Tag 80 - Hogwarts Express (20.08.2024)
Von Mallaig nach Trioslaig
Als wir morgens aufwachen, regnet es noch immer, doch der Regen lässt langsam nach. Wir warten noch ein bisschen im warmen Schlafsack ab und haben Glück, der Regen hört nach wenigen Minuten ganz auf. Jetzt heißt es, schnell alles einpacken, damit wir nicht in den nächsten Regenschauer geraten. Kurz bevor wir alles auf Emil und Elias verstaut haben, kommen ein paar Tropfen hinunter, doch ein richtiger Schauer bleibt aus. Erstaunt bewundern wir den Himmel, denn die dunklen Wolken ziehen an uns vorbei und die Sonne kommt hervor. “Was haben wir für ein Glück!”, stellt Kyra fest. Wir schwingen uns auf die Drahtesel und fahren los. Auf den ersten Kilometern hält sich das Wetter gut. Wir fahren einige Steigungen hoch und wieder runter, wobei wir ab und zu einen Blick auf das Meer erhaschen können.
Gegen Mittag knurren unsere Mägen so sehr, dass wir uns für eine kleine Pause entscheiden. Bisher sind wir nur der Hauptstraße gefolgt und so müssen wir auf eine Parkbucht warten. Als die nächste Parkbucht erscheint, zögern wir nicht lange und lenken in diese. Leider gibt es keine Bänke oder Tische, sondern lediglich zwei größere Steine, auf welche wir uns setzen. Es soll Nudeln mit Brokkoli und Soße geben, doch unser Wasser ist ziemlich knapp. Neben uns steht ein Wohnmobil und wir entscheiden uns, nach Wasser zu fragen. Im Wohnmobil trinken vier Jungs mit ihrer Mutter gerade einen Tee. Sie haben leider selbst nicht so viel Wasser dabei, aber geben uns gerne circa einen halben Liter ab, da sie in der nächsten Stadt nachfüllen können. Wir freuen uns und bedanken uns. Der halbe Liter reicht prima zum Kochen. Kurz bevor die Nudeln fertig sind, fährt das Wohnmobil davon und es fängt an zu regnen. Aus diesem Grund beeilen wir uns mit dem Essen und steigen schnell wieder auf Emil und Elias um nicht zu kalt zu werden. Es regnet immer heftiger und schnell hält unsere Regenkleidung kaum noch stand. “Meine Schuhe sind nass”, stellt Michi verärgert fest. “Meine auch…”, antwortet Kyra und kurz darauf hören wir in der Ferne etwas, was uns an eine Dampflok erinnert.
Tatsächlich! Hinter den Bäumen sieht Kyra gerade noch einen alten Zug verschwinden sowie eine große Wolke. “Mist, ich hatte gehofft, dass wir den beim Viadukt sehen.”, sagt Michi mit einem Blick zu Kyra gerichtet. Das Glenfinnan-Viadukt ist ein Eisenbahnviadukt auf dem Abschnitt zwischen Fort William und Mallaig. Bekannt ist es insbesondere aus den Harry Potter Filmen, da der Hogwarts Express das Viadukt passiert. Kyra ist mit den Büchern und Filmen groß geworden, weshalb sie sich freut einen Harry Potter Drehort zu sehen. “Das ist nicht schlimm Michi”, sagt Kyra jedoch lächelnd: “Ich habe ihn ja gesehen und so wichtig ist es auch nicht.” Als Kyra den Satz gerade fertig gesagt hat, weist ein großes leuchtendes Schild darauf hin, dass Parken am Straßenrand verboten ist. Die Parkbuchten, die nun am Straßenrand folgen sind alle voll und desto näher wir Glenfinnan kommen, desto stärker wird der Verkehr. Überall laufen Menschen herum und Autos suchen Parkplätze. Es ist unglaublich, was für ein Massentourismus hier plötzlich aus dem Nichts erscheint. Auf dem Parkplatz zum Viadukt stehen Einweiser, die Autos beim Parken helfen. Durch den Regen haben sich große Pfützen gebildet, manche Straßenabschnitte und Parkplätze stehen komplett unter Wasser. “Michi? Wenn der Parkplatz immer voller wird, dann haben wir doch vielleicht Glück und der Zug fährt zurück?” fragt Kyra. Wir suchen einen Fahrradstellplatz und als wir gerade