Tag 84 - Mantelriss (24.08.2024)

Von Kiloran Bay nach Port Askaig

Die Sonne scheint auf unser Zelt. Der Himmel Ist blau und nur wenige Wolken sind am Himmel. Die Wellen rauschen in der Ferne und sonst hören wir nichts. Trotz der vielen Hasenlöcher hat uns keiner in der Nacht besucht und auch kein Schaf kam an unser Zelt. Wir verlassen das Zelt für die Morgentoilette und genießen den Blick aufs Meer sowie den Sonnenschein. Es ist einfach herrlich! Nach einer Weile beginnen wir abzubauen, doch wir können uns heute viel Zeit lassen, denn unsere nächste Fähre zur Insel Isley kommt nur einmal die Woche am Samstagabend, also heute Abend.

Noch einmal gehen wir unsere weitere Route durch und wissen noch nicht so recht, was wir machen sollen. Wir planen jeden Tag und jede Fähre über Kennacraig nach Claonig rüber zu Lochranza und Brodrick nach Ardrossan. Dort würden wor dann in den Süden fahren und die Fähre von Cairnryan nach Nordirland nehmen. Nachdem wir diese 4 Fährfahrten und Radelstrecken alle geplant haben, entscheiden wir uns doch nochmal um. “Die vier Fährfahrten und einmal schlafen auf dem Campingplatz sind fast genauso teuer, als wenn wir die Speedfähre von Islay nach Nordirland nehmen”, stellt Kyra laut denkend fest. Michi stimmt zu und ergänzt: “Zudem sparen wir uns fast 7 Fahrtage an denen wir viel Essen!” Wir lachen und entscheiden bei dem Anbieter der Speedfähre anzurufen und nachzufragen, ob Emil und Elias mit den ganzen Taschen überhaupt mit dürfen. Am Telefon wir nur mehrmals nett geantwortet: “no worrys” und so steht unsere Entscheidung fest. Wir verwerfen unsere Planungen und buchen die teure Speedfähre. Unmittelbar merken wir, dass es die richtige Entscheidung war, denn wir sind glücklich. Wir freuen uns, so sehr wir uns in Schottland und das erlaubte Wildcampen verliebt haben, endlich nach Nordirland zu kommen und bereits einen Tag später im einem neuen Land Irland zu sein. Mit diesem Gedanken und der Sonne im Rücken fahren wir glücklich und zufrieden los. Zunächst geht es über den Sandweg zurück zur Straße. Ein paar Mal müssen wir den Lenker gut festhalten, damit dieser durch den Sand nicht verreist. Irgendwie ist der Sand tiefer und loser als gestern. Doch wir schaffen es ohne Sturz zurück und fahren die ersten Meter auf der Straße wie wir gestern gekommen sind.

Gestern war kein Auto unterwegs, doch heute müssen wir auf der schmalen Single track road zunächst einem großen Pick-up mit Tieranhänger für Schafe Platz machen und anschließend noch zwei Autos. Wie wir es gewohnt sind fahren wir zum nächsten Passing place und lassen passieren. Dann verlassen wir die Strecke von gestern und genießen die Ausblicke. Die Insel Colonsay überzeugt uns. Es ist grün, viele Bäume und Sträucher wachsen am Straßenrand und es gibt kaum Tourismus. Im Internet haben wir uns informiert, dass die kleine Insel gerade einmal 124 Personen leben. Interessiert überlegen wir, dass dann eigentlich jede*r jede*n kennen müsste. Doch plötzlich werden wir aus unseren Gedanken gerissen, denn es macht laut PENG und Michi bleibt abrupt stehen. Schon vor ein paar Tagen hatten wir gesehen, dass wir langsam neue Mäntel brauchen, da unsere gut abgenutzt sind, doch jetzt hat der von Michi einen Riss und der darunter liegende Schlauch ist gerissen. “SO EIN MIST!” ruft Michi. Wir schieben die Drahtesel in die Bucht neben uns und beginnen das Hinterrad auszubauen. Als der Mantel abgezogen ist, sehen wir, dass dieser einen langen Riss hat und der Schlauch ein großes Loch, welches nicht mehr geflickt werden kann. Einen Ersatzschlauch haben wir dabei, das ist gar kein Problem, aber einen Ersatzmantel nicht mehr. Die ersten 4 Wochen hatte Michi hinten auf seinem RackPack (die Tasche die Quer oben drauf liegt) zwei Ersatzmäntel dabei. Da sich jedoch alle etwas darüber lustig gemacht haben und auch Kyra den Glauben an die Notwendigkeit verloren hatte, hat er die Mäntel schließlich entsorgt. Nun ärgert er sich darüber und insbesondere sich beeinflusst lassen zu haben. Doch es hilft nichts, eine Lösung muss her und Michi sucht in der Tasche nach Möglichkeiten zu kleben. Zunächst machen wir Sekundenkleber drauf, dann blaues Allzwecktape, was noch von Michis alten Auto stammt, nochmal Sekundenkleber an die Ränder des Tapes und schließlich Gewebeband im Inneren des Mantels. Das sieht zwar nicht professionell aus, aber scheint ganz gut zu halten. Während Michi das Rad wieder einbaut und den neuen Schlauch aufpumt, bereitet Kyra das Frühstück vor. Wir essen Müsli am Straßenrand und ein Auto hält an. “All right? Do you need help?” fragt ein netter Mann, der von seiner Frau begleitet wird. Michi erklärt die Situation und der Mann beschreibt den Weg zum Haus eines Mannes, der Fahrräder für die Menschen auf der Insel repariert. Wir bedanken uns herzlich und das Ehepaar fährt weiter. Auch wir sind wieder startklar uns schwingen uns vorsichtig auf die Drahtesel. Elias meckert nicht und der Mantel hält. “Das fühlt sich richtig gut an”, stellt Michi etwas zögernd fest. Wir fahren am dem beschrieben Haus hinterm Friedhof vorbei und sind uns ziemlich sicher, dass ein entsprechender Mantel auf der Insel nicht zu finden sein wird und der Mann uns somit auch nicht weiterhelfen kann.

