Tag 91 - Gastfreundschaft der anderen Art (31.08.2024)

Kein Fahrtag

Wieder wachen wir in einem kuscheligen Bett auf. Als wir runtergehen sehen wir Peter noch kurz. Er hat Croissants und Bagels geholt und ist selbst auf dem Sprung zum Golfen. Colette fragt uns, ob wir Tee oder Kaffee wollen. Wir entscheiden uns für Kaffee und frühstücken gemeinsam. Dabei quatschen wir ein bisschen und kommen über die verschiedenen Systeme ins quatschen. Wir vergleichen Versicherungen und Steuern. Dann fällt Colette auf, dass sie langsam los muss, denn sie ist um 10 Uhr zum schwimmen verabredet. Wir dürfen gerne mitkommen und so entscheiden wir uns die ersten Meter gemeinsam zu gehen. Anschließend wollen wir einen kleinen Spaziergang machen und die Halbinsel entdecken. Am Strand angekommen bekommen wir von Colette einen Kaffee für unseren Spaziergang ausgegeben und sie trifft sich mit ihrer Schwimmgruppe. Es ist perfektes Wetter zum Schwimmen. Der Himmel ist blau und kaum eine Wolke in Sicht. Zudem ist es nicht windig. Es könnte lediglich ein bisschen wärmer sein. Die ersten Schlucke unseres Cappuccinos trinken wir im Sitzen, doch dann gehen wir die geplante Runde um die Halbinsel. Michi ruft seine Eltern an und Kyra telefoniert mit ihren Großeltern. Als wir einen besonders schönen Blick auf die nahegelegene Burg haben, machen wir eine kleine Pause. Vor uns entdecken wir eine Art alten Brunnen, der einen großen Deckstein als Sonnenuhr bekommen hat. In die einzelnen Stunden vom Zifferblatt sind Namen und kleine Zeichnungen von Schiffen eingraviert. Hübsch sieht sie aus. Wir versuchen auf ihr die Uhrzeit zu lesen und es klappt ganz gut. 15 min Unterschied zu unserer Armbanduhr. Neben der Sonnenuhr steht ein Gedenkstein an Lord Louis Mountbatten, der bei einem Attentat ums Leben gekommen ist. Als wir den restlichen Schluck Kaffee ausgetrunken haben, laufen wir weiter und nutzen den Becher als Mülleimer, um den vereinzelten Plastikmüll vom Straßenrand aufzuheben. So kommen wir nur langsam voran, doch macht das heute gar nichts. Wir haben Zeit. Auf unserer linken Seite tauchen zwei Pferde auf, die von einem älteren Herrn mit Möhren gefüttert werden. Als wir ihn nach dem Plastikbeutel fragen, macht er den Kofferraum auf und holt zwei weitere Tüten heraus. Er fragt: „Where are you from?“ Als er hört, dass wir aus Deutschland kommen, erzählt er dass die Frau seines Bruders aus Deutschland kommt. Die beiden leben heute in Deutschland. Er und seine Frau, die im Auto sitzt, heißt uns herzlich in Irland willkommen und wünschen uns noch eine gute Zeit.

An einem kleinen Parkplatz am Straßenrand liegt besonders viel Müll und als eine Frau mitbekommt, was wir machen, reicht sie Kyra 10 €. „For your beautiful work!“ sagt sie. Doch Kyra will das Geld nicht annehmen. Das scheint die Frau nicht abzuschrecken, denn sie packt es Kyra in die Hosentasche und sagt, dass wir nach dem Müllsammeln davon ein Kaffee trinken sollen. „Thank you“, sagt Kyra, während die Frau zurück zu ihrem Auto geht. Wir laufen weiter und haben, als wir die Runde beenden, alle drei Tüten bis oben gefüllt. Da nirgendwo ein Mülleimer in Sicht ist, hoffen wir einen am Stand zu finden und laufen noch das ganze Stück bis dahin. Tatsächlich! Wir finden den einzigen öffentlichen Mülleimer weit und breit am Strand. Zurück im Ferienhaus sind Tochter und Freund von Peter und Colette in der Küche. Colette macht uns bekannt, bevor wir uns alle zusammen vor das Haus in die Sonne setzen. In der Sonne ist es schön angenehm, sogar gerade zu perfekt. Aber… fehlt da nicht was oder eher jemand? „Where is Samy?“ fragt Tilly. Wir alle schauen uns fragend an. Soeben hatte Samy, der Hund, noch mit dem Nachbarshund gespielt, doch nun fehlt jede Spur von ihm. Die Vermutung, dass er selbstständig zum Strand gelaufen ist, ist schnell aufgestellt. Es ist sein Lieblingsort und schon mehr als einmal ist er dorthin ausgebüchst. Ein paar Minuten später ist auch schon die Gewissheit da, als Tilly mit Samy vom Strand zurückkehrt. Zum Glück! In Ruhe und entspannt setzen wir uns wieder hin und genießen kaltes frisches Wasser während Peter vom Golf zurück kommt.

