Tag 78 - Old man of Storr (18.08.2024)

Vom Old man of Storr zu den Fairy Pools

Unser Zelt stand über die Nacht relativ windgeschützt auf der kleinen Anhöhe am Parkplatz. In der Nacht hat es geregnet, der Morgen ist eiskalt und der Himmel strahlt grau über uns. Schnell packen wir alles zusammen, denn wir wollen den Tag mit einer Wanderung zum Old man of Storr beginnen. Die Fahrräder werden fertig gesattelt, sicher bei den Fahrradständern verstaut und schon kann die Wanderung beginnen. Es führen zwei Wege hinauf, ein steilerer kürzerer und ein flacherer längerer. Wir entscheiden uns für den kürzeren Weg und merken auf den ersten Metern, dass unser Fitnesszustand seit unserem Start im Juni deutlich zugenommen hat. Ohne Schnappatmungen zu bekommen, gehen wir in relativ schneller Geschwindigkeit den Berg hinauf. Die Aussicht auf die Landschaft hinter uns wird mit jedem Schritt atemberaubender. Die grünen Felsen scheinen fließend ins blaue Meer überzugehen. Was für ein Ausblick! Zudem zieht die Wolkendecke auf und die Sonne zeigt sich. Doch wir sollten lieber auf unsere Füße gucken, denn der Untergrund wechselt von einem Schotterweg zu einem Weg, der mit großen Steinen bedeckt ist. Ein falscher Schritt und der Fuß könnte umknicken. Mit einiger Konzentration geht es weiter. Kurz vor dem Ziel wird der Weg schmaler und wir müssen immer mehr Rücksicht auf entgegenkommende Personen nehmen. Dabei hören wir ganz unterschiedliche Sprachen. Mal wird neben uns französisch, dann italienisch und zwischendurch chinesisch und japanisch gesprochen. Der Tourismus auf der Insel Skye ist somit gefühlt internationaler, als jede andere Ecke in Großbritannien. Wir hören auch viel deutsch und niederländisch sowie natürlich englisch. Oben angekommen hat sich eine kleine Schlange gebildet, damit jede Person ein Foto vom Old man of Storr machen kann. Belustigt beobachten wir das Verhalten der wartenden Menschen. Einige reihen sich brav ein und andere scheinen die Schlange gar nicht zu bemerken. Wieder andere sehen die Schlange und drängeln sich offensichtlich nach vorne. 

“Gut, dass wir im Urlaub sind und Zeit haben”, stellen wir mit einem neben uns wartenden deutschen Paar fest. Als wir an der Reihe sind, machen wir gegenseitig voneinander Fotos. Karin und Klaus waren ein Jahr in Kanada. Aus diesem Grund können sie unser Fernweh sehr gut nachvollziehen und freuen sich mit uns. Wir reden eine kurze Weile über ihre und unsere Reisen. Als Kyra erzählt, dass wir unser Trinken unten vergessen haben und wir etwas vom schönen Wetter überrascht wurden, bekommen wir eine kleine Flasche Sprudelwasser geschenkt. Wir freuen uns sehr, trinken wir doch meist nur stilles Leitungswasser. Was für eine willkommene Abwechslung! Danke! Unsere Wege trennen sich, als wir entscheiden, zurück zu unseren Drahteseln zu wandern. Der Weg bergab geht doppelt so schnell wie bergauf. Bei Emil und Elias angelangt, hat sich ein drittes Fahrrad neben sie gesellt, doch vom Fahrer ist keine Spur. Da wir am Morgen nicht gefrühstückt hatten und es mittlerweile nach 10 Uhr ist, knurren unsere Mägen laut. Wir haben Hunger!

