Tag 75 - Hoch hinauf auf Harris (15.08.2024)

Von Aline Community Woodland nach North Uist

Als wir erwachen ist es in unserer kleinen Hütte bereits hell. Der Wind scheint nachgelassen zu haben, denn die Bäume um uns herum biegen sich längst nicht mehr so im Wind, wie gestern Abends. Der Himmel ist grau und nur vereinzelt können wir kleine blaue Stellen am Himmel erblicken. “Michi, lass uns lieber schnell die Schlafsachen einpacken und dann frühstücken”, sagt Kyra in Sorge, dass bereits am frühen Morgen jemand in die Hütte kommt. Wir packen zusammen, gehen auf Toilette und machen uns Müsli. Als wir gerade fertig mit einpacken sind, kommt ein Pärchen auf den Spielplatz und sucht die Toilette. Wir schieben die Drahtesel aus der Hütte heraus und rollen langsam den Weg hinunter. Dabei wird uns noch einmal bewusst, was für ein Glück wir gestern hatten, diese Hütte gefunden zu haben. Etwas überrascht schauen wir auf den Parkplatz, als wir durch das Tor zur Straße gehen. Mindestens 10 Autos stehen hier und sind leer. Wahrscheinlich nutzen viele den Wald mit Bretterpfad für eine Wanderung. Wir hingegen schwingen uns auf die Esel und während wir die ersten Meter fahren, werden die blauen Stellen am Himmel größer, bis schließlich die Sonne hindurch scheint. In Ath Linne haben wir über den Loch einen wunderschönen Blick aufs offene Meer. Dabei entdecken wir komische Wasserfahrzeuge, die sich ihren Weg durchs Wasser suchen. Was es mit ihnen auf sich hat, wissen wir nicht. Sie sehen ein bisschen aus, wie Traktoren-Tretboote. Bevor wir uns den Booten jedoch genauer widmen können, macht unsere Straße ein Knick und die erste Steigung beginnt.

Nach zwei Kurven geht es mit plötzlichen Rückenwind den Berg hinauf. Der Wind schiebt uns förmlich und als wir für einen Moment selbst kräftig treten müssen ruft Michi: “Mehr Rückenwind” und der Wind frischt tatsächlich nochmal auf. Nach ca. einen Kilometer macht unsere Straße jedoch erneut eine Kurve und der Wind kommt wieder von vorne. Hier oben ist er noch stärker als im Tal und wir müssen jeweils unseren Lenker fest halten. Weiter geht es hinauf während der Himmel sich bedrohlich dunkel färbt. Kurz nachdem wir uns gegen unsere Regenkleidung entschieden haben, fängt es an zu tropfen, doch wir haben Glück, es bleibt bei den wenigen Tropfen Regen. Mit einer großartigen Aussicht kämpfen wir uns gegen den Wind. Zwischen zwei Bergen pfeift dieser besonders und wir müssen aufpassen gerade zu fahren. Die festen Böhen drücken einen gut zur Seite.

Am höchsten Punkt angelangt, kommt uns ein anderer Radreisender entgegen. Auch er hat seine Steigung geschafft, doch guckt er ziemlich genervt und mitgenommen, als wir ihm Grüßen. Er grüßt kurz zurück und scheint sein Glück gar nicht wahrzunehmen. Im Gegensatz zu uns fuhr er die gesamte Steigung mit starken Rückenwind empor. Uns bremst genau dieser Wind nun bei der Abfahrt weiter ab. Mit ganzen 10 km/h, trotz Treten, fahren wir hinab in Richtung Tarbert. Ursprünglich hatten wir geplant bereits ab Tarbert die Fähre nach Skye zu nehmen. Kurz denken wir auch nochmal darüber nach, da der Gegenwind so herausfordernd ist. Aber, wir bleiben bei unserer Entscheidung und fahren weiter in Richtung Süden auf den äußeren Hebriden.

