Tag 10 - Hallo Belgien! (11.06.2024)
Von Strijen nach Antwerpen
Es ist 6:40 Uhr und der Wecker klingelt in die Stille hinein. Von draußen scheint die Sonne und erste Strahlen bahnen sich in unser Zimmer. Wir drehen uns nochmal um, umarmen uns und machen die Augen zu. „Klingelt der Wecker nochmal in 5 min?“ fragt Kyra müde. Michi antwortet etwas Unverständliches. Trotzdem der Wecker kein zweites Mal klingelt stehen wir circa 10 min später auf. Die warme Dusche ruft. Gestern Abend hatten wir bereits alle Taschen fertig gepackt und so müssen wir nur noch das Nötigste von der Nacht einsortieren. Ein letzter Blick ins Zimmer und ab geht es mit den Taschen runter in die Garage. Emil und Elias hatten hier ihr Nachtquartier. Als wir ins Wohnzimmer treten, sitzen Peter und Annemiek gemütlich mit der Zeitung auf dem Sofa. „Na, habt ihr gut geschlafen?“ fragen sie und wir bejahen. Das Bett ist wirklich super bequem. Die beiden haben das Frühstück bereits hergerichtet. Es gibt wieder Brot mit süßem Aufstrich, Joghurt und Kaffee. Die Himbeeren im Joghurt hatte Peter am Vortrag gesammelt. Wir vier setzen uns freudestrahlend hin und stellen erstaunt fest, wie schnell die Zeit vergangen ist. Heute geht es weiter. Die letzten zwei gemeinsamen Tage fühlen sich an, als wären sie verflogen. Viele tolle Gespräche liegen hinter uns. Nun wartet ein letztes Frühstück und anschließend wollen die beiden uns noch für circa 10 km begleiten. Als wir fertig gegessen haben und alle auf Toilette waren, trinken wir noch ganz in Ruhe einen Kaffee, bevor wir Emil und Elias satteln. Emil steht mit dem neuen Ständer wieder wie eine eins. Perfekt! Auch mit Gepäck macht er sich prima. Kurz bevor wir losrollen ist es endlich soweit. Kyra hat von ihren Kolleginnen aus einem alten geflickten Schlauch eine Blumenvase fürs Fahrrad geschenkt bekommen. Diese ist einmal um den Lenker gewickelt und mit einem Ventil aneinandergeschraubt. Annemiek und Kyra pflügen jeweils eine Blume und Michi tröpfelt Wasser hinein. „Uuuups“ entfährt es Michi. Der Boden unter der Vase ist nass. Schnell klemmt Kyra das untere Ende nach oben und Peter hilft mit einem Kabelbinder aus. „Nun sollte es gehen“ sagt er und er hat recht. Das Wasser bleibt in der Vase und die Blumen machen sich wirklich hübsch an Emil. Gegen halb 10 fahren wir zu viert los. Wir verlassen den Ort und fahren auf einen alten Deich, von dem wir herrlich in die Weite über Weideland schauen können. Dabei entdecken wir jedoch auch den dunklen Himmel in Windrichtung. „Das sieht aber schlimm aus!“ entfährt es Kyra. Der Regen scheint direkt auf uns zu zukommen. „Vielleicht haben wir Glück“ sagen Annemiek und Peter fast im Chor. Es hilft nichts, wir müssen es abwarten. Als wir kurz links den Deich hinunterfahren, um uns Denkmal für die Opfer der Flut von 1953 anzuschauen wird der Himmel bedrohlich dunkel. Wir schwingen uns erneut auf unsere Drahtesel und suchen einen kleinen Unterschlupf, aber es ist zu spät. Der Himmel öffnet sich und die kleinen Hagelkörner fallen auf uns hinunter.
