
Fahrrad-Weltreise - Von Bghaghza nach Bni Leit
Affen im Rif-Gebirge
11.01.2025 - Tag 224
Pock, pock, pock… Stille. Pock, pock, pock… „Hello? Heeeellloooo?“ sagt eine männliche Stimme und klopft an die Tür unseres Schuppens. „E tu okay?“ sagt er und dann ist kurz Stille. „Hello? E tu okay?“ sagt er erneut. Wir rufen von innen „Hi! Yes, okay!“ und wissen nicht so wirklich die Situation einzuschätzen. Warum klopft ein Mann mitten in der Nacht an die Tür? Kurz verständigen wir uns darauf die Tür nicht auszumachen. „Heeeellllooooo? E tu okay? Hello? Okay? Okay?“ fragt er erneut. Wir bejahen noch einmal und schweigen, als ein drittes sowie viertes Mal nachgefragt wird. Zwischendurch wird etwas auf arabisch gesprochen. Dann ist es still. Wir sind uns nicht sicher, ob der Mann verschwunden ist, oder noch vor der Tür steht und liegen alle mit unseren eigenen Gedanken da. An einschlafen ist erstmal nicht zu denken. Auch wenn wir uns sicher fühlen und die Tür von innen verschlossen ist, ist die Situation für uns ziemlich unbekannt und fremd. Nach einiger Zeit des Schweigens und keinen Geräuschen, schlafen wir schließlich doch alle nach einander wieder ein. Wir wachen jedoch mehrmals noch in der Nacht auf und das nicht nur, weil zwischendurch draußen Hunde bellen, sondern auch, weil wir auf Toilette müssen, jedoch nicht raus wollen. Dann ist es 7 Uhr und der Wecker klingelt. Nach weiteren 10 min machen wir das erste kleine Licht an und philosophieren über die letzte Nacht. War es ein Gast aus dem Restaurant nebenan, der bevor er nach Hause ging nach uns schauen wollte? War es die Polizei, denn Michi meint etwas von „police“ gehört zu haben? Angela hat hingegen „look, look“ gehört. Wir werden es wahrscheinlich nicht herausfinden und gehen davon aus, dass die Person nur Gutes wollte. Als wir alles fertig gepackt haben, gehen wir raus und schließen mit dem Schloss von außen ab. Einer der Männer von gestern schaut um die Ecke und zeigt uns einen Daumen, sofort danach verschwindet er wieder. Wir schreiben Abderrahim eine SMS, dass wir soweit fertig sind und uns freuen ihn zu sehen, aber er sich keine Umstände bereiten muss, da er später noch zur Jagd wollte. Während wir auf eine Antwort warten, schauen wir uns noch einmal um. Die vielen Tiere waren bereits in der Nacht verschwunden. Erst jetzt sehen wir jedoch, dass tatsächlich um den ganzen Platz ringsherum kleine Häuschen bzw. Schuppen stehen. Sie sehen nicht bewohnt aus, sondern eher für Lagerzwecke genutzt zu werden. Langsam gehen wir vom Platz hinunter und warten bei dem Restaurant von gestern weiter. Wir entscheiden uns Abderrahim anzurufen, da er gestern auch davon sprach ihn anzurufen. Er geht dran und meint, dass wir kurz warten sollen. Kurz darauf ruft er zurück und meint, dass er gleich da ist. Er möchte uns gerne zum Frühstück einladen. Es ist ihm eine Ehre, dass wir seine Gäste sind. Wir bedanken uns und freuen uns wirklich sehr. Es ist unglaublich diese Gastfreundschaft zu erfahren und kennenzulernen, wie die Menschen hier leben. Das Restaurant hat währenddessen noch geschlossen, doch wahrscheinlich ein Angestellter von dort ist bereits anwesend und holt aus dem Garten sowie vom Dach Stühle, auf die wir uns setzen sollen. Immer wieder schreiben wir kleine Texte in den Übersetzer, um uns etwas auszutauschen.



