Tag 70 - Schneckentempo (10.08.2024)
Von Durness nach Assynt Viewpoint (Kylestrome)
Die Nacht war nicht gut. Immer wieder wurden wir durch den starken Wind geweckt. Das Zelt bewegte sich in alle Richtungen und machte laute Geräusche, denn auch über Nacht hat der Wind nicht wirklich abgenommen. Nun regnet es immer wieder und wir haben eigentlich keine Lust das Zelt zu verlassen, aber hier im starken Wind weiter stehen, ist auch keine Option für uns. Also quälen wir uns raus und auf die Drahtesel. Unsere Hoffnung besteht darin, dass es im Landesinneren etwas Windstiller ist. Doch zunächst kommt der Wind genau von vorne. Bei Böhen werden wir immer wieder nach links oder rechts gedrückt, weshalb wir etwas mittig auf der Straße fahren müssen. Die Straße ist jedoch eine Single track road mit passing places, wodurch wir mit dem Verkehr sehr Achtsam bleiben müssen. Sobald ein Auto hinter uns ist, fahren wir in den nächsten passing place und lassen das Auto überholen. Auch entgegenkommende Fahrzeuge lassen wir so vorbei. Jedes Mal heben wir, solange der Wind es zulässt, die Hand zum Danke sagen. Diese Art der Straße führt uns eine mehrere kilometer lange Steigung empor. Durch das ständige Ausweichen, den Regen und den starken Wind auf der Steigung brauchen wir ewig. Die Aussicht ist jedoch schön und wir vertreiben uns die Zeit indem wir uns die entgegenkommenden Fahrzeuge genau betrachten. Bei deutschen Kennzeichen erraten wir zum Beispiel Nummernschilder. An einem passing place warten zwei Kölner auf uns. Als wir vorbeifahren haben sie das Fenster unten. Sie nennen uns „verrückt“ und Michi ruft: „Folgt uns auf drahteselzeit.de“, Kyra bedankt sich höflich fürs Warten.
Die Auffahrt geht weiter und weiter, bis wir auf einer Ebene flach dahin fahren und die rasante Abfahrt bevorsteht. In Rhiconich sehen wir öffentliche Toiletten und machen eine Pipipause. Zudem versuchen wir unsere vom Regen und Schweiß nassen Schuhe am Händelüfter zu trocknen. Nach ein paar Snacks, bei denen wir zwei Personen, die via Anhalter reisen beobachten, geht es auch schon weiter. Unser nächstes Ziel ist Scourie, da es dort einen Supermarkt gibt. Während wir weiterfahren wird das Wetter besser. Wir fahren mitten durch die Berge mit traumhaften Ausblicken. In Scourie angelangt nutzen wir erneut eine öffentliche Toilette und füllen unser Wasser auf. Anschließend fahren wir die letzten Meter zum Supermarkt. Kyra geht einkaufen und findet ein paar Kleinigkeiten für diese und den nächsten Tag sowie ein großes Eis zum Löffel. Freudestrahlend kommt sie aus dem Shop und zeigt Michi das Eis. Zwei Motorradfahrer bemerken, dass wir deutsch reden und gesellen sich zu uns. „Wir sehen ja immer Radreisende und sind fasziniert. Was treibt euch eigentlich an so etwas zu tun? Bei all den Bergen und dem Wind?“ fragt die Motorradfahrerin. Wir erzählen kurz von unserer Tour und unserer Motivation. Die beiden entscheiden sich schnell einkaufen zu gehen und sich dann dazuzusetzen. Der Mann erzählt uns, dass er vor kurzem seinen Job gekündigt hat, da er kurz vor dem Burn-Out gestanden hat. Nun sind sie beide erstmal arbeitslos und haben Zeit etwas länger mit dem Motorrad unterwegs zu sein. Doch zu lange geht es nicht, Verpflichtungen zu Hause rufen nach spätestens drei Wochen. Ihr nächstes Ziel ist nun in Richtung Süden zu fahren und die Isle of Skye zu besuchen. Wir tauschen uns über allerhand Sachen aus, doch vergessen nach ihren Namen zu fragen. Mit Blick auf die Uhr stellen wir fest, dass wir langsam weiter müssen. Auf den ersten Metern hört eine Frau auf dem Fußgängerweg uns reden und ruft auf deutsch: „Gute Fahrt“, wir lachen und bedanken uns. Kurze Zeit später überholen uns die beiden Motorräder. Wir winken erneut. Unsere Straße führt uns weiter durch die Highlands.
Wir sehen schroffe Felsen und Inseln in Seen, Wald sowie Wasserfälle. Es ist einfach unbeschreiblich schön und der Wind ist tatsächlich angenehmer geworden. Nach einigen Kilometern erreichen wir einen Aussichtspunkt unweit von Kylestrome. Am Rande des Parkplatzes steht eine Bank und eine kleine Wiesenfläche, perfekt für unser Zelt, befindet sich vom Felsen windgeschützt daneben. Auf dem Parkplatz steht lediglich ein niederländisches Wohnmobil, aus welchem es nach Pfannkuchen duftet. Als wir gerade mit dem Zeltaufbau beginnen kommt der Besitzer samt Hund von einem Spaziergang zurück.
Er fragt uns: „Ist es harte Arbeit die Berge hoch und runter zu fahren! „, wir bejahen und erklären, dass der Wind unser Hauptproblem ist. Kurz quatschen wir über unsere Tour und lernen noch seine Frau kennen. Er erzählt ihr sofort aufgeregt und begeistert unsere ganze Route. So nett! Dann müssen die beiden schnell rein essen und wir bauen auf, bevor der Regen kommt. Als wir gerade fertig sind kommt der Niederländer auf uns zu und bietet uns einen Tee an. Das können wir natürlich nicht ablehnen und nehmen in dankbar an. Dazu bekommen wir noch 4 Kokos-Macronen geschenkt. Beides genießen wir bei Regen als Vorspeise im Zelt, während im Außenzelt Brokkoli und Eiernudeln vor sich hin kochen. Dazu kippen wir eine asiatische Soße und braten alles an. Wirklich lecker! Wir sind rundum zufrieden, es sind keine Midges da und wir stehen windgeschützt. Perfekt, wären da nicht… „Zecken“, ruft Michi. „Schon wieder ganz viele Kleine“, ergänzt er. Wir suchen uns eine Weile ab und so ungern wir Tiere einfach töten, müssen wir es bei den Zecken machen. Michi entdeckt, dass unser elektronisches Feuerzeug die Zecken in einer Sekunde verbrennt und wir entfernen einige von uns, unseren Anziehsachen, der Isomatte und aus dem Schlafsack. Wir versuchen die Zecken zu vergessen und verlassen das Zelt nochmal kurz für Pipi und Zähneputzen. In diesem Moment kommt ein Auto auf den Parkplatz. Die ebenfalls zwei deutschen werden von uns und dem Niederländer nett begrüßt. Auch Ihnen erzählt der Niederländer aufgeregt von unserem Vorhaben, als wir bereits zurück im Zelt sind. So nett! Uns fallen nun erschöpft die Augen zu. Gute Nacht.