Tag 124 – Willkommen in Frankreich (03.10.2024)
Vom Ärmelkanal nach Dieppe
Wir wachen von einer Durchsage auf – Frühstück gibt es ab 4 Uhr, und wir haben eine Stunde Zeit. Schlaftrunken machen wir uns fertig, treffen Jack und andere Radfahrer, und schließlich geht es vom Schiff runter. Es ist noch dunkel, und wir passieren die französische Grenze. Voilà, wir sind in Frankreich! Gemeinsam mit Jack fahren wir in die Stadt, immer wieder sehen wir bekannte Gesichter auf dem Weg zum Bahnhof. Dort spendiert uns Jack einen Kaffee, bevor er weiter muss. Für uns geht es weiter zur Bäckerei, dann zum Strand. Die nette Verkäuferin versteht eindeutig Englisch, mit uns spricht sie es jedoch nicht. So zeigen wir auf allerhand Leckereien und glänzen mit unseren paar Brocken Französisch. Beide Seiten nehmen die Situation jedoch mit Humor und mit einem “Merci. Au revoir!” verabschieden wir uns aus der kleinen, feinen Patisserie. Mit einem Eclair und Croissant in der Hand beobachten wir den Sonnenaufgang über dem Meer. Die Kreidefelsen und die Burg im Hintergrund, das sanfte Licht auf den Wellen – die Stimmung ist magisch.
Danach kämpfen wir uns, etwas erschöpft und noch leicht müde, den steilen Anstieg zum Decathlon hinauf. Wir brauchen dringend neue Flaschenhalter und Flaschen, außerdem einen Sattelbezug und einen kleinen Rucksack. Mit neuer Ausrüstung machen wir uns auf den Rückweg. Wir schrauben die alten gebrochenen Flaschenhalter ab und die neuen an und prüfen zudem weitere Verschleißteile infolge einer kleinen Säuberung der Drahtesel. Plötzlich rollt ein Auto auf uns zu – Michi schaut hin und denkt, es wird gleich ausweichen, aber es lenkt nicht. Niemand sitzt im Auto. Er ruft Kyra noch Unverständliches zu, sodass sie jedoch erkennt, dass Gefahr im Verzug ist und im letzten Moment wegspringt. Das Auto kracht in unseren Fahrradunterstand. Die Motorhaube ist verzogen, das Licht komplett zerbrochen und die Frontschürze eingedrückt und gerissen. Zum Glück sind wir und die Räder in Ordnung, aber es ist eine bizarre Situation: Keiner scheint sich wirklich zu interessieren. Ein Mann signalisiert, dass er den Vorfall gesehen hat, und als Michi in den Decathlon geht, entsteht plötzlich doch eine gewisse Aufregung. Am Ende, als Michi bereits wieder bei Kyra steht, kommt die Fahrerin mit neuen Schuhen in der Hand aus dem Laden. Sie zuckt nur mit den Schultern und fährt mit dem kaputten Auto davon.
Nach dieser seltsamen Episode beschließen wir, in die Brasserie Cap Horn direkt neben dem Sportgeschäft zu gehen. Als wir gerade die Speisekarte vor dem Lokal studieren kommt ein Mann zu uns. Es stellt sich heraus, dass er Hervéz, der Besitzer der Brasserie ist. Wir fragen ihn, welches Gericht er empfehlen würde? Wir bekommen ein paar gezeigt und wir setzen uns oben an einen Tisch. Kurz darauf kommt er mit einem Tablet-PC wieder, auf dem die Speisekarte in verschiedenen Sprachen angezeigt und bestellt werden kann. Wie praktisch! Die Bedienung kommt und ist wie der Besitzer sehr freundlich und bemüht. Der Besitzer lädt uns zudem noch ein, bei ihm im Garten zu übernachten, doch wir lehnen ab – wir haben bereits einen Schlafplatz über die Plattform Welcome to my Garden gefunden und uns dort seit ein paar Tagen angekündigt. Wir tauschen dennoch Telefonnummern aus und unterhalten uns gut. Er plant, in ein paar Jahren mit seinem Boot die Welt zu umsegeln, ähnlich wie wir mit dem Rad. Das Essen überzeugt uns: Pizza mit Camembert und einer Art Leberwurst und Tagliatelle mit Ente, Apfel und Pilzen. Als krönenden Abschluss eine unglaublich gute Nachspeise. Hervéz muss leider weg, aber wenn irgendetwas ist, sollen wir uns melden und das Angebot mit dem Garten steht. So unglaublich nett.
Satt und zufrieden genießen wir den Sonnenschein, schreiben an unserem Blog und trinken einen Kaffee sowie einen alkoholfreien Cocktail. Dann geht es wieder zurück durch Dieppe, wo wir uns mehrfach verfahren. Über Stufen gelangen wir schließlich zu einer höher gelegenen Straße. Eine Frau spricht uns zunächst auf französisch und dann auf englisch an. Wir unterhalten uns nett und sie gibt uns ein paar Tipps für schöne Orte in Frankreich. Schließlich erreichen wir einen Aussichtspunkt mit fantastischem Blick. Ziegen grasen in der Nähe, während Kyra sich mit ihrer Schaltung beschäftigt, und Michi mit einem alten Schulfreund telefoniert. Der Tag endet im „Welcome to My Garden“, wo Jean Marie uns herzlich begrüßt. Der Wintergarten wird unser Schlafplatz für die Nacht, wir genießen noch eine Dusche und Tee sowie ein gutes Gespräch mit dem leidenschaftlichen Schlagzeuger, bevor wir uns unter dem klaren Sternenhimmel zur Ruhe legen. Gute Nacht!