Michi hat die Idee, aus dem restlichen Mehl ein Brot auf unserem Kocher zu Backen. Eine ganze Weile sitzt er da und rührt die Zutaten zusammen, während Kyra Blog schreibt. Durch den kalten Wind, wird uns immer kälter und wir ziehen einige Jacken drüber. Kurz bevor der Teig fertig für den Versuch ist, kommt der Besitzer des dritten Fahrrads hinzu. Er war ebenfalls auf der Wanderung zum Old man of Storr. Julien kommt aus Frankreich und es ist seine erste größere Radotur außerhalb Frankreichs. Morgen möchte er die Fähre zu den äußeren Hebriden nehmen. Er freut sich sehr über sein Glück, bereits seit Tagen Rückenwind zu haben und auch diesen auf den Hebriden erwarten zu können. Auf der anderen Seite hat er ein bisschen Mitleid mit uns. Nachdem er sich ebenfalls etwas wärmer eingepackt hat, ist er startklar und wir widmen uns wieder dem Teig zu. Schnell wird deutlich, das wird nichts… Das Brot im Inneren bleibt teigig und die äußere Kruste verbrennt. Mist. Aber wir werden kreativ und so gibt es halt Brotfladen. Diese schmecken richtig gut und in kurzer Zeit ist das ganze Brot bzw. alle Brotfladen aufgegessen. Nun kann es endlich los gehen. Wir schwingen uns auf Emil und Elias und treten kräftig gegen den Wind. Dabei sind wir mittlerweile den Gegenwind mehr als satt. Nach wenigen Kilometern halten wir, da ein anderer Radreisender am Straßenrand steht. Arne aus Hamburg hat genauso viele Taschen an seinem Fahrrad, wie wir. Sie sind etwas kleiner und dadurch hat er etwas weniger Gewicht dabei, doch er versteht uns gut. “Vor ein paar Tagen habe ich mit anderen Bikepackern zusammen an einer Stelle übernachtet. Am nächsten Morgen fragten sie mich, ob ich auch so gefroren hätte. Wir hatten es 10 °C! Es ist viel zu warm zum Frieren. Da nehme ich doch lieber einen schwereren Schlafsack mit, als zu frieren. Ich verstehe das nicht. Da fahre ich lieber ein paar Kilogramm mehr auf meinem Fahrrad durch die Gegend.” erzählt Arne. Wir stimmen ihm zu. Auf unsere warmen Schlafsäcke oder die Regenkleidung möchten wir auf gar keinen Fall in Schottland verzichten. Und auch mit den Kilometern sieht er es ähnlich. Arne fährt am liebsten 60 km und möchte eigentlich gar nicht mehr am Tag radeln. Heute muss er allerdings 70 km fahren, da er sich aufgrund des anstehenden Regens eine Jugendherberge gegönnt hat. Bereits die letzte Nacht hat er in der Nähe unseres heutigen Ziels in einer Jugendherberge verbracht: “Auf der Straße dorthin bzw. zu den Fairy Pools war so viel los. Ich stand gestern im Stau! Und neben der Straße ist bestimmt 1 m breit eine Schlammspur, da der Weg eine Single Track Road ist. Doch die Straße nach Portree ist wunderschön. Nehmt ihr diese in Richtung Osten?” Mit einem Blick auf Michis Handy stellen wir fest, dass wir genau die Straßen fahren, die er beschreibt. Wir sind gespannt. Und dann stellen wir noch fest, dass wir kurz vor Durness alle drei Kate aus Australien getroffen haben. Wir fragen uns, wo sie wohl heute ist und wie es ihr geht, während wir uns verabschieden und uns alle drei auf unsere Drahtesel schwingen. “Vielleicht sehen wir uns ja an der Fähre zurück zum Mainland. Tschüüsss!” rufen wir uns zu. Freudig stellen wir fest, dass es nun erstmal bergab geht. Der Gegenwind bremst uns ein bisschen, doch wir können einiges an Geschwindigkeit aufbauen. Portree erreichen wir somit schnell und kaufen etwas bei Co-op ein. Darunter ist auch ein Eis, welches wir mit dem Ausblick auf den Hafen von Portree genießen.

