
Tag 308 - Umweg
Fahrrad-Weltreise: Foresta nach Scanzano Jonico
05.04.2025
Der kleine Strand liegt im Sonnenschein und als wir gerade alles für einen Kaffee bereit machen, streikt der Drache erneut. Die Flamme brennt zwar, jedoch nicht heiß genug. So braucht der Kaffee eine ganze Weile. Ein Pärchen läuft den Strand auf und ab. Sie angeln, indem er treibende Köder an einem langen Seil durchs Wasser zieht. Der Straßenhund von gestern Abend begleitet sie und die Frau gibt ihm ein paar alte Brötchen. Doch dann entdeckt er uns und kommt vorbei. Langsam pirscht er sich an. Wartet immer wieder und betrachtet uns mit großen, treuen Augen. Leider können wir ihm nichts geben, so gerne wir würden. Nach einer Weile und unendlich herzzerreißenden Blicken und Jaulen später sprintet er zur leichter verfügbaren Futterquelle und schnappt sich noch ein Brötchen. Währenddessen ist der Kaffee fertig und unser Zelt getrocknet. Wir bauen ab und genießen unser Frühstück. Es ist ein so wundervoller Strand, wäre da nicht überall der Müll… Mikrowellen, alte ausgediente Boote, die selbst wiederum mit Unrat beladen werden, Kinderspielzeug, pralle schwarze Müllsäcke und Bauschutt liegen im Gebüsch, am Wegesrand und am Strand. Dazwischen erwacht die Natur und zeigt ihre Frühjahrstracht. Blüten erstrahlen gelb, violett, blau, weiß und rot und ziehen unzählige Bienen an. Wir fahren los und zurück auf die SS 106. Da wir kein Wasser mehr haben, wollen wir gleich den nächsten Supermarkt oder Brunnen ansteuern, doch… ganze 50 km rollen wir die Bundesstraße bei herrlichem Wetter entlang, ohne auch nur einen an der Straße zu entdecken. Das einzige, was wir auf dem Seitenstreifen sehen sind… tote Tiere. Katzen, Hunde, Marder, Hasen, Wildschweine, Vögel und auf einer Brücke erstaunlich viele Insekten. In der kleinen Stadt angelangt, geht es rasant bergab zum ersten Supermarkt. Nach unserem Einkauf und einer kleinen Mittagspause schwingen wir uns erneut auf die Drahtesel und folgen einer etwas kleineren Straße neben der Bundesstraße. Diese endet jedoch unverhofft an einem Kastell, das über dem Wasser thront. Durch eine Baustelle wird der gesamte Verkehr über die Straße geleitet. Eigentlich sollten wir nun links auf die Nebenstraße zurück, doch diese ist gesperrt und schwupps finden wir uns auf der Autobahn wieder.



Bei der nächsten Ausfahrt verlassen wir diese schnellstmöglich. Auf der Nebenstraße geht es nun neben der Autobahn durch kleine Örtchen und auf und ab. Zum ersten Mal sehen wir nun jemanden, wie er mit seinem Auto auf dem Seitenstreifen der Autobahn anhält und mehrere Müllsäcke zu den anderen, auf etwa 300 m verteilt liegenden, wirft. Wir sind fassungslos. Der Reaktion der anderen Autos auf der Autobahn nach ist es hier Normalität. Wenig später halten wir, um unsere Route zu einem Schlafplatz zu suchen. Da kommen die beiden Radreisenden von gestern winkend zu uns geradelt. Andreas und Udo, die beiden Maschinenbauer, radeln in ihrer Altersteilzeit von Sizilien nach Deutschland. Klasse! Wir reden ein wenig über die Stelle mit der Autobahn und den weiteren Verlauf der Route sowie unsere Schlafplätze. Dann verabschieden wir uns und sie radeln zu ihrer nächsten Unterkunft. Wir radeln ebenso weiter und plötzlich endet die Straße in dem Gebüsch und Leitplanken der Bundesstraße, die mittlerweile zu einer Schnellstraße gewachsen ist. So drehen wir um, nur um kurz darauf vor dem Verbotsschild für Fahrräder zu stehen. Die Stimmung kippt etwas, da wir für etwa 1,5 km nun einen Umweg von etwa 20 km fahren dürfen. Doch es hilft nichts, wir überlegen noch ein wenig, doch entscheiden uns schlussendlich für den Umweg. Es geht beständig, bei langsamer Steigung einen Hügel hinauf.Die Autos rasen mit über 100 an uns vorbei.


Die 50er Schilder der kleinen Landstraße interessieren hier niemanden. So radeln wir ein wenig genervt von der Situation und wissend, dass wir zeitlich keine Chance mehr haben im Hellen anzukommen, der sinkenden Sonne im Westen entgegen. Weg von der Küste, durch Olivenhaine, vorbei an Feldern und ein kleines Örtchen. Der Verkehr nimmt ab und wir schießen endlich hinab in das Tal des Flusses, den die Schnellstraße vorne mit einer einfachen Brücke überquert. Hier führt auch eine alte lange Brücke über das breite Flussbett und gegenüber geht es erneut den Hügel hinauf, doch… “Ist das gar keine Schnellstraße?”, ruft Michi fragend. “Ich seh kein Schuld!”, antwortet Kyra und unsere Laune bessert sich abrupt. Wir können die erste Straße zurück zur Küste nehmen und müssen nicht weiter auf kleinen Straßen im Landesinneren durch Hügel fahren, um zum ausgesuchten Schlafplatz am Strand zu gelangen. So geht es in Windeseile auf dem Seitenstreifen zurück zur Küste und unter der Schnellstraße hindurch. Wir halten noch einmal kurz, überprüfen die Strecke und folgen unserer Navigations App komoot in die Dämmerung. Nach verwinkelten Abkürzungen in der Kleinstadt gelangen wir zum Parkplatz am Wasser. Es ist erstaunlich viel Betrieb und zugleich sind wenig Camper hier. Vorwiegend Angler und junge Menschen mit ihren Rollern und Autos scheinen sich hier zu treffen. Wir finden einen sandigen Weg am Ufer entlang zu einem Strand. Auf dem Wasser fahren zahlreiche kleine Boote auf und ab. “Was machen die da?”, fragt Kyra irritiert. Wir werden es nie erfahren und können nur vermuten, dass es Fischer waren, die Netze zwischen ihre Boote spannen und diese durch die Bucht ziehen. Egal, wir beobachten sie eine Weile und als der einzige große Scheinwerfer in die andere Richtung zeigt und die Boote sich langsam entfernen, säubern wir einen kleinen Bereich zwischen den Bäumen hinter dem Strand vom Müll und bauen schnell auf. Wir liegen im Zelt und als Kyra noch einmal Pipi macht, bekommt sie Besuch von einem Straßenhund. Allerdings bleibt er auf Abstand und Kyra kommt wohlbehalten zurück. Die Boote fahren noch ein paar Mal gespenstisch ohne Licht im Mondschein auf und ab, die Besatzungen rufen sich Kommandos zu, die der Wind verzerrt zu uns herüber weht und dann ist es irgendwann ruhig. Gute Nacht!