Dann kommt Abderrahim um die Ecke und winkt. Er zückt ebenfalls sein Handy und wir lesen, dass seine Mutter für uns Frühstück gemacht hat. Wir sollen ihm folgen, er wohnt nicht weit entfernt. Wir schnappen uns die vier Drahtesel und schieben mit Abderrahim zu seiner Familie. Auf dem Weg dahin tauscht sich Michi mit ihm übers Handy aus. Wir erfahren, dass der „official“ der Stadt uns angemeldet hat und wir aus diesem Grund eine Nachtwache hatten, die nach uns gesehen hat. Wir sind erleichtert, dass unsere Vermutung mit dem Guten zutrifft. Als wir das Haus erreichen werden wir hinein gebeten. Um einen Tisch stehen vier Betten, mehr befindet sich hinter dem Eingang nicht. Der Rest des Hauses scheint von den anderen Seiten begehbar zu sein. Wir ziehen uns die Schuhe aus und betreten den Raum. Die Matratzen auf denen wir sitzen sind hart, aber bequem. „Sind die mit Stroh gefüllt?“ fragt Michi uns anderen drei, während Abderrahim das Essen aus der Küche von seiner Mutter entgegen nimmt. Wir bekommen Kaffee, frisch zubereitetes Brot mit Oliven, Olivenöl, Butter und Honig. Es sieht richtig lecker aus und es schmeckt auch so. Wir alle genießen das Mahl und tauschen uns weiter übers Handy aus. Dabei zeigen wir uns gegenseitig Bilder vom Deutschland und Marokko. Abderrahim würde gerne einmal nach Europa, aber das ist für ihn nicht so einfach möglich. Ein Visum zu bekommen ist schwer und aktuell ist seine Frau schwanger. Wir schreiben ihm auf, dass wir sehr dankbar sind ihn und sein Land kennenzulernen sowie wie ungerecht die Welt ist. Er lächelt kurz und wir gehen zu schöneren Themen über, während an der Türschwelle fünf Katzen nach Essen betteln. Abderrahim wirft ihnen etwas Brot hin. Kurz sehen wir Abderrahims jüngere Brüder, doch seine Eltern oder Schwester sehen wir nicht. Nach circa einer Stunde wird es Zeit für den Abschied. Wir bedanken uns und bitten ihn den Dank auch an seine Familie zu richten. Zudem schenken wir ihm Ostfriesentee aus Emden und erklären kurz, wie dieser zubereitet wird. Dann werfen wir uns die Regenkleidung drüber, geben uns ein letztes Mal die Hand, winken und fahren zurück in Richtung Restaurant. Was für ein Erlebnis! Was für ein netter Mensch! Voller Motivation geht es noch leicht den Berg hinauf und anschließend hinunter. Wir machen eine kurze Pipipause, bevor uns die Straße auf und ab führt. Der Regen setzt zum Glück wieder aus und wie können die Kleidung ausziehen. Es ist sowieso viel zu warm.



In einem der nächsten Dörfer werden wir von einem älteren Paar angehalten. Der Mann schiebt eine Schubkarre den Berg hoch, während seine Frau als moralische Unterstützung nebenher geht. Michi steigt vom Fahrrad ab und nimmt die Schubkarre entgegen. Dann ist er verschwunden und Tim, Angela und Kyra machen sich schon viele wilde Fantasien darüber, was passiert sein kann. „Vielleicht muss er zum Essen bleiben“ – „Oder er wurde verheiratet und es wird gerade die Party vorbereitet“ – „Vielleicht muss er jetzt auch beim Haus bauen helfen“, doch dann kommt Michi um die Ecke und hält ein großes Stück Brot in der Hand. „Sie wollten, dass wir zum Essen bleiben“, lacht er. Da wir jedoch gerade erst vom Frühstück kommen, wäre gerade nicht wirklich viel Platz für ein nächstes Mal. Das Brot ist perfekt, denn so langsam geht uns unser Essen aus. Morgen, wenn wir in eine größere Stadt kommen, müssen wir unbedingt einkaufen. Doch nun geht es erstmal weiter die Hügel rauf und runter, bis ein längerer Anstieg folgt. Doch zunächst machen wir noch eine Pause bei einer Trinkwasserstelle um unsere Flaschen aufzufüllen. Oben vom Berg wurden mehrere dünne