Tag 41 –Pizzaofen (12.07.2024)

Von Ladykirk nach Innerleithen

Noch etwas müde wachen wir am Fluss Tweed auf. Die Nacht war ruhig und auch jetzt hören wir nichts anderes als das Plätschern des Flusses. Heute soll, laut Wetterbericht, ein verregneter Tag werden. Ein Regengebiet wird über uns ziehen. Also frühstücken wir zunächst im Zelt Kurz bevor wir fertig sind, kommen die ersten Spaziergänger*innen mit Hunden vorbei. Die meisten scheinen uns zu ignorieren. Seitdem wir in Schottland sind, dürfen wir offiziell Wildcampen. Das macht vieles einfacher. Es ist egal, wenn einen abends oder morgens noch andere Personen sehen, solange man ein Gefühl von Sicherheit hat. Langsam bauen wir ab und putzen Zähne. Unsere erste Herausforderung des Tages wartet: Wir müssen Emil und Elias den Steilen Weg vom Wanderweg wieder hoch schieben, um auf hinter der Brücke auf unsere Straße zu gelangen. Mit viel Kraft schieben wir zunächst zu zweit Elias empor und anschließend Emil. Unsere müden Armmuskeln wurden somit geweckt. Jetzt sind unsere ebenfalls müden Beinmuskeln dran. Mit einer leichten Steigung beginnt die Strecke. Wir kämpfen uns hinauf und sind nach wenigen Metern eingefahren. Wir fahren durch eine wunderschöne leichte Hügellandschaft mit viel Landwirtschaft. Die Straße ist wesentlich besser, als die Straßen der vergangenen Tage. Kaum ein Auto zieht an uns vorbei und wir hören nichts außer uns, die Fahrräder und Vögelgezwitscher. „Wie schön es heute ist!“ stellt Kyra überzeugt fest. Nur selten kreuzen wir die Hauptstraße und fahren die meiste Zeit auf kleinen Straßen. Bereits nach 15 km stellt Michi fest: „Hast du auch so einen großen Hunger? Die nächste Sitzgelegenheit ist meine!“ Und tatsächlich, als links von uns eine kleine „Grasbucht“ vor einem Feld auftaucht, lenkt Michi zielsicher darauf zu und bleibt stehen. Kyra hält verdutzt an: „Was ist los?“ „Essen!“ antwortet Michi nur. Wir lachen und setzen uns hin. Auch wenn wir erst wenige Kilometer haben, der Hunger ist umso größer. Es gibt Spaghetti mit Tomaten-Knoblauch Soße. Lecker! Nudeln gehen auf einer Radreise immer. Zum Nachtisch gibt es Pfirsiche und Schokolade. Erstaunt stellen wir beim Essen fest, dass der Himmel über uns aufreist. Regen ist nicht in Sicht, eher im Gegenteil, die Sonne scheint uns immer wieder für kurze Zeit an. Was für ein großes Glück wir haben! Ein Mann kommt mit seinem Hund vorbei. Er strahlt uns an und meint, dass wir richtig Glück mit dem Wetter haben. Er findet unsere Pläne großartig und verabschiedet sich nach kurzer Zeit wieder. Einige Minuten später kommt er zurück und fragt in welche Richtung wir weiterfahren. „It’s hilly overthere!“ meint er mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Auch alle Autofahrer*innen, die an uns vorbeifahren, lächeln uns an und winkeln. Wie nett hier doch alle sind. Unglaublich.

