Tag 82 - Seafood Tasting in Oban (22.08.2024)

Kein Fahrtag

Der Regen außerhalb des Hotelzimmers prasselt weiter gegen die Scheibe und immer wieder hören wir einen Baum gegen das Dach stoßen. “Guten Morgen! Das Wetter ist noch immer schrecklich”, stellt Kyra fest. “Zum Glück sind wir hier”, antwortet Michi. Mit einem Blick aufs Handy steht sogar fest, wir dürfen uns um 11:00 Uhr ein Hotelzimmer ein paar Häuser weiter ansehen. Dort ist ein Zimmer für uns frei, doch den Preis wissen wir noch nicht. Wir stehen auf und beginnen die Wäsche auf dem warmen Handtuchhalter, der Badewanne etc. zu drehen. Bereits heute Nacht hatte Kyra die Wäsche einmal komplett gedreht und die elektronischen Geräte zum Laden getauscht. Dadurch ist fast alles trocken und voll geladen. Nur vereinzelte dickere Sachen sind noch nass und das Zelt sowie die Bodenplane. Für diese beiden hatten wir einfach keinen Platz mehr. Wir legen alles trockene zur Seite und packen das Zelt aus. Es ist triefend nass und schwer. Es ist gar nicht leicht das Zelt über die Badewanne zu hängen. Als das erledigt ist, gibt es Frühstück. Wir hatten uns aus Kostengründen gegen das bestimmt super Frühstück im Hotel entschieden und gestern einiges gekauft. Kyra bereitet dies nun auf ihrem Bett vor. Es gibt Brötchen und Croissants, Käse, Wurst, Frischkäse und Avocado, Joghurt mit Cornflakes, klein geschnittene Äpfel, Bananen und Grapefruit sowie süßen Aufstrich. Dazu machen wir uns einen Kaffee und Orangensaft. Was für ein Frühstück! Wir lassen uns Zeit, genießen alles und sind danach komplett voll. Anschließend packen wir alles ein und müssen uns am Ende ziemlich beeilen, pünktlich aus dem Hotelzimmer zu kommen. Doch wir schaffen es und um halb 11 Uhr sind wir mit Packen fertig. Alle Taschen stehen im Flur und müssen nur noch heruntergetragen werden. Carol begrüßt uns herzlich. “Did you sleep well?” fragt sie freundlich. Wir bejahen, denn wir haben richtig gut geschlafen. Wir weisen sie auf den Baum, der ans Dach schlägt hin und sie bedankt sich dafür. Erneut möchte sie uns beim Tragen helfen, doch wir verneinen. Während wir die Taschen raus bringen, scheint sie uns ein Frühstückspaket zu packen, denn als wir gerade die Drahtesel holen wollen, steht sie  mit einer gefüllten Tüte vor uns: “Do you like Croissants? They were left over at breakfast” Dankend nehmen wir an und werfen sogleich einen Blick in die Tüte. Neben Croissants befinden sich in dieser auch Schinken, Marmelade und Fruchtsäfte. Wir grinsen sie an und bedanken uns mehrmals. Sie freut sich und erzählt, dass wir im alter ihrer Kinder wären und sie sich ein bisschen wie unsere Mutter in diesem Moment fühlt. Wir lachen gemeinsam und kommen nochmal kurz ins Gespräch. Carol ist von unserer Tour fastziniert und speichert sich unsere Internetadresse ein. Dann wird es wirklich Zeit weiterzuziehen. Wir verabschieden uns und gehen ein paar Häuser weiter zum Hotel von Colin. Colin scheint etwas im Stress zu sein, da zwischen Ab- und Anreise alle Zimmer gerade geputzt werden. Wahrscheinlich war ein Tag mit viel Wechsel. Trotzdem empfängt er uns ebenso freundlich und gibt uns einen Schlüssel in die Hand: “Have a look into the room number 7!” Erneut müssen wir zwei Stockwerke nach oben gehen und sind etwas irritiert als wir oben ankommen.