Schläuche hinunter geführt, um das frische Quellwasser zugänglich zu machen. Auf unsere Nachfrage wird uns versichert, dass es sich um Trinkwasser handelt. Ein Mann, der gerade am Schlauch sitzt, füllt uns ungefähr 6l Wasser in unsere Falschen. Anschließend gehen wir alle nach einander auf Toilette. Dabei werden wir von einem Hirten unterbrochen, der einem Straßenhund einen Stock hinterher wirft. Er scheint uns jedoch nicht wahrzunehmen. Zum Glück nehmen uns auch die zahlreichen Wildbienen, die wir laut Summen hören, nicht wahr oder scheinen sich nicht daran zu stören. Während wir beide gerade auf Toilette sind, bekommen Tim und Angela bei den Drahteseln Lutscher geschenkt. Nach einem kleinen Stück Brot lutschen wir alle unseren Lolly. Schon geht es weiter. Um den Berg etwas entspannter hinauf zu kommen, fahren wir die neue Breite Straße in Serpentinen hoch. Zwischendurch legen wir kurze Pausen zum Trinken ein. Immer wieder sehen wir am Straßenrand Wasserstellen zum Waschen. An einer überdachten machen einige jüngere Menschen ein Picknick. Unter ihnen auch zwei Frauen ohne Kopftücher, welche uns laut anfeuern. Kräftig klatschen sie und rufen uns zu. Als Angela und Kyra vorbei fahren rufen sie: „You are so beautiful“. Wir müssen lachen, winken und zeigen einen Daumen. Dann wird es wieder still um uns, während wir uns weiter hinauf kämpfen. Durch das Serpentinen fahren ist die Steigung zum Glück nicht so anstrengend wie gestern und nach einiger Zeit haben wir es geschafft. Wir sind noch nicht ganz oben, aber es soll deutlich abflachen. Anscheinend geht es für uns sogar erstmal bergab. Geschwind rasen wir nun auf einer Nebenstraße in die Tiefe.



Uns umgibt dabei ein leckerer Geruch nach Essen durch die umliegenden Häuser. Dann müssen wir wieder leicht nach oben, doch als unser Weg nach links wegführen soll, stehen wir vor einem kleinen Rätsel. „Da ist kein Weg, oder?“ fragt Michi und blickt in die Richtung, wo laut Navigation der Weg sein sollte. Wir anderen drei schütteln ratlos den Kopf. „Sollen wir mal gucken? Dahinten könnte ein kleiner Schotterweg lang führen“, meint Kyra. Tim und Michi stellen ihre Drahtesel ab und schauen sich die Ecke genau an. Tatsächlich finden sie etwas, was aussieht, wie ein alter Weg. Um dorthin zu kommen tragen wir ein Fahrrad nach dem anderen über eine tiefe Abflussrinne aus Stein und schieben eine kleine Schotterpiste empor. Doch der Boden wird nicht wirklich besser und somit laufen wir eine Weile mit den Drahteseln in der Hand. Die Umgebung ist wunderschön. Leider scheint es auch hier einige Waldbrände in der Vergangenheit gegeben zu haben. Die Bäume sind tot und am Stamm verkohlt. Auch auf dem Weg finden wir große Kohlstücke. Doch die Natur holt sich die Fläche längst wieder zurück. Auf dem Boden wächst Heide und die Umgebung ist für unser Verständnis für Januar erstaunlich grün. Der Weg ist zwar zu uneben zum Fahren, aber zum Schieben nicht so schwer. Nach ungefähr der Hälfte der Strecke halten wir trotzdem kurz trinken ein Schluck und essen unser geschenktes Brot. Dabei setzt leider leichter Nieselregen ein. Dann schieben wir weiter, doch immer wieder passieren wir kurze Stellen, wo wir fahren können. Endlich sehen wir das Ende und befinden uns wieder auf der neuen asphaltierten Straße. Sofort rollt es besser, doch dafür fangen die Höhenmeter wieder an. Routiniert fahren wir ein weiteres Mal Serpentinen bis die Straße selbst in Serpentinen übergeht. Zwischendurch kommen uns vereinzelt Autos entgegen. Die Strecke scheint eine beliebte Passstraße zu sein, denn die Frauen auf den Beifahrersitzen halten ihr Handy aus dem