Am Ende des Mini-Dorfes fahren wir noch an zwei besonders schönen Häusern vorbei. Die weißen Häuser haben einen traumhaften Blick aufs Wasser und glänzen förmlich in der Sonne. Kyra macht ein Foto und anschließend verlassen wir das Dorf. Es geht den Hügel hoch um eine Linkskurve. Die Landschaft verändert sich von grün zu Felsen und wieder grün. Nach dem Golf- und Flugplatz zieht der Himmel sich zu und wir entscheiden uns trotz kaputten Mantel und einsetzendem Regen für einen kleinen Umweg. Einst war die Insel Colonsay etwas größer, doch heute hat sie eine Schwesterinsel im Süden. Ein Stück Land, die Insel Oronsay, ist nur noch bei Niedrigwasser über den Meeresboden erreichbar. Da wir aktuell Niedrigwasser haben, sind wir ganz gespannt und möchten uns dies anschauen. Wenige andere Autos hatten die gleiche Idee oder die 5 Einheimischen der Insel Oronsay nutzen die Gelegenheit und sonst haben wir die Straße zum Ende von Colonsay für uns allein. Als wir nach einigen auf und ab dort ankommen, sind wir erstaunt. Irgendwie hatten wir damit gerechnet, dass der Meeresboden komplett Wasserfrei ist und eine Art Damm oder Straße erscheint, die von Colonsay nach Oronsay führt, doch nichts davon ist der Fall. Überall sind große Wasserpfützen, die gar nicht mal so flach erscheinen. Auch ist keine Spur einer Straße oder eines Dammes zu sehen. Lediglich ein Auto fährt langsam über den Meeresboden und erreicht in unserer Anwesenheit die befestigte Straße von Colonsay. Schnell entscheiden wir, dass das für unsere Drahtesel selbst mit einem unbeschädigten Mantel etwas zu riskant ist. Im Sandboden können wir schnell ausrutschen oder feststecken und dann werden unsere Schuhe nass, vielleicht sogar die ganze Kleidung. Zudem ist Salzwasser nicht gerade gut für Fahrräder. Also schauen wir uns das Spektakel noch kurz an, quatschen mit ein paar weiteren Schaulustigen und drehen wieder um. “Warum erscheinen Rückwege immer so viel kürzer?” fragt Kyra, als wir den gesamten Rückweg geschafft haben und rechts auf die alte Straße abbiegen. Nur wenige Kilometer später haben wir den Hafen von Colonsay erreicht.