“Sagte er nicht 7?” fragt Kyra Michi irritiert. “Ich dachte 10?” sagt er. Doch auf dem Schlüssel steht die Nummer 8. Aus diesem Grund schauen wir uns Raum Nummer 8 an und sind sehr begeistert. Ein schöner Raum liegt vor uns und der Blick ist zum Meer gerichtet. Das Badezimmer ist ebenso groß und es gibt einen kleinen Zwischenraum, in welchen wir alle Taschen stellen könnten. Wir sind uns sofort einig, klar bleiben wir noch eine Nacht. Also gehen wir runter und geben Colin den Schlüssel zurück. “Have I given you that key?” fragt er irritiert und drückt uns einen neuen Schlüssel in die Hand. Er meinte tatsächlich Raum Nummer 7. Wir laufen erneut hoch und gucken uns den Raum an. Dieser ist zwar etwas kleiner und das Bad nicht neu renoviert, aber nicht hässlicher oder unsauberer. Allein der Meerblick fehlt, aber das stört uns nicht, nach so vielen Nächten allein am Strand mit Luxusblick. Da können wir auch mal zwei Nächte ohne Blick aufs Meer. Als wir erneut unten ankommen, entschuldigt er sich nochmal und gibt uns aufgrund des Fehlers einen Sonderrabatt. Da können wir natürlich nicht nein sagen, aber wir waren uns bereits vorher sicher, dass wir noch eine Nacht bleiben. So freuen wir uns umso mehr. Colin drückt uns noch zwei Packungen Instant Porridge in die Hand und ist nicht weniger um unser Wohl bemüht, als Carol heute morgen. Als Michi bereits die ersten Taschen hoch trägt, zeigt er Kyra noch wo der Whyski steht und sagt, dass wir uns bedienen sollen. Wir sind von Carol und Colin mehr als begeistert. Beide sind so unglaublich freundlich zu uns, obwohl wir insbesondere bei Carol nass und dreckig im Hotel ankamen. Sie hatte mit uns bestimmt mehr Arbeit als mit anderen Gästen, doch hat sie das keineswegs gezeigt. Eher waren sie beide unglaublich freundlich und um unser Wohl bemüht. Colin wird erneut vom Stress eingeholt und ist beschäftigt, während wir alle Taschen nach oben tragen. Als erstes packen wir das noch immer komplett nasse Zelt aus und hängen es über die Dusche. Auch hängen wir alle Anziehsachen, die noch nass sind raus und gehen anschließend in die Stadt, denn wir wollen den von Neele (eine ehemalige Kollegin aus Oldenburg von Kyra) geschriebenen Tipp ausprobieren. Gestern hatte es leider nicht mehr zum Abendessen geklappt, da der Seafood Stand bereits 30 Minuten früher geschlossen hat. Michis Schuhe sind zum Glück auf dem beheizten Handtuchhalter letzte Nacht halbwegs getrocknet, Kyras Schuhe hingegen sind noch komplett nass, weshalb sie sich entscheidet bei gerade einmal 12 °C in Flip Flops zu gehen. Doch als wir raus schauen, staunen wir. Es hat aufgehört zu Regnen und die Sonne bahnt sich ihren Weg durch die dicken grauen Wolken! Bei solchen Aussichten sind wir schnell fertig und stehen nur wenige Minuten später vor der Hoteltür. Der Weg zum Seafood Stand ist nicht weit, doch um kurz nach 12:00 Uhr ist schon allerhand los. Wir reihen uns in die Schlange ein und beobachten das Geschehen. Ein junger Mann steht mit einer großen Kelle an einem noch größeren Topf. Im Inneren sind zahlreiche Miesmuscheln in Wein und Knoblauch. Der Topf dampft und er rührt beständig im großen Kessel. Was für ein Anblick! Zwischendurch schreit er und sein Kollege Nummern in die Menschenmenge. Die entsprechend Wartenden kommen ihnen entgegen und holen ihre Muscheln ab. Eine große Gruppe