
Tag 315 - Glück im Unglück
Fahrrad-Weltreise: Vlora nach Ilias
12.04.2025
Noch müde wachen wir gegen 8 Uhr in unserem kleinen Raum auf. Bis 11 Uhr haben wir Zeit, um in Ruhe zu Frühstücken, unsere Sachen zu packen und noch einmal eine heiße Dusche zu genießen. Wir schaffen es sogar früher, was vielleicht an der kalten Dusche liegt? Kyra, die sich auf die Dusche sehr gefreut hatte, ist etwas genervt, doch heute startet unsere Tour durch Albanien und darauf freuen wir uns sehr. Wir starten an der Küste entlang, wo uns kristallklares Wasser begrüßt. Das Wetter ist traumhaft. Nur eine Mini-Wolke hängt am hohen schneebedeckten Berg, der uns bereits psychisch auf die heutige Aufffahrt vorbereitet. Doch zuerst genießen wir die wunderschöne Strandpromenade mit zahlreichen Restaurants. Desto weiter wir in den Osten fahren, desto besser werden die Hotels. Ein Luxushotel steht neben dem anderen. Wahnsinn wie viel in Albanien in den Tourismus gesteckt wird.




An einem Geldautomat holen wir noch etwas Bargeld ab, da in den meisten Geschäften nur in bar gezahlt werden kann. Dann verlassen wir die Stadt. Unsere Route führt uns zunächst sanft den ersten Berg hinauf. Hinter einem Traktor machen wir kurz Pause, um etwas zu trinken und auf Toilette zu gehen. Dann wird es steiler. Kyra hat mit der Steigung heute mehr Probleme als sonst, sie hat Bauchschmerzen und als die Steigung noch steiler wird das Gefühl, dass ihr jemand die Lunge zu schnürt. Zudem entdecken wir in einer weiteren Pause, dass der Gepäckträger von Emil nur noch an einer Schraube hängt. Die zweite Schraube ist gebrochen. Mist! Michi zeigt jedoch, während Kyra sich den Bau hält, improvissationstalent und schraubt den Gepäckträger Eine Stufe nach unten zum Schutzblech. So hält er erstmal wieder. Die noch kaputte Schraube hängt in der eigentlichen Bohrungen fest. Dafür müssen wir die Tage ein Fahrradgeschäft aufsuchen, denn alleine bekommen wir diese so nicht raus. Aber nun heißt es erstmal weiter strampeln.



Mit viel Kraft, viel Wasser und zwei weiteren Pausen kämpfen wir uns die 1000 Höhenmeter nach oben. Unsere Köpfe qualmen und die Wärme macht uns etwas zu schaffen, doch wir erhalten viel Motivation. Die Menschen in den Autos lassen die Fenster hinunter und feuern uns an. Manche zeigen einen Daumen, andere zeigen ihren Arm im Sinne von “Kraft” und andere hupen oder klatschen. Wahnsinn! Mit all der Unterstützung sind die letzten Meter gleich viel leichter. Oben angekommen werden die Bäume weniger und der Wald endet. Vor uns sehen wir einen blauen Streifen. “Das Meer!”, sagt Michi und auch Kyra hat ein Löcheln auf dem Gesicht. “Guck mal diese Serpentinen”, entdeckt Kyra erstaunt und zeigt mit dem Finger auf unsere nun kommende Straße.



Da erkennt man erst, was man selbst geschafft hat. Wir sind so hoch und es geht so steil bergab, dass einem beim runterschauen zum Meer fast schwindelig wird. Doch der Ausblick ist wunderschön! Bevor es runter geht machen wir noch ein paar Fotos und dann folgt die Abfahrt. Zunächst rollen wir langsam auf diese zu und dann wird es immer schneller. Wir nehmen immer mehr Geschwindigkeit auf, doch achten darauf in den Kurven gut abzubremsen. Insbesondere Kyra muss bei jedem Schlagloch bestenfalls ausweichen, um den Gepäckträger zu schonen. Die Autos sind von der Geschwindigkeit nicht schneller als wir und fahren respektvoll mit Abstand hinter uns her. Erst auf einer sehr langen geraden Strecke werden wir überholt. Und da passiert es… Ein Auto kommt uns entgegen und erlaubt sich einen unlustigen Scherz. Für eine Sekunde verdreht er den Lenker und tut so, als würde er auf Michi zu fahren. Es ist ein kleiner Moment, der viele so erschreckt, dass sie den Lenker verdrehen. Doch Michi hält zum Glück den Lenker fest, aber er regt sich auf und blickt wütend nach hinten, wobei er in eine Fahrrinne kommt und Elias stürzt. Schnell steht er auf und hält sich schmerzende den Arm. Kyra stellt Emil ab und rennt zurück. “Alles okay”, sagt Michi direkt. Er hat zum Glück nur Schürfwunden am Arm und Prellungen an den Oberschenkeln. Glück im Unglück. “Warum bin ich so dumm und rege mich so auf!”, ärgert er sich. Ein albanisches Auto hält an und hilft uns beim Aufstellen von Elias. Bevor der Fahrer weiterfährt erkundigt er sich mehrmals, ob es Michi gut geht. Erst nachdem wir wieder zur Fahrt bereit stehen, bemerkt Michi: “Schei*e! Mein Handy ist kaputt. Der Bildschirm geht nicht mehr.” Wir versuchen uns jedoch zu beruhigen, denn Geld ist längst nicht so wichtig, wie die Gesundheit. Trotzdem hat Michi auf seinem Gerät die Navigation und den Übersetzer offline. Wir fühlen uns für kurze Zeit etwas verloren, bis Michi in seinem Ohr eine weibliche Stimme hört: “Bei nächster Möglichkeit geradeaus fahren”. Erleichtert teilt er Kyra mit: “Die Navigation bzw. das Handy geht noch. Es ist nur der Bildschirm.” So folgen wir den Ansagen von Komoot und können noch einige Kilometer fahren.



Wir sind jedoch durch. Kyra hat weiterhin Bauchschmerzen und auch Michi tut der Arm weh. Aus Erschöpfung, den Ereignissen und der daraus resultierenden Müdigkeit fangen wir auch noch an zu streiten und es scheint nun erstmal wieder bergauf zu gehen. Ein Olivenhain am Straßenrand scheint somit für die Nacht perfekt. Nach kurzer Diskussion schieben wir die Räder hinunter. Zwischen den Bäumen blühen bereits zahlreiche Gänseblümchen und es summt überall. Eine richtige Idylle. Im Zelt essen wir beide noch ein Becher Couscous und gehen vor der Dunkelheit auf Toilette. “Guck mal! Was ist das? Da leuchtet etwas”, sagt Kyra erschrocken. Sofort stellen wir jedoch gleichzeitig fest: “Ein Glühwürmchen!” Trotzdem müssen wir schnell ins Zelt verschwinden, denn Hunde nähern sich mit lautem Gebell. Gerade als wir das Zelt zu machen, sind sie bei uns. Erschrocken setzen wir uns in die Mitte des Zeltes. Die drei Hunde schleichen um uns herum und werden immer lauter. “Keine Angst haben”, sagt Michi und Kyra nickt. Zum Glück verlieren die drei schnell das Interesse und verschwinden wieder. Puh! Somit können wir beruhigt einschlafen. Gute Nacht.


