107 - 2 Platten an einem Tag (16.09.2024)

Von Liscannor nach Clooncolla

Das erste Mal seit langer Zeit schlafen wir mit offenem Zelt. Der Wind pustet uns angenehm um die Ohren und es ist warm. Die Sonne ist soeben aufgegangen und wirft bereits ihre ersten Strahlen auf unser Zelt. Was für ein herrlicher Morgen! Wir stehen auf und entscheiden das Frühstück in den Sonnenstrahlen zu genießen. Schnell ist alles abgebaut und während der erste Camper bereits den Hafen verlässt, schieben wir die Drahtesel mit Gepäck zu einer Bank im Sonnenschein. Wir frühstücken Müsli und schauen dabei den Wellen auf dem Meer zu. Vögel flattern um uns herum und zwitschern im Sonnenlicht. Sie scheinen die Atmosphäre genauso zu genießen wie wir. Als unsere Unterplane getrocknet ist, sind wir mit dem Frühstück fertig und startklar. Kurz vor uns reist der zweite Camper ab. Auf den ersten Metern wird sofort deutlich, dass Elias Vorderrad noch schlimmer geworden ist. Ab und an schleift das Vorderrad an der linken Seite vom Gepäckträger und die gesamte Zeit wackelt es hin und her. Es ist Zeit eine Bestellung aufzugeben, weshalb Michi eine Mail verfasst und schließlich abschickt. “Hoffentlich antworten die schnell”, hofft Michi. Denn wir hatten bereits einen Verkäufer angeschrieben, welcher den Versand nach Irland ausgeschlossen hat. Diese Erfahrung ist uns bereits von den ersten Reparaturen von vor einer Woche bekannt. Unser Weg führt uns vorbei an einem Golfplatz und nach Iahinch. Wie es häufig so ist, fallen uns sofort einige schöne Plätze zum Wildcampen auf, doch in der Panik, dass wir im Dunkeln aufbauen müssen, sind wir nicht mehr so weit gefahren und haben das Erstbeste genommen. In der Stadt ist einiges los. Zahlreiche große Reisebusse fahren an uns vorbei. Es sind beinahe mehr Reisebusse als Autos unterwegs. Scheinbar sind sie alle auf den Weg zu den Klippen von Moher. Gut, dass wir diese am späten Abend besucht haben.

Wir kürzen unsere Fahrradroute ein wenig ab und folgen der größeren Straße mit einer schönen Aussicht auf das Meer. Durch die Umplanung sind die Steigungen angenehmer und erst in Milltown Malbay verlassen wir die nicht stark befahrene Hauptstraße. Geradeaus folgen wir der nun kleinen Straße an einigen schönen Häusern vorbei, da bemerkt Kyra: “Emil fährt heute so schwammig!”. Doch Michi stellt nichts außergewöhnliches während der Fahrt von hinten fest. Ein paar Meter später halten wir und tatsächlich… Emil hat Luft verloren, die sogleich nachgepumpt wird. Hoffentlich befindet sich kein Loch in dem Schlauch. Wir folgen weiter der Straße und als wären wir falsch abgebogen, wird es plötzlich steil… Sehr steil! Mit 20 % Steigung fahren wir die Straße mehrmals rauf und runter. Beim 5. Mal wünschen wir uns, dass es doch langsam vorbei sein könnte und entdecken kurze Zeit später ein Schild, welches die Fähre in 1,5 km ausweist. “Oh, wir haben noch 8 min”, sagt Kyra und wir treten kräftig in die Pedale. Nur noch rechts abbiegen, ein bisschen geradeaus, rechts und… Geschafft! Ein junger Mann winkt uns und wir rollen auf die Fähre, die nach uns ablegt. Neben uns stehen zwei weitere deutsche Radreisende. Die beiden sind kurzfristig für 2 Wochen den EuroVelo 1 gefahren und sind ganz begeistert. “Vielleicht fahren wir jetzt jedes Jahr ein Stück weiter”, sagt die Frau. Sie haben einen Flieger von Deutschland genommen und sich die Räder in Irland geliehen. Da sie jede Nacht ins Hotel gehen, haben sie nur Anziehsachen dabei. Mit insgesamt 4 Taschen, jeder 2 hinten, kommen sie aus. Nun sind sie bereits nach einer Woche Fahrradfahren auf dem Rückweg und möchten noch den höchsten Berg von Irland zu Fuß besteigen. Als sie von unseren Plänen hören, erzählen sie, dass sie vor ein paar Tagen einen Mann aus Australien getroffen haben, welcher nach 2 Jahren noch keine Lust hat zurück zu fliegen. Seinen anstehenden Flug hat er verschoben und nun möchte er noch eine Weile weiter radeln, da er zu sich selbst finden möchte. Michi sagt daraufhin: “Hoffentlich flieht er nicht vor sich selbst”, was die beiden etwas grübelnd bejahen. Wir wünschen uns gegenseitig Glück für die Reise und unsere Wege trennen sich. Da wir dringend neues Wasser benötigen, füllen wir dieses auf der öffentlichen Toilette des Fähranlegers auf und essen etwas Müsli. Ein neben uns parkender Autofahrer bemerkt uns und fragt uns über die Tour und die Fahrräder aus. Er ist schwer zu verstehen, doch unglaublich freundlich. Nach wenigen Sätzen wünscht er uns viel Glück für die Reise und fährt mit seinem Auto davon. Für uns ist an das Weiterfahren erstmal nicht zu denken, denn Kyras Reifen ist erneut platt. Also pumpen wir erneut auf und hoffen weiterhin auf das Beste.