Sofort schlägt er uns vor, zu dritt einen Ausflug mit dem Auto zu machen. Er möchte uns die Gegend zeigen. Schnell sitzen wir im Auto und müssen uns kurz an die andere Geschwindigkeit gewöhnen. Wir fahren zum Landschaftsschutzgebiet Gleniff Horseshoe. Auf diesem 10 km langen Rundweg, entlang einer ruhigen Straße, haben wir spektakuläre Aussichten auf die Berge um uns herum. Wir sehen die Klippen von Annacoona und die Höhle von Diarmuid und Grainne. Einer Saga nach hat sich das Ehepaar hier versteht, doch der Bräutigam wurde durch einen Verehrer der Braut getötet. Wir können gleich nachvollziehen, dass Sagen um die Höhle entstanden sind, denn diese sieht mystisch aus und liegt so steil den Berg hinauf, dass sie selbst führ geübte Personen nur schwer zu erreichen ist. Die Wanderung ist gefährlich und es gibt viele Berichte von Personen, die hier Hilfe benötigten oder gar ums Leben kamen. Um einen guten Blick zu haben  bleiben wir mit dem Auto kurz stehen. Eine vierköpfige Gruppe ist ebenfalls da und macht von sich Fotos. Peter spricht die vier mit seiner lebensfrohen Art an und bringt sogleich alle zum Lachen. Wir bieten an ein Gruppenbild von diesen zu machen und fahren dann weiter. Um ebenfalls einen guten Blick auf den Benwisken Mountain zu erhalten, bleiben wir nochmals stehen. Dieser Berg sieht wie eine Welle im Meer aus, kurz bevor, sie zusammenbricht. Anschließend führt unser Weg zum Ben Bulben. Auch für diesen hat Peter eine passende Beschreibung: „flat as a table and furrows on its flanks, as if a giant bear had sharpened its claws on it“. Wie recht er hat. Tiefe Rillen ragen in den Berg, als hätte ein Bär gerade erst an ihm gekratzt. Der weitere Straßenverlauf gefällt uns allen besonders. Wie ein grüner Tunnel ragen die Bäume auf beiden Seiten über die Straße.

Zu unserer Linken befindet sich nach viel Regen der Wasserfall Devils Chimney, der Schornstein des Teufels. Den Namen hat der Wasserfall deshalb, weil das hinunterstürzende Wasser bei viel Wind aus Süden nach oben „fließt“ und somit zurück über die Klippen steigt, von denen es fällt. Im Winter wenn es friert, friert dieser von unten aufsteigend. Desto froh wir sind, dass es die letzten Tage schönes Wetter hatte, desto gerne hätten wir den Wasserfall gesehen. Doch nur ein paar Meter weiter befindet sich ein anderer Wasserfall. Als wir am Parkplatz angelangen ist die Vierergruppe von vorhin wieder da. Lachend winken wir uns und Peter hat bereits einen nächsten Witz für diese und andere Passanten bereit. Der Glencar Waterfall ist 15 mit hoch und diente William Butler Yeats als Inspiration für seine Gedichte. Vor dem beeindruckenden großen Wasserfall sehen wir bereits viele kleine. Ein Bach verläuft vom Wasserfall aus kommen über viele kleine Stufen auf uns zu. Es sieht traumhaft aus. Beim eigentlichen Wasserfall bleiben wir eine Weile stehen. Peter und Kyra überlegen, ob eine Dusche in diesem möglich wäre und wie tief wohl das Wasser unterhalb des Wasserfalls ist? Doch keiner von beiden traut sich, was angesichts der Wassermengen und dem gefährlichen Weg dorthin besser ist. Auf dem Rückweg stell Peter uns eine Frage: „Why do black sheep eat less than white sheep?“ Wir beide antworten, wie aus der Pistole geschossen gleichzeitig: „As the black ones die earlier“, doch das ist laut  Peter nicht die richtige Antwort und Michi probiert es nochmal: „Since there are fewer of them?“ Peter lacht und bejaht. Er erzählt, dass Michi der erste wäre, der die Antwort geben konnte.

Zurück in Mullaghmore sind die anderen am Pier Head Hotel und trinken eine Kleinigkeit im Sonnenschein. Wir setzen uns dazu und werden wieder auf Getränke eingeladen, wogegen wir uns nicht wehren können. Nach dem Getränk fahren wir die letzten Meter zum Haus, ziehen uns um und fahren erneut los. Tilly hat einen Tisch zum Essen im Langs Bar & Restaurant reserviert. Es ist eine lustige Runde und das Essen ist ausgezeichnet. Kyra isst Lachs und Michi Burger. Unglaublich lecker! Und auch hier werden wir eingeladen, bevor wir uns wehren können. Als wir Peter darauf ansprechen ignoriert er das gesagte und lenkt mit der Frage ab, ob wir darauf Wetten, wie viele Schritte es bis zum Auto sind. Wir sind fast überfordert von so viel Gastfreundschaft und fühlen uns etwas unwohl, doch Tilly und Colette geben uns zu verstehen, dass das schon in Ordnung ist. Unglaublich, wie viel Peter für fremde Menschen tut. Danke! Auf dem Rückweg sehen wir, wie zahlreiche Personen an dem Ort, wo wir heute morgen noch Müll gesammelt haben Wildcampen. Ungefähr 6 Zelte stehen hier und einige machen sogar ein Lagerfeuer. Somit ist klar, in Irland müssen wir uns bezüglich wildcampen keine Gedanken machen. Bevor es ins Bett geht, trinken wir noch ein Tee und tauschen uns über Themen wie Atomkraft und Wasserstoff aus. Es wird spät und als Colette bereits seit längerem im Bett liegt und auch Tilly verschwindet, entscheiden wir alle schlafen zu gehen. Gute Nacht!