Tag 89 - Anders als geplant (28.08.2024)
Von Swilly View nach Letterkenny und zurück
Trotzdem der Abend lang war, erwachen wir relativ früh im bequemen Bett. Es ist das ehemalige Zimmer einer der Söhne von Niall und Deirdre. Das Haus ist noch komplett still, deshalb legen wir uns nach einem schnellen Toilettengang nochmal ins Bett und schreiben am Blog. Gegen 9 Uhr denken wir, etwas gehört zu haben und tauschen das Bett gegen Küche, doch es ist noch niemand da und weiterhin ruhig. Wir schreiben etwas weiter und kurz darauf kommt Deirdre die Treppe hinunter. “Would you like tea or coffee?” fragt sie freundlich und wir entscheiden uns für Kaffee. Während wir diesen in Ruhe trinken bekommen wir Müsli vor uns gestellt . Wir sollen uns selbst bedienen und das machen wir sogleich. “Deirdre are you having breakfast too, should we wait for you?” fragt Michi höflich, als wir nicht wissen, wie wir uns verhalten sollen. Sie antwortet nett: “I’ll make something in a minute, please get started.” Also beginnen wir unser Frühstück zu essen. Uns werden noch Weintrauben und Mandarinen hingestellt und als wir gerade mit dem Müsli fertig sind, kommt sie mit zwei großen Tellern. Ein typisch irisches Frühstück ist auf diesen zu finden. Sie stellt sie vor uns und Kyra fragt ganz ungläubig: “For us?” Deirdre nickt und wendet sich an Michi: “You know… I told Kyra yesterday that we had a bath & breakfast before the kids. That’s why it has to be like this. It reminds me of the old days and an Irish breakfast like this gets you through the whole day. When Niall was abroad for a while, the first thing he asked me when I picked him up from the airport was if I could make him an Irish breakfast tomorrow. But you can’t eat it every day, then it becomes a bit unhealthy.” lacht sie. Während sie erzählt setzt sie sich zu uns und isst ein paar Toast mit. Wir erzählen ihr von unserem Vorhaben heute zum Radladen zu fahren und anschließend in Richtung Glenveagh Castle. Wir fragen sie nach ihren Plänen und sie berichtet sich ein bisschen um den Papierkram kümmern zu wollen sowie ihre Mutter, die aufgrund des Alters Hilfe benötigt, zu besuchen. Niall kommt in die Küche und macht sich ein Tee sowie Toast. Er hat es ein bisschen eilig, da er gleich einen Termin hat.
Trotzdem er bereits in Rente ist, hat er zwei Jobs. Bei dem einen Fährt er zu Personen und kontrolliert, ob diese Drogen im Blut, Orien oder in den Haaren haben. Das macht er fürs Gericht. In seinem anderen Job deckt er Versicherungsbetrug auf. Beides passt zu ihm, denn in seinem Job war er Jahre lang Polizist und auch während der Unruhen an der Grenze zu Nordirland eingesetzt. Sein Dienst begann in den 80er Jahren in der Weihnachtsnacht. Letzte Nacht erzählte er uns bereits davon und zeigte uns die Drogenschnelltests. Nun muss er los. Wir verabschieden und bedanken uns. Zudem wünschen wir uns gnseitig alles Gute. Deirdre ist währenddessen nach draußen gegangen und hat einen Mann im Garten begrüßt. Sie verabschiedet ihn wieder und macht mit uns ein Erinnerungsfoto vor dem Haus. Dann sind auch wir startklar. Zum Abschied nehmen wir uns in den Arm und erklären das deutsche Sprichwort “Man sieht sich immer zweimal im Leben”. Wir rollen die Drahtesel die Einfahrt hoch, drehen uns um und wollen noch einmal winken, doch Deirdre ist bereits im Haus verschwunden. Nur Jess, der Hund, sitzt vor dem Haus und guckt uns hinterher.