einen gefunden haben, laufen zwei offensichtliche Harry Potter Fans an uns vorbei. Die beiden Frauen tragen einen Gryffindor-Schal und unterhalten sich auf deutsch. Kyra fragt sie, wann der Zug kommt. “In circa 20 min”, antworten die beiden. Michi entscheidet sich aufgrund der Menschenmenge lieber bei den Drahteseln zu bleiben und Kyra geht mit der Kamera ausgestattet zum Viadukt. Der Regen nimmt erneut zu und kurz bevor die 20 Minuten vorbei sind, kommen an Michi erste Personen vorbei, die keine Lust mehr haben, im Regen zu warten. Doch plötzlich hören wir beide an unseren unterschiedlichen Standorten das Geräusch einer Lok und sehen den Rauch in der Ferne. Kyra versucht trotz starkem Regen die Szenerie als Foto festzuhalten und läuft zu Michi zurück. Das ist gar nicht so einfach, denn der Schotterweg in Richtung Viadukt ist mittlerweile nicht nur schlammig, sondern steht vollständig unter Wasser. Wie gut, dass die Schuhe eh bereits von innen nass sind. Auf unserer Navigationskarte entdecken wir beim Losfahren, dass nur wenige Meter weiter ein Trinkwasserbrunnen ist. Perfekt, denn wir benötigen dringend weiteres Wasser. Direkt an der Einfahrt zum Parkplatz finden wir einen blauen Wasserspender von Scottish Water. Schnell sind alle Flaschen befüllt.
Nun müssen wir noch die Toilette neben dem Shop aufsuchen und fahren weiter. Der Regen prasselt ungebremst weiter und so sind anscheinend die Bäche und Flüsse prall gefüllt. Zu unserer Linken entstehen viele kleine Wasserfälle. Das Wasser sammelt sich neben der Straße und fließt durch kleine Rohre unter der Straße hinweg. Einige Kilometer hören wir das Plätschern und sind von den kleinen Wasserfällen begeistert. Es regnet jedoch weiterhin so stark, dass wir keine Lust haben stehen zu bleiben und ein paar schöne Fotos zu machen. Und dann, verlassen wir nach zahlreichen Kilometern endlich die Hauptstraße. Über eine kleine Brücke auf die andere Seite des Loch Eil. Mit einem Mal ist die Straße flach und wir haben wunderschöne Aussichten auf den vor uns liegenden See. Immer wieder zeigen wir uns gegenseitig perfekte Orte zum Wildcampen, doch wir haben noch nicht genug Kilometer und im Regen können wir eh keinen schönen Abend genießen. Also fahren wir weiter und weiter. Die Single Track Road führt uns weiterhin flach am Loch Eil entlang und kurz nachdem wir den Fähranleger nach Fort William passiert haben und sehen, dass heute keine Fähre mehr fährt, entscheiden wir uns auf Schlafplatzsuche zu gehen. Schnell ist ein schönes Fleckchen neben der Straße und etwas erhöht gefunden, doch Michi entscheidet noch ein paar Meter zu fahren, bevor wir, wie schon so häufig, einen noch besseren Schlafplatz verpassen. Tatsächlich ruft er nach wenigen Minuten Kyra an und beschreibt seine gefundene Stelle. Diese scheint gut geeignet und so rauscht Kyra hinterher. Zwischen einigem Farn und Bäumen befindet sich eine flache Stelle, auf welcher wir das Zelt aufbauen können. Der Boden ist fast überall durchnässt, doch dort scheint es einigermaßen zu gehen. Im Regen bauen wir das Zelt auf und versuchen irgendwie trocken hinein zu kommen. Das ist gar nicht so einfach, wenn die kompletten Anziehsachen durchnässt sind. Kyra legt auf die Isomatten zwei Handtücher aus und wir versuchen uns im Vorzelt einigermaßen auszuziehen. Anschließend trocknen wir uns ab und kriechen sofort in den Schlafsack. Die nasse Wäsche hängt im Vorzelt, doch Hoffnung, dass die Sachen bis zum nächsten Tag trocknen, haben wir nicht. Zum Glück ist uns nicht kalt und so schlafen wir schnell trocken und warm ein. Gute Nacht!