Tag 85 - Die Insel der vielen Whiskies (25.08.2024)

Von Port Askaig nach King Dalton Cross

In diesem Blogbeitrag wird der Besuch einer Whisky-Destille und der Konsum von Alkohol beschrieben. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hat in einem Positionspapier den bisherigen Referenzwert überarbeitet und befindet: “Alkohol ist eine psychoaktive Droge“, bei deren Konsum es “keine risikofreie Menge für einen unbedenklichen Konsum“ gibt. Alkohol ist ein Zellgift und nicht gesund – auch nicht in Maßen. Der Beitrag stellt lediglich eine persönliche Erfahrung dar und soll weder zum Verzehr ermutigen, noch als Werbung für Alkoholkonsum oder dessen Produzenten dienen. Der Beitrag ist nicht für Minderjährige geeignet.

Tropfen prasseln gegen das Zeltdach. “Eigentlich ganz angenehm”, denkt Michi, “müsste man nicht auf Toilette.” Doch dann kommt ihm eine geniale Idee. Da wir heute ja die Destillerie Caol Ila besichtigen, wäre auch eine Dusche nicht verkehrt und was ist besser, als eine wassersparende Naturdusche? Richtig eine kalte Dusche. Da man ja auch nicht zu lange duschen soll, wird alles zurecht gelegt und Michi hüpft hinaus. Erst auf Toilette und dann wird sich in Wind und Wetter mit der Wasserflasche geduscht. Bibbernd und mit blauen Lippen huscht er zurück unter die Apside des Zelts und trocknet sich ab. “Oh Gott, wie “warm” ist es?”, fragt Kyra. “Kalt… so in etwa… 10 °C… Vielleicht 12 °C”, antwortet Michi. Kalt, aber frisch gestriegelt essen wir ein Müsli und als es weniger regnet, bauen wir geschwind das Zelt im hohen Gras ab. Anschließend rollen wir die kleine Straße durch das beschauliche Arbeiterdorf hinab zur Destillerie und parken die Esel.

Nass geht es die paar Treppen hinauf in den Shop und Besucherraum. In nasser Regenmontur stehen wir vor dem Empfang und die freundliche Dame fragt, ob wir uns umschauen wollen? Wir geben an eine Tour gebucht zu haben. Schwups stehen zwei Drams Whisky vor uns. “Here’s your second breakfast. Enjoy, get warm again, take your time and have a look around. Your tour guide will catch you at 11 o‘ clock”, sagt sie mit einem Lächeln, während wir zwischen der Garderobe und dem Tresen hin und her pendeln, um unsere nasse Regenkleidung loszuwerden. Wir bedanken uns und suchen einen Platz an einem Tisch. Es ist noch wenig los und so genießen wir zu viel zu früher Stunde den ersten Whisky des Tages. Ein kleiner Schwenk und der rauchig süßliche Duft dringt in die Nase. Die Flüssigkeit benetzt Lippen, Zunge und Gaumen. Erneut Rauch und Torf, jedoch begleitet von einer feinen Süße. Der Abgang ist würzig mit noch intensiveren Torf und Rauchnoten, die von verbrannter Eiche begleitet werden. Kurz uns schmeckt es. Die Zeit verfliegt, der Raum füllt sich etwas und schon steht eine junge Frau mit Warnweste neben uns. Gemeinsam mit den anderen betreten wir den Bereich der Destillerie, der den Tourbesuchern vorbehalten ist. Zunächst gibt es eine kleine Entführung in der Welt der Düfte. Die Hauptaromen stehen in unterschiedlichen beleuchteten Vitrinen. Je ein Gefäß wird herumgereicht und die Teilnehmenden benennen, was sie riechen. Nach Rauch, Torf, Meersalz und Karamell sowie Holz, geht es weiter zur Geschichte des Whisky der Destillerie und von Johnnie Walker. Neben den Schautafeln wird dies durch einen Film und eine zeitgleiche Projektion auf einem Tisch ergänzt. Kurzweilig und interessant geht es so vom Aqua Vitae zur Gründung der Destillerie 1846, deren Erweiterung 1879 sowie den ersten Beleg, eine Lieferliste, der Integration in die Blends von John Walker & sons 1897. Nach mehreren Inhaberwechseln erfolgt eine Stilllegung in den Kriegsjahren 1941-45 des zweiten Weltkrieges. Der heutige Zustand mit 6 Brennblasen rührt von einer Renovierung und Erweiterung von den ursprünglichen zweien zwischen 1972 und 1974. Dann geht es weiter. Die Vorbereitung des Gerstenmalz wird beschrieben und, dass die Trocknung über Torf in der Mälzerei in Port Ellen und nicht im Haus stattfindet.

