Tag 68 - Zurück in die Highlands (08.08.2024)

Von Gills nach Bettyhill

Die Sonne lacht zwischen den zahlreichen Wolken am Himmel auf unser Zelt hinab. Wir strecken uns noch einmal kräftig und beginnen abzubauen. Anschließend breiten wir uns auf unserer Plane aus, um etwas zu frühstücken. Dazu gibt es heißen Kaffee. Auch unsere Zeltnachbarin baut langsam ab und wir fangen mit ihr ein Gespräch an. Charlotte wird in Großbritannien auch “Chips” genannt, da die Einheimischen ihren Namen nicht aussprechen können und sie eine Weile in einem Fish & Chips Shop gearbeitet hat. Gebürtig kommt sie aus den Niederlanden, wohnt jedoch bereits seit einigen Jahren in Süd-England. Wir bieten Charlotte etwas heißes Wasser an, das wir noch übrig haben und sie setzt sich mit einem Kaffee in ihrer Parzelle neben uns. Sie ist nun seit drei Wochen unterwegs und beginnt mit ihrer Reise einen ganz neuen Lebensabschnitt. Gemeinsam quatschen wir über alles mögliche und auch sehr private Dinge. Nach einem netten langen Gespräch trennen sich unsere Wege. Charlotte düst mit ihrem Auto an uns vorbei in Richtung Westen. Wir folgen ihr langsam auf dem Eurovelo gegen den Wind in die gleiche Richtung. Hart trifft uns der Wind von vorne und wir erinnern uns daran, wie wir vor über einer Woche im strömenden Regen auf der gleichen Straße hier hoch in den Norden kamen. Unsere Gedanken kreisen um die Erlebnisse und Bekanntschaften auf den Shetlands und Orkneys. Was für traumhafte Tage haben wir auf den Inseln verbracht und welch eine atemberaubende Natur durften wir erleben. Nun sind wir wieder hier und machen uns auf in den Westen. Viele Leute schwärmten von der Westküste in Schottland, weshalb wir voller Vorfreude sind und Motivation schöpfen, gegen den Wind zu kämpfen. Wir fahren an einigen alten und etwas heruntergekommenen Höfen vorbei, bis ohne Ankündigung vor uns eine Straße gesperrt ist. Zum Glück dürfen wir vorbei und werden noch von den Bauarbeitern nett angelächelt. In der Ferne hören wir Feuerwehr und Krankenwagen. Wie das immer so ist, machen wir uns plötzlich beide Gedanken, ob vielleicht Charlotte etwas passiert sein könnte, doch die Fahrzeuge fahren in eine andere Richtung. Hoffentlich auch so nichts schlimmes!

Schnell gelangen wir nach Thurso und fahren weiter durchs Landesinnere. Die Navigation sagt: “17 Kilometer der Straße folgen” und auf den nächsten 17 Kilometern passiert nicht viel, bis vor uns ein Atomkraftwerk auftaucht. Wir biegen jedoch links ab. Was wir nicht genau wussten, unsere Route führt zum Großteil erneut über die NC500. Bereits nach Inverness sind wir dieser begehrten Route gefolgt. Hier im Norden ist der Verkehr jedoch stärker und die Straßen schmaler. Zunächst führt der Radweg auf abgelegenen Straßen unweit der NC500, doch später müssen wir auf die volle Straße. Die Autos sind zum Großteil rücksichtsvoll und somit fühlen wir uns trotz allem sicher. Die Straße führt über Hügel, die mit Heide bewachsen sind und so langsam sehnen wir uns nach einer Pause. Bei der Suche nach einer Toilette treffen wir auf zwei Franzosen, die ebenso nach dieser auf der Suche sind. Die Toilette scheint in 2 km Entfernung zu sein und so entscheiden wir uns alle vier dagegen. Wir wechseln noch ein paar Worte, verabschieden uns und winken einander. Die beiden fahren in die andere Richtung und sind bald am Ziel. Die Landschaft um uns herum verändert sich, sie wird rauer und wir haben das Gefühl tatsächlich wieder in den Highlands angekommen zu sein.

Am Straßenrand sehen wir Schilder, die auf Eis hinweisen und da wir für unsere Verhältnisse schon länger kein Eis mehr hatten, entscheiden wir uns für eins. Als wir einige Minuten nach einem Kampf mit den Midges schleckend in der Hütte vom kleinen Laden stehen, kommen wir darüber ein, dass die Entscheidung die Richtige war. Kyras Milchshake und Michis Eis schmecken richtig gut. Die Inhaberin ist zudem unglaublich nett und lässt uns aufgrund der Midges auch noch nach Ladenschluss im Geschäft stehen, damit wir in Ruhe essen können. Als wir fertig sind treten wir kräftig in die Pedale, um den Midges zu entkommen. Nur ein paar hundert Meter weiter halten wir auf dem Hügel vor Strathy erneut, da unser Hunger noch nicht ganz gestillt ist. Es weht ein leichter Wind und somit sind nur wenige Midges anzutreffen. Wir entscheiden uns für Reis mit Kidneybohnen und Tomatenmark. Als wir alles auspacken stehen unweit von uns zwei andere deutsche aus einem Wohnmobil. Wir kommen ins Gespräch. Inga und Roman fahren die NC500 und wollen als nächstes in Richtung Skye. Als sie sehen, dass wir kochen, macht Inga uns dankenswerterweise Wasser im Wohnmobil warm. Danke! Zudem bekommen wir zwei Kinderriegel zum Nachtisch geschenkt. Die beiden waren bereits viel mit dem Motorrad unterwegs und Roman hätte gerne auch mal so eine lange Tour mit dem Motorrad gemacht. Er findet es gut und richtig, dass wir uns die Zeit nehmen. Die beiden bleiben für heute Nacht hier, wir entscheiden aufgrund eines Schildes, das besagt, dass Zelten verboten ist, jedoch  weiterzufahren. Kurz nachdem wir uns zurück auf Emil und Elias geschwungen haben, fängt es an zu regnen.

Der nächste nette Strand ist jedoch schnell gefunden. Kyra läuft diesen zu Fuß ab und kommt enttäuscht wieder: “Der Strand ist wunderschön, doch kaum Platz und es liegt irgendein großes Gerippe im zulaufenden Bach… Vielleicht ein Schaf…”. Die Aussage gefällt auch Michi nicht und so fahren wir weiter zum nächsten Strand. Hier lassen wir es direkt drauf ankommen und gehen direkt mit den Drahteseln hinunter. Wir finden nur einen kleinen grünen Streifen, der etwas schief ist, aber gerade genug Platz für unser Zelt bietet. Ein weiterer Radreisender hat sein Zelt bereits auf Sand am Strand aufgebaut. Ihn scheint der nasse sandige Boden nicht zu stören. Spike ist einmal von Süd nach Nord durch England gefahren. Morgen erreicht er sein Ziel, alleine. Eigentlich ist er mit zwei Freunden gestartet, doch diese haben aufgehört, die Meilen waren ihnen zu viel. Während die Midges zunehmen und Kyra vor diesen ins Zelt flüchtet, spannt Michi fertig ab und quatscht eine Runde mit Spike über Ausrüstung für lange Radreisen. Doch dann kommt auch er ins Zelt und wir schlafen auf unserer schiefen Ebene ein. Gute Nacht!