Wir ziehen uns unsere Regensachen an und Peter sowie Annemiek stehen den Schauer ohne aus. Auf den Graupelschauer folgt Regen, aber wir lassen uns nicht beirren und fahren weiter. Kurze Zeit später hört der Regen auch schon auf und es heißt so langsam Abschied nehmen. Das fällt uns gar nicht so einfach. Wir wünschen uns gegenseitig nur das Beste und hoffen einander vielleicht doch in Schottland wiedersehen zu können. Nach Umarmungen und weiteren Wünschen ist dann jedoch der Moment gekommen. Emil und Elias rollen auf die Brücke übers Hollands Diep zu. Mehrmals winken wir uns noch einander zu, bis wir um eine Kurve gefahren sind. Wir gucken einander an und gehen gedanklich die letzten Tage noch einmal durch. Wie schön es war! Wie toll es ist, gute Freunde zu haben, die einen Unterstützen und willkommen heißen. Wir haben uns wirklich wohl gefühlt. Vielen Dank Annemiek und Peter! Nach der Brücke werden wir weiter über eine Schleuse geführt, in welcher sich unzählige Binnenschiffe sammeln. Das nächste zu uns, fährt unter deutscher Flagge. Mit viel Schwung rollen wir hinunter und fahren hinter Helwijk zwischen Feldern entlang Der Himmel vor uns wird erneut bedrohlich dunkel, doch wir wollen die Regenkleidung noch nicht wieder anziehen. Der Mut belohnt sich und das schlechte Wetter zieht, bis auf ein paar Tropfen, an uns vorbei. Bei der nächsten Unterführung wird es uns dann doch etwas zu waghalsig und wir ziehen Regenhose sowie -jacke an. Zunächst haben wir Glück doch in der Stadt Oud Gastel kommt nochmal einiges runter. „So langsam muss ich wirklich dringend auf Toilette“ meint Kyra. „Guck mal! Ist da vorne ein Mc Donalds Zeichen? Da könnte ich schnell auf Toilette gehen!“ Und tatsächlich. Zu unserer rechten taucht für die A17, die wir schnell überqueren, ein Rastplatz mit einigen Lokalen auf. Kyra besucht die Toilette und anschließend können wir unsere Regenkleidung wieder einpacken. Zwischen Verteilungslagern von Lidl und Primark geht es weiter durch die größere Stadt Roosedaal. Zunächst nicht wirklich schön und wie eine typische alte Arbeiterstadt aufgebaut. Doch nachdem wir am Bahnhof vorbei sind, führt uns ein grüner Streifen, wie ein Band durch die Stadt. Überall sind kleine Spielplätze und große Tiergehege. Zudem ergibt sich eine mystische Stimmung, da der vergangene Regen Bodennebel hinterlassen hat. Fasziniert fahren wir dem Radweg folgend aus der Stadt. Unsere Magen machen sich bemerkbar und wir ziehen unser vorbereitetes Lunchpaket aus den Netzen der hinteren Taschen. Bevor wir jedoch ins Brot beißen können, hält ein Mann an: „You´re not dutch?“. Wir verneinen „Germany“. „Oh, ich spreche etwas deutsch! Da vorne kommt eine Bank, da könnt ihr in Ruhe essen.“ sagt der nette Mann. Bevor wir weiterfahren, erzählt er uns noch einiges über den Eisvogel, der hier entdeckt wurde. „Zum Teil standen hier auf der Brücke 100 Leute und haben den beobachtet. Doch er hat sich gar nicht stören lassen!“ lacht er „na, dann gute Fahrt!“ Als wir die Brücke erreichen donnert es vor und hinter uns. Doch diesmal haben wir tatsächlich Glück und die Gewitter ziehen an uns vorbei. Keine 10 km später erreichen wir den niederländischen-belgischen Ort Essen und somit die Grenze. Fast wären wir ohne es zu bemerken rübergefahren. Es steht kein Länderschild da, sondern nur ein Schild mit „B“, welches auf „Viapass.be“ hinweist. Mit der Grenze startet auch der F14 und wir fahren mit Seitenwind immer weiter in Richtung Süden. Dabei durchqueren wir einige Orte und bewundern die verschiedenen belgischen Häuser zu unserer rechten und linken. Einige viele Kilometer weiter und Antwerpen fast in Sicht, verfahren wir uns. Wir hätten dem Radweg weiter folgen müssen, doch sind wir irgendwie auf die Hauptstraße geraten. In einem Waldgebiet versuchen wir unser Glück zurück auf die Hauptroute zu kommen, doch ohne Erfolg. Schienen trennen uns vom F14 und so sehen wir nur einige Radfahrer*innen in der Ferne an uns vorbeifahren. Ein nächster Waldweg bringt uns weiter. Emil und Elias sinken fast im nass sandigen Boden ein, doch wir schaffen es auf die andere Seite und können dem F14 weiter folgen. Bereits am Rande der Stadt angekommen, kommen uns im Sekundentakt andere Fahrräder entgegen. Der Feierabend-Fahrradverkehr ist hoch, doch wir haben es geschafft und machen mit Emil und Elias eine kleine Touri-Tour durch Antwerpen.
Wir schauen uns den Grote Markt mit dem Rathaus und schönen alten Gebäuden an, schlendern durch die Fußgängerzone und mehr. Der Sint-Annatunnel soll uns unter der Schelde auf die andere Seite führen und somit gehen wir in das Tunnelgebäude. Wir staunen nicht schlecht, als wir vor einer alten sehr steilen Rolltreppe stehen und es irgendwie schaffen die Drahtesel darauf zu stellen. Mit beiden Bremsen fest gezogen fahren wir langsam 31 m in die Tiefe. Unten angekommen fühlen wir uns an den alten Elbtunnel in Hamburg erinnert. Was für ein schönes Erlebnis und Abenteuer!
Um nicht nochmal so waghalsig hochzufahren, entscheiden wir uns den Aufzug zu nehmen. Oben angekommen, haben wir eine wunderbare Aussicht auf Antwerpen. Um eine entspannte Nacht zu haben, entscheiden wir uns auf den Campingplatz zu gehen. Dieser ist schnell erreicht. Kyra baut das Zelt samt Inhalt auf und Michi kocht Spaghetti. Besser geht’s nicht! Nach einem kurzen Gespräch mit unseren holländischen Radreise-Nachbarn, geht es auch schon ins Zelt. Gute Nacht!