Dann betreten wir einen großen Raum mit der Malzmühle, dem Maischbottich und den zehn Gärbottichen. Die Vorgänge werden beschrieben und ihr Einfluss auf die Aromen erläutert. Dann bleibt etwas Zeit, um sich alles anzusehen. Schon geht es in einen Bereich, in dem die Kameras nach dem Betreten ausgeschaltet bleiben müssen. Das feucht warme Herzstück dem still house mit den drei wash und spirit stills sowie dem spirit safe. In diesem verschlossenen Glaskasten kann der Master Distiller Alkoholgehalte und Mischung von Kopf, Herz und Sumpf kontrollieren und auf dieser Basis die eigentliche Destillation entsprechend nachjustieren. Zudem kann so nicht unbemerkt Alkohol “schwarz” gebrannt und abgezapft werden. Bei der Öffnung und Endabfüllung des new make ist der Zoll dabei und die zu entrichtende Steuer wird festgesetzt. Dann geht es durch den Regen über den Hof zurück zum Besucherzentrum.

Hier betreten wir noch kurz den Dachboden, wo einige Fässer liegen, doch die meisten Fässer befinden sich außerhalb unseres Sichtfeldes, sicher verwahrt hinter einer massiven Tür. Vor uns aufgereiht finden wir 5 Fässer, an denen wir riechen dürfen. Auch wird uns das unterschiedliche Holz gereicht. In einem Séparée stehen Gläser und Whisky bereit. Der Ausblick auf Jura ist trotz des Regens fantastisch. Gemeinsam mit zwei weiteren Pärchen setzen wir uns an einen Tisch. Wir entscheiden uns ein Fahrerpaket zu nehmen. Das bedeutet, dass wir für die Whiskies drei kleine Fläschchen erhalten, um diese für einen späteren Zeitpunkt bewahren können. Vor jeder der drei Sorten erhalten wir Informationen zum Alkoholgehalt, Fass, Alter und den zu erwartenden Gerüchen und Geschmäckern. All dies geschieht jedoch locker und ohne sich in zu vielen Details zu verlieren, So riechen und schmecken wir uns durch die drei und einen weiteren Cocktail. Dann werden wir mit den Resten alleingelassen und unterhalten uns mit den anderen. Die beiden anderen Pärchen sind scheinbar richtige Whisky-Feinschmecker und fachsimpeln ein wenig über diese und weitere Whiskies sowie deren Preise. Allerdings werden auch Herkunft etc. besprochen. Das ältere Pärchen ist zu ihrem Hochzeitstag hier, die jüngeren Österreicher sind in ihren Flitterwochen. Wir unterhalten uns etwas und dann wird es langsam Zeit zu gehen. Wir verabschieden uns und schlüpfen nach einem Toilettengang zurück in unsere Regensachen, denn der Regen hat die Welt um uns herum weiterhin im Griff. Emil und Elias warten am Ausgang und sind klatschnass. Es dauert nicht lange und auch wir haben keine einzige trockene Stelle mehr an uns.