Doch als wir auf der Hauptstraße zur nächsten Stadt richtig Gas geben kommt das schwammige Gefühl schnell wieder und uns ist klar, wir müssen den Schlauch wechseln. Dabei entdecken wir Glas im Mantel und ein ganz ganz kleines Loch. Das Loch wollen wir später flicken, wenn wir mehr Zeit haben. In Listowel angekommen gehen wir erstmal einkaufen und als wäre es verhext, ist Kyras Hinterreifen wieder platt. Wir besprechen kurz eine Arbeitsteilung und das Ergebnis ist, dass Kyra schnell einkaufen geht, während Michi den Schlauch flickt. Nach einem Eis zur Motivation ist der Schlauch mit Mantel wieder schnell aufgezogen und das Rad eingesetzt, weshalb die Schlafplatzsuche beginnen kann. Auf der Karte haben wir entdeckt, dass in circa 10 km ein kleiner Weg von der Straße abführt und in einem Mini-Wald endet. Vielleicht finden wir dort etwas? Wir machen uns auf den Weg zu der besagten Stelle und folgen zunächst einem tollen Radweg. Dieser endet plötzlich und wir biegen kurz danach auf eine kleinere Straße ab.

Als wir die kleine Straße erreichen folgen wir dieser, doch alle umliegenden Felder und auch der kleine Wald sind durch Zäune vom Weg abgetrennt. Bei einer Weide steht zwar das Gatter offen, doch unsere Angst, dass am nächsten Morgen eine Herde mit Bulle hineingetrieben wird, ist zu groß. Aus diesem Grund drehen wir um und zum Glück haben wir dies getan! Wir hörten bereits Hunde bellen, doch als wir links um die Kurve fahren, um zur Straße zurück zu kommen, werden wir von drei großen Hunden angebellt. Das Frauchen, welches alle drei an der Leine hält, kann die drei Hunde kaum halten, so aggressiv sind sie. “Wie wären die nur auf unser Zelt abgegangen?”, fragt sich Kyra und auch Michi ist etwas irritiert. Auf der Straße zurück sehen wir einen Mann den Rasen im Garten mähen. Wir fassen all unseren Mut zusammen und sprechen ihn an: “Hi! Do you know a place, where we can pitch up our tent?” Er überlegt kurz und empfiehlt uns anschließend ein Feld hinter seinem Haus. Der Bauer war vor 2 Wochen da und hat den Rasen gemäht. Er sollte die Tage nicht wiederkommen, da Hecken die Fläche umgeben, sind wir kaum einsehbar und das Tor steht offen. Perfekt! Doch bevor zur besagten Stelle fahren, quatschen wir noch eine Weile über Autos. Er scheint begeisterter Autofahrer zu sein und ist an dem VW Werk in Emden interessiert. Anschließend machen wir uns auf den Weg und finden die beschriebene Stelle. Kurz nach Sonnenuntergang bauen wir unser Zelt auf und schlafen bei einem riesigen fast vollen Mond müde ein. Gute Nacht!