Es hat in der Zwischenzeit aufgehört zu regnen, doch der Himmel ist weiterhin Wolkenbedeckt. In der Nähe vom Fähranleger ist ein kleiner Community Store, welchen wir für Cornflakes und Milch kurz aufsuchen. “Hurry up, we’re closing soon”, sagt eine nicht besonders nette Stimme hinter der Kasse zu uns. So sind wir nur wenige Minuten später wieder draußen. Bis die Fähre kommt, haben wir noch circa 2 Stunden Zeit und so teilen wir uns die Arbeit auf. Michi geht raus und macht Pfannkuchen, während Kyra Blog schreibt. Auch das Fährpersonal, welches circa eine Stunde vor Abfahrt auftaucht, ist nicht besonders freundlich und ignoriert uns komplett. Als die Pfannkuchen fertig sind, genießen wir diese und beobachten die Fähre von Oban kommen. Anschließend gehen wir raus und packen in der Hoffnung, dass die Fähre erneut eine Dusche hat für jeden eine Tasche mit neuen Anziehsachen, Seife und Handtüchern. Zu uns gesellen sich zwei weitere “Radreisende”. Die beiden sind eigentlich mit ihrem Camper auf Islay unterwegs und haben heute die Insel Colonsay entdeckt. Nun fahren sie mit der Fähre zurück. Unsere Fähre hat bereits einen langen Weg hinter sich, denn sie startet morgens auf Islay, fährt nach Colonsay und anschließend weiter nach Oban. Dort dreht sie und fährt über Colonsay nach Islay zurück. Nur das letzte Stück nutzen wir sie. Dafür mussten wir gerade einmal ein paar Euro zahlen.

Als die Fähre angelegt hat fahren nur vereinzelt Autos hinunter, die meisten bleiben auf der Fähre stehen und somit dürfen wir schnell ebenfalls hinaufschieben. Schnell schreiten wir hinauf, doch eine Dusche ist nirgends zu finden. Auf Nachfrage bestätigt sich unsere Vermutung: Diese Fähre hat leider keine Dusche. Schade! Aber so setzen wir uns gemütlich hinter eine große Panoramascheibe und genießen die relativ kurze Überfahrt von circa einer Stunde. Die Sonne steht bereits tief und geht hinter den Hügeln unter, während das Wasser still und flach da liegt. Imposant kommen die Berge von Jura, der Insel nördlich von Islay immer näher. Der Himmel zieht auf und wir können ein paar letzte Sonnenstrahlen erblicken, während der Leuchtturm ebenfalls anfängt zu strahlen. Was für eine traumhafte Kulisse. Wir befinden uns zwischen Jura und Islay, als die Fähre schließlich langsam dreht und Islay ansteuert. An der Küste können wir bereits erste Destillen sehen, denn Islay ist für viele die Insel der Whiskys. Die Insel ist ungefähr 40 km lang und 25 km breit, doch beherbergt sie ganze 10 Destillen für Single Malt Scotch Whisky. Aus der Ferne können wir die Caol Ila Distillery erkennen, wo wir morgen eine Führung gebucht haben. Kurz darauf legt die Fähre auch schon an und wir schieben die Fahrräder hinunter. Der Anstieg die Steilküste hinauf ist heftig, doch schnell geschafft. Nun heißt es für uns: Schlafplatzsuche, denn es wird bereits dunkel. Zunächst biegen wir links in eine Privatstraße ein und gucken, ob wir auf einer Rasenfläche neben dem Dunlossite memorial cross schlafen können. Doch wir werden von dem rauchenden Hausbesitzer gegenüber beobachtet und fühlen uns etwas unwohl. Wir sind uns nicht ganz sicher, ob es sich um Marihuana oder doch bloß eine Zigarette handelt. Also drehen wir um und versuchen es auf dem Wanderweg, der nur wenige Meter weiter links abführt. Aber auch der Wanderweg ist nicht geeignet. Er ist viel zu schmal und nass, also drehen wir erneut um und fahren in Richtung Destille. Dort hatten wir einen Wendekreis für LKWs und Autos gesehen und haben Hoffnung einen Grünstreifen zu finden. Als wir wenige Minuten später im nun wieder beginnenden Regen dort ankommen, ist unsere Hoffnung dahin. Auch hier ergibt sich keine Möglichkeit das Zelt aufzuschlagen, doch… Wiederrum ein paar Meter weiter… “Sollen wir hier einfach direkt neben der Straße aufbauen?” fragt Michi. Kyra antwortet: “Ich habe etwas Angst im dunkeln überfahren zu werden, aber guck mal dort! Da ist ein Loch im Zaun, vielleicht dahinter?”. Michi stellt Elias ab und läuft den kleinen Hang hinauf. “Es ist perfekt!” ruft er herunter: “Ich glaube, hier standen erst zwei Zelte. Das Gras ist flachgedrückt.”. Ein paar Minuten später haben wir Emil und Elias den Hang hinauf geschoben und das Zelt aufgebaut. Der Regen wird stärker und wir freuen uns einen guten Platz gefunden zu haben. Wir schließen die Augen und schlafen schnell ein. Gute Nacht!