So fahren wir im Flachen über die Insel. In Bowmore angelangt, schaut sich Michi die Bowmore Distillery von außen an und geht Kyra anschließend in den Supermarkt. Der Regen hört währenddessen auf. Trotzdem entscheiden wir uns in einem Bushäuschen zu Essen. Es gibt Brot mit allerhand süßem Aufstrich. Als wir uns wieder auf die Drahtesel schwingen, beginnt es erneut zu regnen. Doch zum Glück bleibt es bei Nieselregen. Unser Weg währenddessen ist nicht wirklich spannend. Es geht eine gerade Straße flach durch die Landschaft. Zu unserer rechten soll sich ein Strand befinden, den wir aufgrund des Wetters nicht sehen können und zu unserer linken erstreckt sich die uns mittlerweile gut bekannte Moor-/Heidelandschaft. Kurz bevor wir Port Ellen erreichen kommt uns eine große Truppe entgegen, die alle ein Bier in der Hand haben und nett grüßen. Kurz darauf begrüßt uns die Port Ellen Distillery und Islay Rum Distillery. Daneben liegt die Mälzerei. Ein starker Geruch von Gerstenmalz liegt in der Luft. Der Geruch verschwindet jedoch schnell und wird durch Seeluft abgelöst, denn wir erreichen den Strand der Stadt. Hier besucht Kyra noch die öffentliche Toilette, bevor es die letzten Kilometer entlang der Küste zum Kildalton Cross gehen soll. Unsere Navigation meint es gut mit der Stadt und so bekommen wir noch eine kleine Stadtführung, bevor wir nach Osten aufbrechen. Wir können unseren Augen kaum glauben, als vor uns ein neuer Radweg abseits der Straße erscheint. Freudig steuern wir auf diesen zu und Kyra benennt ihn sogleich mit “Whisky-Radweg”, denn bereits nach wenigen Metern taucht die Baustelle der zukünftigen Portintruan Disstilery auf. Wiederum nur ein paar Meter weiter befinden sich die riesigen Lagerhallen die Laphroaig Distillery mit zugehöriger Destille dahinter. Wir fahren jedoch weiter, da wir morgen auf dem Rückweg an den unterschiedlichen Destillerien eine Pause einlegen möchten. Unser Fahrradweg führt uns entlang eines kleinen dunklen Nadelwaldes, der in der beginnenden Abenddämmerung unheimlich aussieht. Kyra tritt kräftig in die Pedale, um der mystischen Stimmung schnell zu entkommen. Nach einer Kurve zurück zur See folgt nach ein paar Wohnhäusern die Lagavulin Distillery und ein Kilometer weiter die Ardbeg Distillery.

Hier haben wir die Hälfte unseres Weges zwischen Port Ellen und Kildalton Cross sowie alle Destillen auf dieser Straße geschafft. Zunächst geht es relativ steil bergauf und an vereinzelten Wohnhäusern vorbei. Manche sind verlassen und andere wunderschön hergerichtet. Die Bäume um uns herum nehmen zu und wir befinden uns im Wechselspiel zwischen kleinen Laubwäldern und nassen Moor-/Heidegebieten. Plötzlich geht es rasant hinunter an einen Sandstrand und sofort wieder steil hinauf. Wir staunen nicht schlecht, als auf der Straße vor uns circa 20 Fasane auftauchen. Die Tiere lassen sich von uns kaum stören und streiten stolz über die Straße. Als uns ein Auto überholt und sich den Tieren nähert, halten wir kurz den Atem an, doch der Fahrer bremst ab. Nach kurzer Zeit verliert er die Geduld und fängt an zu hupen, doch die Fasane lassen sich weiterhin kaum beirren. Erst als das Auto an Fahrt aufnimmt, flattern sie ängstlich davon. Nach der Aufregung sind wir vor, dass unser Ziel bereits in Blickweite zu unserer rechten liegt. Noch ein letztes Mal geht es hinab und wieder rauf. Dann ist die verfallene Kirche mit Friedhof und Kildalton Cross erreicht. Das Kreuz ist mehr als 1.200 Jahre alt und steht noch immer an seinem ursprünglichen Standort. Ausgrabungen haben ergeben, dass sich an dieser Stelle bereits eine noch frühere Kreuzplatte befand. Zudem wurde ein menschlicher Knochen gefunden. Wir schauen uns das Kreuz in Ruhe an und gehen eine Runde über den Friedhof. Die dazugehörende Kirche wurde wahrscheinlich im 12. bis 13. Jahrhundert gebaut und wurde seit dem 18. Jahrhundert aufgrund eines neuen Gotteshauses bei Lagavulin aufgegeben. Seitdem hat der Verfall eingesetzt. Es stehen nur noch die Grundmauern, was auf uns mystisch wirkt. Allgemein wird uns in der Abenddämmerung ein wenig gruselig, doch gleichzeitig steigt unser Interesse. Ganz in Ruhe schauen wir uns alles an, bis es aufgrund der einsetzenden Dunkelheit tatsächlich Zeit wird, das Zelt aufzubauen. Etwas oberhalb des Parkplatzes finden wir einen Wanderweg, neben dem eine kleine Bucht ist. Perfekt für unser Zelt. Somit bauen wir schnell auf und freuen uns, dass es seit Port Ellen nicht mehr angefangen hat zu regnen. Gute Nacht!