Als wir weiterfahren, bemerken wir, dass es tatsächlich hügeliger wird. Immer wieder haben wir Sorge, dass die bis zu 33 % von der Ostküste in England wiederkommen, doch es bleibt zwar anstrengend, aber gut machbar. Wir sind beeindruckt von dem großen Unterschied und freuen uns sehr. Stetig geht es bergauf. Zwischendurch haben wir jedoch kleine Passagen mit Abfahrten. So können wir kleine Abfahrten genießen und unsere Muskeln entspannen. Perfekt, um ohne Pause weit zu kommen, denn unser Ziel für heute ist Innerleithen. Nach Innerleithen wartet ein langer Anstieg, der uns in Richtung Edinburgh führt. Die ersten Meter des Anstiegs möchten wir erklimmen, um irgendwo am Bach außerhalb der Städte einen Schlafplatz zu finden. Doch nun sind wir erstmal in Newtown St. Boswells und noch circa 30 liegen vor uns. Als wir den Ort verlassen geht es erstmal weiter bergauf. Eine Frau kommt von hinten angeradelt und ruft uns zu: „You do it well“ und „Impressiv!“ Das gibt uns Motivation! Der Hügel vor uns bewältigt sich fast von alleine. Wir folgen weiter dem Fluss Tweed und sehen alle paar Kilometer Fahrradschilder, die angeben, wie viele Meilen es noch bis Innerleithen sind. Die Meilen scheinen schnell zu schrumpfen und nach einger Zeit haben wir die höchste Stelle vor der Stadt erreicht. Oben angelangt liegen drei Mountainbiker, genießen den Ausblick und die Sonne, welche weiterhin gegen alle Prognosen scheint. Ihre Blicke verraten alles, als sie uns sehen. Sie sind sichtlich erstaunt, mit wie viel Gepäck wir hinaufgefahren sind und ohne Pause weiterziehen. Vielleicht aus Trotz, vielleicht auch aus echter Interesse sagt der eine: „Oh, so much luggage!“ und ein anderer: „Millenials are so funny!“ Kyra ist sichtlich verärgert, aber sagt nichts und fährt weiter. Michi hingegen meint: „Sehe es positiv! Wir sehen jünger aus, als wir sind.“ Der Ärger ist somit schnell verflogen und wir genießen die kleine Abfahrt, die uns in die Stadt führt. Dort angekommen suchen wir den Supermarkt auf und Michi geht einkaufen.

Kyra telefoniert währenddessen mit ihrer Mutter, die am nächsten Tag in den Urlaub fährt. Anschließend suchen wir noch die öffentliche Toilette auf und sprechen Bewohner*innen der Stadt, die gerade ihr Haus in den Farben von Schottland (blau und weiß) schmücken, an, ob sie unsere Wasserflaschen auffüllen können. All unsere Flaschen werden aufgefüllt und wir sind erneut unglaublich dankbar. Wir erfahren, dass am Wochenende ein Festival in der Stadt stattfinden soll und deshalb alle Häuser geschmückt werden. Und tatsächlich, fast jedes Haus trägt die Farben weiß und blau. Als alle organisatorischen Dinge, wie Einkauf, Toilette und Wasser, erledigt sind, fahren wir der letzten Steigung für heute entgegen, um einen Schlafplatz zu suchen. Die Steigung ist, wie bei Komoot beschrieben, unglaublich angenehm. Es geht an den letzten Häusern der Stadt und am Golfplatz vorbei, bis wir bereits zwei Zelte und einen Camper am Straßenrand sehen. Wir fragen nett, ob wir uns dazustellen können und es wird bejaht. Bevor wir das Zelt aufbauen, schaufeln wir noch die Schafsscheiße weg, die überall verteilt liegt. Anschließend wird Michi von dem älteren Herrn im Camper gefragt, ob er Werkzeug für sein Dieselgenerator hat. Leider verstehen die beiden sich kaum, da Lowland Scots oder Schottisch-Gälisch sehr anders klingt als englisch, doch mit Zeichensprache findet Michi schlussendlich heraus, welches Werkzeug gesucht wird. Er geht sogar mit und hilft beim Reparieren. Am Ende funktioniert der Generator wieder und der Mann ist sehr glücklich. Wir wiederum sind ein bisschen belustigt, da der laute Dieselgenerator nun läuft, damit er Fernseh gucken kann. Wir freuen uns jedoch, dass wir den Mann glücklich machen konnten und beachten es nicht weiter. Für uns ist nun Pizzatag angesagt! Dafür erhitzen wir die Pfanne auf unserem Kocher (der Drache läuft aktuell übrigens nur noch mit Gas), legen die zwei Pizzen mit dem Belag zusammengelegt hinein und stölben einen Topf verkehrt herum oben drüber. Tadaaa: Ein Pizzaofen wurde kreiert. Und es funktioniert einwandfrei. Die Hitze wird groß im Inneren und verscheucht alle Midgets in der Nähe. Zudem schmilzt der Käse und die Pizza wird warm. Die kleine Fertigpizza aus dem Supermarkt kostet gerade einmal weniger als 1 Pfund und schmeckt super. Dieses Essen wird es in Zukunft bestimmt häufiger geben und beim nächsten Mal, werden wir die Pizza selbst machen. Als es langsam dunkel wird, schließen wir das Zelt und gehen glücklich und gesättigt schlafen. Gute Nacht!