Die ersten Meter sind uns bereits bekannt, da wir sie zum dritten Mal fahren. Der Weg zum Fahrradgeschäft in Letterkenny kommt uns ziemlich lang vor. Es geht in kurzen Abschnitt rauf und runter, doch danb haben wir es geschafft und erreichen das Geschäft: “Hi, we called. We have problems with a coat and need two new rims.” Der Mitarbeiter guckt uns fragend an und verweist auf seinen Kollegen. Dieser kommt mit uns nach draußen und guckt sich Elias an. Nach bereits wenigen Sekunden sagt er: “Sorry, I can’t help you there”. Leider kann er auch nicht abschätzen wie lange es dauern würde einen neuen Mantel oder Felgen zu bestellen und ist bereits zurück auf dem Weg in den Laden. Michi hagt nach, ob er weiß, wer denn helfen könnte und gemeinsam gucken wir auf eine Karte. Dass unsere Fahrtrichtung in Richtung Westen und dann Süden ist, interessiert ihn zunächst nicht und er schlägt drei Läden im Osten vor, die für uns unerreichbar sind. Dann nennt er ein Geschäft in Sligo. Etwas abwimmeln widmet er sich auch schon anderen Dingen und wir verlassen den Laden. Insbesondere Kyra ist sauer: “Er hat sich Emil nicht mal angeschaut und sie werden doch häufiger etwas bestellen? Man muss doch abschätzen können, wie lange das dauert, oder nicht?” Michi stimmt zu. Um zumindest einen Schritt weiter zu sein, fängt er an die kaputte Schraube für den Ständer aus Kyras Rahmen zu drehen. Das geht gar nicht so leicht und als wir sie nicht weiter drehen können, müssen wir das Hinterrad ausbauen. Dann klappt es zum Glück und eine ganze Stunde später hat Emil seit Wochen wieder einen funktionierenden Ständer. Nebenbei haben wir die Felgen von Emil sauber gemacht und was wir nun sehen, lässt uns an den nächsten Stunden und Tagen zweifeln. Emils Felge hinten ist bereits so abgefahren, dass wie ins Innere der Felge blicken können. Damit weiterzufahren ist gefährlich. Wir stehen der Verzweiflung nah… Was nun? Hier vor dem Fahrradladen wollen wir zumindest nicht länger stehen. Kyra versucht noch schnell einen Anruf bei dem Felgenhersteller, doch in Deutschland ist es bereits 17 Uhr und niemand mehr erreichbar. Also schieben wir unsere geliebten Drahtesel weiter in die Stadt und kaufen etwas zum Essen bei Lidl ein. Der erste Lidl seit Kirkwall auf den Orkneys stellen wir erstaunt fest. Zum Glück sind die Preise, wenn auch immer noch hoch, etwas günstiger. Nach dem Einkauf versucht Michi Niall anzurufen, in der Hoffnung dass wir noch eine zweite Nacht bei ihnen bleiben können oder er eine Idee hat, doch eine unfreundliche Stimme am Telefon wimmelt Michi ab und sagt, dass er in 5 Minuten nochmal anrufen soll. “Das war irgendwie komisch”, stellt er fest. Und als wir 15 Minuten später nochmal anrufen erkennt er wieso. Es ist die falsche Nummer und er hat versehentlich im Fahrradgeschäft von vorhin angerufen. Unfreundlich wird ihm das gesagt und aufgelegt. Zum Glück finden wir die richtige Telefonnummer heraus, doch es geht niemand dran. Also entscheiden wir uns weiter zu fahren, raus aus der Stadt, um irgendwo einen Schlafplatz zu finden.
Unsere Straße führt steil bergauf und in jeder Sekunde denken wir an die Felge von Emil und hoffen, dass der Riss nicht zum Bruch wird. Doch dann bleibt Michi nach einigen Kilometern stehen. “Niall ruft an”, sagt er und geht ans Telefon. Er erklärt unsere Situation und Niall schlägt vor, dass wir zurück kommen und uns morgen um die Ersatzteile kümmern. Doch zuerst möchte er das mit seiner Frau abklären. 5 Minuten später ruft er zurück und gibt grünes Licht. Wir sind erleichtert, drehen die Drahtesel und fahren vorsichtig bergab, wobei Kyra nur noch mit der Vorderradbremse bremsen darf. Wie immer fühlt sich der Rückweg schneller an. Da es mittlerweile schon spät ist und wir Hunger bekommen, legen wir trotzdem eine kurze Pause am Straßenrand ein und essen etwas zu Abend. Es gibt Toast mit Aufstrich. Einige Passanten gucken uns irritiert an, da wir auf dem Boden sitzen, aber das ist uns mittlerweile egal. Gerade als wir fertig sind, hält ein Mann und sagt: “Do you know that there are benches and tables in front? You just have to follow the road to the main road and then turn left.” Wir gucken uns belustigt an und bedanken uns. Da wir jedoch fertig sind, fahren wir weiter. 2 Minuten später fahren wir sogar an den beschrieben Bänken vorbei. Der Ort wäre echt schön gewesen. Da wir müde und kaputt sind, entscheiden wir uns Über die Hauptstraße abzukürzen und stellen schnell fest, dass dies eine gute Entscheidung war. Der Weg ist kürzer, weniger steil und hat eine grandiose Aussicht auf die Bucht. Zudem können wir erneut auf einem breiten Seitenstreifen fahren. Perfekt. Somit erreichen wir das Haus von Niall und Deirdre schnell. Dort angekommen wird es bereits dunkel und wir trinken nur noch gemeinsam einen Tee, bevor es ins Bett geht. Deirdre erzählt uns, dass sie für ihren Sohn bereit das Bett abgezogen, gewaschen und neu bezogen hat, was uns ein bisschen unangenehm ist. Wir geben zu erkennen, dass es uns leid tut, doch die beiden sind nett und herzlich wie zuvor. Vielen Dank für diese Gastfreundschaft. Gute Nacht.