Asiaten staunt laut über ihr Essen, andere haben nur ein zufriedenes lächeln auf den Lippen. Obwohl die Schlange lang erschien, sind wir unglaublich schnell an der Reihe. Wir wissen noch gar nicht so recht was wir essen sollen und lassen zwei weitere Personen vor. Dann ist die Entscheidung schnell getroffen: Wir nehmen eine große Seafood Platte für zwei Personen, denn wir haben noch nie Hummer, Krebs oder andere angepriesene Meeresfrüchte gegessen. Heute wollen wir es zum ersten Mal probieren, denn die Preise scheinen angemessen und nicht überteuert. Wenn auf der Platte keine Austern drauf sind, wollen wir auch diese anschließend noch für 1,50 € testen. Nachdem wir bestellt haben, gehen wir ein Stück zur Seite und warten. Alle Stehtische sind belegt und bei den Steinen, auf die man sich in der Nähe setzen könnte, lauern die Möwen. Heute möchten wir jedoch einen Kampf mit den Möwen vermeiden und einfach in Ruhe unser Essen genießen. Als unsere Nummer dann aufgerufen wird, haben wir unglaublich Glück. Ein Mann steht mit seiner Tochter auf und wir bekommen genau zwei Plätze am Tisch. Wir manövrieren alles auf den überladenen Tisch und sind heilfroh, dass nichts runterfliegt. Dann kann das Festmahl beginnen. Zuerst werden die noch warmen Kammmuscheln in Butter verspeist. Lecker! Dann folgen kalte Miesmuscheln in Knoblauch-Weißwein-Soße. Lecker! Wenngleich sie uns warm mehr zusagen. So schlemmen wir uns durch Krabben, Garnelen und Langusten hin zum Hummer. Anfangs etwas ungeschickt, adaptieren wir die Techniken der Profis um uns herum. Manche Teile probieren wir und stellen fest, dass sie vermutlich essbar, jedoch nicht wirklich genießbar sind. Unterm Strich bleibt es sehr, sehr lecker. Eine weitere Platte kommt zu den Asiaten und wird unter “Ohhhhh!” und “Ahhhhh!” Rufen komplett verzehrt. Dann wechselt die Tischbelegschaft. Gegenüber nehmen Franzosen Platz und bringen kurz darauf etwa 40 Austern auf Eis mit. Neben uns zur rechten haben US-Amerikaner Platz genommen. Sie haben ebenso Austern und Miesmuscheln. Die Tochter scheint zum ersten Mal Austern zu probieren und verzieht leicht das Gesicht, nachdem ihre Mutter erklärt hatte, worauf sie achten muss und ihren ersten Schluck genommen hat. Die Mutter lacht, schaut uns an und sagt: “They are very good!”. Da wir unsere Platte gerade aufgegessen haben und die Austern hier nicht nur günstig, sondern auch gut scheinen, ist unsere Idee, welche zu probieren, gestärkt. Michi kauft mutig drei Austern. Unser Platz ist in der Zwischenzeit von neuen Gästen gefüllt und somit stehen wir ein paar Minuten später am anderen großen Stehtisch. Wir kontrollieren, wie wir es beobachtet haben, ob das Fleisch von der Muschel gelöst ist und tröpfeln Zitrone über unsere Austern auf Eis. Dann ist es soweit. Kyra traut sich nicht wirklich und somit ist Michi als erstes an der Reihe. Er nimmt einen kräftigen Schluck und die Muschel ist leer. Ohne eine Miene zu verziehen guckt er Kyra an und macht deutlich, dass sie zunächst probieren soll, bevor er etwas dazu sagt. Kyra holt tief luft und probiert. “Urgh… Das ist nicht meins…”, sagt sie leise zu Michi gewandt. Und auch er verzieht das Gesicht: “Gar nicht!” Wir müssen herzlich lachen und Michi schafft es irgendwie noch seine zweite Auster zu essen. Dieses Erlebnis wird uns wohl eine Weile in Erinnerung bleiben. 