Fenster und Filmen die Szenerie. Auch wie bewundern die Umgebung. Trotzdem wir mitten in einer Wolke sind, sieht es weiterhin wunderschön aus. Mittlerweile befinden wir uns in einem Wald. Und dann huscht etwas über die Straße. „AFFEEEE“, ruft Angela und Tim sowie Michi stimmen zu. Kyra ist sprachlos. Der Affe ist jedoch schnell von der Straße wieder verschwunden. Als wir an der Stelle, wo er in den Wald gehuscht ist, sind, springt Michi vom Fahrrad und macht ein paar Fotos. In der Zwischenzeit rennen weitere Affen über die Straße und folgen dem ersten. Es ist sogar ein Jungtier dabei. Wir können unser Glück kaum fassen. „Ich hatte zwar vor einigen Stunden unten das Schild mit dem Hinweis auf Affen gesehen, habe es jedoch irgendwie nicht so ernst genommen.“ meint Kyra. Die anderen bejahen. „So ein bisschen wie mit Bären in Finnland, dachte ich. Sie sind irgendwo, aber die meisten bekommen sie nie zu Sicht. Anscheinend falsch gedacht. Oder wir hatten richtig Glück!“, überlegt Kyra weiter laut als wir bereits weiterfahren. Die nun letzten 500 m sind mit der Motivation der Affen schnell gemeistert und so ziehen wir uns Regenkleidung für die Abfahrt an. Die nasse Luft lässt es kälter wirken als es ist und es wirkt bereits leicht dunkel. Trotzdem ist die Abfahrt nett. Es geht mal wieder rasant hinab und wir fordern unsere Bremsen in den Kurven der Serpentinen. Dann sehen wir Menschen und fahren durch ein Dorf. Einige winken uns zu oder schauen verwirrt, dass vier verrückte Europäer bei diesem Wetter in diesen Höhen unterwegs sind. Dann liegt das Dorf bereits hinter uns und wir müssen schnell mit der Schlafplatzsuche beginnen. In 30 min wird es dunkel, die letzten Kilometer Abfahrt werden wir morgen machen. Durch den Nebel ist es etwas erschwert eine geeignete Stelle zu finden, denn wir sehen unsere Umgebung kaum. Als ein Schotterweg nach rechts verläuft, fahren wir in diesen ein und verschwinden sogleich rechts hoch auf eine Grünfläche. Das schieben über die nasse Fläche den Berg hinauf, raubt uns die letzte Kraft. Durch den dichten Nebel zunächst nicht sichtbar erkennen wir nun, dass wir geradewegs auf eine selbst gezimmerte Hütte zugelaufen sind. Irgendwer scheint sich hier etwas regendichtes gebaut zu haben. Die Feuerstelle nebenan sieht zwar so aus, als hätte erst vor kurzem ein Feuer gebrannt, trotzdem müssen wir dringend einen Schlafplatz finden und entscheiden etwas im der Nähe zu suchen. Im Wald bleiben Tim und Michi jedoch erfolglos. Das Gewächs auf dem Boden und die Steine in der Erde sind zu dicht. Etwas oberhalb der Hütte könnte es jedoch klappen. Wir schieben weiter den Hang hinauf und finden schließlich ein geeignetes Plätzchen. In der Zwischenzeit ist es bereits dunkel geboren und zunächst müssen wir die Steine aus dem Boden entfernen. Das gestaltet sich ohne Licht gar nicht so leicht. Wir legen die Planen aus und fühlen auf allen Vieren, ob irgendwo noch ein Stein im Liegebereich zu finden ist. Dann bauen wir die Zelte auf und sind überrascht, wie viele Personen den von uns unten genutzten Schotterweg befahren. Die Autos scheinen uns mit ihren Fernlichtern noch leicht am, doch zum Glück reflektieren die Zelte kaum und sind somit nicht sichtbar. Der Nebel zieht sich zurück und der Mond, welcher fast voll ist, scheint kräftig auf unser Zeltdach. Wir haben schon Sorge nun sichtbar zu sein, jedoch nimmt weiter niemand von uns Notiz. Beruhigt klettern wir alle in unsere Schlafsäcke. Kochen lassen wir jedoch ausfallen, denn mit den Flammen wären wir gut sichtbar. Aus diesem Grund Naschen wir nur noch Brot und Süßigkeiten Reste im Zelt. Gute Nacht!