Die Stadt ist nach dem Eis schnell verlassen und wir erreichen die von Arne beschriebene Verbindungsstraße nach Osten. Die ersten Anstiege sind mit dem heutigen Gegenwind zwar kurz, aber richtig heftig. Mit hohen Prozentsteigungungen kommen wir in unseren Regenklamotten gut ins Schwitzen. Der Himmel ist jedoch so grau und zwischendurch fallen immer wieder ein paar Tropfen, sodass wir die Regensachen anbehalten. Nach einigen Kilometern verstehen wir jedoch, warum Arne diese Strecke als besonders schön beschrieben hat. In der Ferne ragen hohe Berge in die Luft und die Umgebung ist grün, blau und lila. Wenn für kurze Zeit sich die Sonne durch das Wolkendach bahnt, werden die schönsten Lichtspiele deutlich. Die verschiedenen Ebenen der Berge leuchten dann grün und lila von der Heide, während die Ebene dahinter im Schatten bleibt. Es ist einfach wunderschön. Kurz vor der Abfahrt am anderen Ende der Insel angelangt, sehen wir Klippen und Wasserfälle. Wahnsinn! Nach der Abfahrt zum Meer, geht es einen weiteren Hügel empor und wieder runter. “Hier müssen wir morgen nach Talisker links”, stellt Michi fest: “Nun geht es für die nächsten Kilometer nur noch bergauf und dann sind wir da”. Bereits erschöpft und müde quälen wir uns den letzten langen Anstieg empor. Der Anstieg wird immer wieder von geraden Stellen oder kleinen Abfahrten unterbrochen. Selten kommt ein anderes Auto oder Wohnmobil vorbei, welches uns passiert oder überholt. “Vielleicht haben wir Glück, dass wir wieder mal so spät dran sind. Es ist fast nichts mehr los auf der Straße”, stellt Kyra fest. Wir befinden uns auf der Zufahrt zu den Fairy Pools, auf welcher Arne gestern im “Stau” stand. Nach einiger Zeit können wir die kaputten Seitenstreifen sehen, von denen er gesprochen hat. Breite Schlammstreifen befinden sich neben der Straße. Diese werden von den Autos und Wohnmobilen genutzt, um auf der Single Track Road aneinander vorbei zu kommen. Die meisten Passing Places sind nicht asphaltiert, sondern weisen eher einen sehr schlechten Zustand aus Schotter oder Schlamm-/Rasenflächen auf. Nach einigen Kilometern fährt ein Auto an uns vorbei, lässt die Scheibe runter und sagt: “You’re almost there!” Wir lächeln im entgegen. Und tatsächlich. Nach weiteren 3 Kilometern ist es geschafft. Vor uns erstreckt sich ein gewaltiger Berg. Wir haben das Gefühl, dass dieser wie eine Wand vor uns empor ragt. Die Sonne scheint ihn von hinter uns an und er wirkt fast magisch orange-rot. Neben uns breitet sich ein mystischer Nadelwald aus und der Rest der Landschaft besteht aus Moor und Heide. Erneut kommen wir aus dem Staunen über die fantastische Natur nicht heraus, doch wir werden unterbrochen, denn ein Auto überholt uns knapp. “Was zur Hölle!” entfährt es Kyra. “Die riskieren unser Leben! Sind die bekloppt!” ruft sie laut. Nicht unweit von uns drehen sich zwei Fußgänger um. Anscheinend haben sie uns verstanden und Kyra sagt etwas leiser und schüchtern: “Entschuldigung”. Wir alle vier grinsen und die knappe Überholung des Autos ist schnell vergessen.

Mit Emil und Elias fahren wir auf den ersten Parkplatz, welcher voll von Autos und Campern ist. In der Mitte befindet sich ein sehr nasser Grünstreifen, auf welchem Zelten zwar möglich, aber dreckig und nass ist. Aus diesem Grund entscheiden wir uns, dass wir zum zweiten Parkplatz hinab fahren. Dadurch besteht das Risiko, dass wir vielleicht wieder hinauf müssen, sollten wir dort nichts finden. Schnell sind die beiden Fußgänger von soeben eingeholt. Die beiden kommen aus Köln und sind mit ihrem Auto hier. Olli und Emma sind auf dem Weg zum zweiten Parkplatz und möchten dort die öffentliche Toilette aufsuchen. Wir schließen uns ihnen an. Die öffentliche Toilette hat jedoch bereits geschlossen und ein Platz zum Zelten finden wir auch nicht. Ein Schild weist darauf hin, dass over night parking verboten ist. Auch wenn wir nicht parken, wäre uns damit etwas unwohl. Somit gehen bzw. fahren wir vier erneut zusammen bergauf. “Oh, war es bergab schon so steil?” lacht Emma und auch Kyra fragt sich das beim festen Treten in die Pedale. Während wir dem ersten Parkplatz immer näher kommen, erzählen wir den beiden von unserer Tour und wir tauschen uns aus. Emma studiert in Köln Erziehungswissenschaften und Olli ist aktuell auf der Suche nach einem neuen Studium. Es ist spannend den beiden zuzuhören, da wir die Situationen noch gut nachvollziehen können. Kyra bezeichnet häufig ihr Studium als die beste Zeit ihres Lebens, abgesehen natürlich von den Radreisen. Trotzdem sind wir beide froh, dass wir die Zeit hinter uns haben und denken gleichermaßen gerne zurück. Erschreckend, wie schnell die Zeit vergeht. Am Parkplatz angekommen machen die beiden sich Abendessen und wir bauen schnell unser Zelt auf, bevor auch wir noch eine Kleinigkeit im Zelt essen. Gute Nacht!