Wir stehen auf und machen uns auf den Weg zu Lidl. Dort kaufen wir noch etwas für heute Abend und die nächsten Tage, bevor uns der Weg wieder zurück führt. Auf dem Rückweg schauen wir uns ein bisschen die Innenstadt an und besuchen die Oban-Distillerie. Der Besucher-Shop ist übersichtlich und so finden wir uns schnell in der Bar wieder. Wir bestellen uns den Destillery Exclsive und Oban 14. Auch hier müssen wir sagen, dass es einfach nicht unseren Geschmack trifft. Für uns schmeckt insbesondere der Oban 14 einfach zu sehr nach Alkohol und selbst verdünnt können wir kaum etwas anderes wahrnehmen. Schade, aber so ist es und Geschmäcker sind nun einmal verschieden. Eine Gruppe junger Bikepacker, die uns bereits am Hafen aufgefallen war und nach uns unsere Plätze am Seafood-Stand eingenommen hat, kommt in die Bar. Sie stürzen sich zunächst auf den Wasserkrug und schlendern anschließend zwischen den Tischen umher. Dann gehen sie zur Bar. Nach langem hin und her und Studieren der Karten nimmt einer sein Herz in die Hand und bestellt mit kräftiger Stimme: “I’ll get a whisky on the rocks. Please!” Ein paar Köpfe drehen sich und die Barkeeperin beschwichtigt und erklärt, dass sie zu Hause schon mal einen Whisky auf Eis trinke, aber hier doch eher nicht. Zudem fragt sie, welchen Whisky sie denn gerne probieren würden? Sichtlich peinlich berührt, lässt sich die Gruppe geschmacklich beraten und bestellt am Ende zwei Drams. Sie schlendern erneut an den Sitzgruppen entlang, trinken den Whisky in Windeseile und verschwinden. Da greift die Barkeeperin auch schon zur Glocke und läutet um Punkt 4 P.M. die letzte Runde ein. Wir verdünnen unseren Whisky weiter, trinken aus und spülen mit etwas Wasser nach.

Dann verlassen wir die Bar in Richtung eines Schokoladen-Geschäfts, um dem ganzen einen süßen Abschluss zu bieten. Dort angekommen, bestellen wir eine Dunkle und eine Weiße Schokolade mit Sahne. Während der Zubereitung schauen wir uns die verschiedenen Pralinen und Schokoladen an. Süße verlockungen soweit das Auge reicht und der süß-herbe Geruch machen es uns nicht leichter. Zum Glück ist unser Getränk fertig und wir verlassen das liebevoll eingerichtete, süße Wunderland in Richtung Realität. Draußen windet es nud wir genießen an der Promenade entlang schlendernd unsere Heißgetränke. Zurück in unserer Behausung bezahlen wir zunächst das Zimmer. Colin fragt uns, wie der Tag war und weist uns erneut darauf hin, dass unten Whisky und Sherry für uns bereitstehen. Wir bedanken uns und gehen die knarzende Treppe hinauf. Wir schreiben etwas am Blog und wenden das Zelt. Michi schleicht auf leisen Sohlen noch einmal schnell hinunter. Der Kamin knistert und der Duft von Rauch und Holz liegt in der wohlig warmen Luft. Geschwind sind zwei Gläschen gegriffen und ein Sherry und Whisky abgefüllt. Als er wieder oben ist, wird kurz probiert. Kyra setzt sich an die Ottifantenseite und Michi telefoniert mit seinen Eltern. Anschließend tauschen wir das Zelt gegen das Tarp zum Trocknen aus und gehen schlafen. Gute Nacht!