrten unterhalb der Straße am Wasser. Erschöpft kommen wir wenig später am Bahnhof an und fahren mit der Metromare zurück. Während Kyra Gemüsesuppe kocht, telefoniert Michi noch mit seinen Eltern. Dann, fallen wir müde ins Bett. Gute Nacht!