Als wir in Tarbert ankommen, besuchen wir einen kleinen Einkaufsladen, der kleiner als ein “Tante Emma” laden scheint. Für wenige Sachen, wie Waps, Salat, Edamamesalat, Wurst, Cola und Schokolade zahlen wir über 20 £. Ganz schön teuer… Aber es hilft nichts, die “Supermärkte” sind hier alle klein und teuer. Wir suchen uns draußen eine Bank in der Sonne mit Blick auf den Hafen und belegen unsere Waps. Anschließend gibt es Nachtisch. Die ganze Zeit können wir dabei auf die Straße gegenüber schauen, die unseren weiteren Weg darstellt. Diese beginnt ziemlich steil und ist nur der Anfang unseres nächsten Hügels. Aber auch das werden wir schaffen, da sind wir uns mittlerweile sicher. Als wir aufgegessen haben, geht es weiter. Wir bezwingen den starken Anstieg und werden sogleich mit einem schönen Ausblick belohnt. Mit erneut drückendem Gegenwind geht es weiter empor. “Guck mal Kyra! Da vorne ist Skye!” ruft Michi freudig überrascht. Und tatsächlich über die kleinen Felsen und Seen hinweg, liegt weit im der Ferne, die Insel Skye. Auf die Entfernung ist es so diesig, dass wir die Insel nur erahnen können. Majestätisch türmt sie sich, wie ein großer Felsen aus dem Meer empor. Bei diesem Anblick und dem Gedanken, dass wir in ein paar Tagen dort radeln, wird uns ein bisschen anders. Für heute haben wir jedoch erstmal unsere langen Anstiege geschafft. Vor uns erstreckt sich ein wunderschöner Sandstrand, in welchen große Wellen gepresst werden. Wir umrunden die Buchtung und bekommen ordentlich Regen, durch einen Schauer ab. Zum Glück ist durch den Wind alles schnell getrocknet. Zunächst sind wir durch die Wellen und die Vermischung von Salzwasser mit Sand beeindruckt, bevor etwas anderes unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht. Links von uns stehen einige große wunderschöne Häuser, fast schon Villen. Wir sind plötzlich in einer sehr reichen Gegend angekommen. Die schicken Häuser unterscheiden sich stark von den sonst so langweilig verputzten britischen. Hier sind die Häuser mal mit Holz verkleidet oder haben riesigen Fensterscheiben zum Meer herausgerichtet. Andere Häuser fügen sich halb in den Berg hinein. Die Dächer sind mit Rasen bewachsen und die Wände sind geschwungen. Aus einem Haus winkt uns ein Mann, als wir gerade am Golfplatz von Harris vorbeifahren. Wir winken zurück. Plötzlich hält Michi an und hebt etwas vom Boden hinauf: “Das ist ein Original, den schenke ich meinem Vater” und wir fahren weiter. Die Zeit und Kilometer vergehen trotz Gegenwind schnell und als wir eine Kurve passieren, staunen wir nicht schlecht. Erneut werden wir vom Wind nach vorne gedrückt und dürfen für circa 3 km Rückenwind genießen. So erreichen wir den Fähranleger von Leverburgh schneller als gedacht und haben noch knapp eine Stunde Zeit, bis die Fähre nach Borve starten soll.

Passend, dass sich gleich neben dem Fähranleger eine kleine Brauerei befindet. Diese braut genau zwei Biere, die wir auf der Sonnenterrasse mit Blick auf den Fähranleger genießen. Nach dem Bier füllen wir unsere Wasserflaschen auf und können direkt auf die Fähre durchschieben, die in der Zwischenzeit angelegt hat. Das hat zeitlich perfekt gepasst. Die Überfahrt nutzen wir, um zumindest in einer Powerbank wieder ein bisschen Strom zu haben, denn alle Powerbanks sind komplett leer. Der Strom wird uns somit, trotz kurzem Aufladen, spätestens morgen ausgehen. Auf der Insel Borve angekommen ist es bereits spät. Wir suchen einen weiteren kleinen Laden auf, in der Hoffnung, dass dieser günstiger ist als Der letzte. Doch auch hier ist es unglaublich teuer, weshalb wir nur aus Höflichkeit und Hunger eine Kleinigkeit kaufen. Für Michi gibt es ein Bier von der Orkney Brauerei und für Kyra Chips. Anschließend geht es über einen kleinen Damm zur nächsten Insel. Auf der Insel North Uist haben wir uns einen Strand herausgesucht, an welchem wir übernachten wollen. Die letzten 8 Kilometer bis dort fordern uns jedoch sehr. Wir sind müde und wollen nur noch ankommen. Der stetige Gegenwind macht uns fertig, da hilft selbst das Reh bei den Kühen und die Rothirsche in der Ferne nicht weiter. Das Reh wird von zwei Kälbchen neugierig beobachtet, wie es uns beobachtet. Als es verunsichert zur Seite läuft, laufen die Kälber hinterher. Wir biegen rechts ab und könnten plötzlich fast in einem Horrorfilm gelandet sein. Die Sonne vor uns geht unter und schiebt sich langsam hinter große Gewitterwolken. Die letzten tiefen Strahlen treffen auf einen Friedhof, der stumm in der endlosen kargen Landschaft steht. Auf einem der schiefen Grabsteine sitzt ein Rabe und kräht. Dabei bewegt er seinen Oberkörper nach vorne. Auf der anderen Seite des Weges kommt ein Adler rasant angeflogen und schnappt sich das gerade noch hoppelnde Kaninchen, welches in seinen Klauen noch kurz zuckt… Was für ein Schauspiel… Es wäre und eiskalt über den Rücken gelaufen, wenn sich nicht vor uns der riesige beeindruckende Sandstrand, an dem bereits einige Vans und Wohnmobile stehen, erstrecken würde. Der Sand ist weiß und das Wasser türkis. Obwohl wir bereits einige solcher Strände gesehen haben, fasziniert es uns immer wieder. Zum Glück finden wir einen halbwegs windgeschützten Bereich, in dem wir das Zelt aufbauen. Die Drahtesel kommen als kleine “Wand” hinter das Zelt auf die Windseite und werden zur Sicherheit ebenfalls von Michi angespannt. Während wir aufbauen, spricht uns ein Mann mit seiner Frau an, dass der Strand traumhaft wäre. Als die beiden verschwunden sind, sind wir uns einig, dass dies aufgrund der Aussprache ein Deutscher gewesen sein könnte und tatsächlich, die beiden gehen zum deutschen Van. Kyra läuft für ein kurzes Gespräch kurz hinterher und kommt nach einigen Minuten wieder, als Michi das Zelt bereits fertig aufgebaut hat. Nun machen wir schnell essen. Es gibt Eiernudeln mit Zucchini, Knoblauch und Kokosmilch. Als das Essen fertig ist, ist es bereits dunkel. Wir essen schnell auf und fallen müde ins Bett. Gute Nacht!