Tag 147 - Äpfel (26.10.2024)
Von Cancale nach Trévérien
Wir erwachen eingehüllt in dichten Nebel. Uns ist, als würden wir das Meer rauschen hören. „Das ist doch viel zu weit weg“, gibt Kyra zu bedenken. Doch es klingt eindeutig nach dem Rhythmus ans Ufer rollender Wellen. Egal was es am Ende ist… Es klingt wunderschön. So genießen wir Müsli mit „Wellenrauschen“ ehe unsere Nachbarn erwachen. Als wir fertig sind, beginnt die Aufbruchstimmung um uns herum. Autotüren gehen, Radios erklingen und Schlappen schlurfen über die nasse Wiese und den Asphalt. Wir gehen abwechselnd aufs Klo und Kyra trifft noch die netten deutschen Nachbarn von gestern. „Guten Morgen!“ rufen Sie sich fröhlich gegenseitig zu. Dann fangen wir im Zelt mit unserer täglichen Routine an. Wir packen unsere Schlafsäcke ein und rollen die Isomatten zusammen. Kyra geht nach draußen. Da kommt Richard noch einmal zu uns rüber geschlendert. „Sag mal habt ihr eigentlich einen Blog oder so?“ fragt er interessiert. Wir bejahen und schwupps sind wir in einem herrlichen kurzen Austausch. Richard und Renate haben selbst schon viele Abenteuer an Land und auf dem Wasser erlebt. Ob fernwandern, -radeln oder paddeln die beiden haben es gemacht und sind nun im Alter mit ihrem Campervan unterwegs. Für die Bretagne haben sie sich 6 Wochen genommen, davon verbleibt noch eine. „Dann geht’s nach Hause und Weihnachtsgeschenke kaufen“, sagt Richard belustigt. Auf ihren Reisen hat sich eines herausgestellt, dem wir nur zupflichten können. Wärme und Trockenheit sind das A und O. Denn wenn man durchnässt und kalt ist, wird alles doppelt so anstrengend und dann geht bald nichts mehr. Dann reden wir noch kurz über unser jetziges und sein altes Zelt und es wird Zeit lebewohl zu sagen. Wir verabschieden uns und winkend rollen sie davon. Dann machen wir uns weiter ans Zelt, das leider durch den Nebel und Tau pitsche, patsche nass ist. Michi wischt es mit dem Handtuch so gut es geht trocken. Es ist fast so, als hätten wir im Dauerregen gestanden. Dann ist es wieder halbwegs trocken und wir rollen von unserem kleinen Platz hinunter. Am Eingang des Campingplatzes hängt der Tau in den Spinnennestern und durch den Nebel sieht es richtig gruselig aus. Sollen wir bereits auf Halloween eingestimmt werden? Wir fahren los. Zunächst noch durch Nebel doch bald verschwindet dieser, als wir uns St. Malo nähern.
Wir machen kurz halt bei einer öffentlichen Toilette, die einen regen Betrieb erlebt. Zunächst gehen Mutter und Tochter auf Toilette, dann ein weiterer Mann und schließlich kann Michi endlich. Zwischenzeitlich reinigt sich die Toilette selbst, was insbesondere der Tochter einen großen Schock versetzt hat, sodass sie weinend aus der Toilette gerannt kam. “Die Toilette ist wirklich merkwürdig”, sagt Michi als er diese verlässt. Anschließend sehen wir einen Vater mit seiner Tochter im Rollstuhl die Promenade entlang fahren. Am Strand unten läuft die andere jüngere Tochter stolz durch den Sand. Wir können das strahlen der Tochter mit Beeinträchtigung neben uns sehen und ihre Freude darüber, was ihre jüngere Schwester erlebt. Es ist so ein rührender Moment, dass wir beide Tränen in den Augen haben und uns lächelnd anschauen. Kurze Zeit später erreichen wir die wunderschöne Altstadt von St. Malo. Wir schieben die Drahtesel durch die alten Gassen und schauen uns das Treiben der Stadt an. Eine wirklich schöne Stadt zum Bummeln, was zwar nicht ganz unserem Hobby entspricht, wir hier jedoch nachempfinden können. Zahlreiche Geschäfte ziehen unsere Aufmerksamkeit in Bann und aus den Cafés sowie Restaurants kommen kaum wiederstehbare Gerüche. Dann erblicken wir die wahrscheinlich längste Eisdiele der Welt. So viele verschiedene Sorten haben wir noch nie gesehen, doch der Preis hat es in sich, weshalb wir leider weiterziehen und auf Eis verzichten. Kurze Zeit später verlassen wir nach kurzem umherirren die Stadt wieder. Sobald wir unmittelbar an der Küste sind, haben wir wieder dichten Küstennebel, doch wir folgen der Bucht ins Landesinnere, wodurch die Sicht wieder klar wird.
Saint-Suliac überzeugt uns mit schönen Steinhäusern an der Küste gelegen. Wir verlassen die kleine Stadt jedoch sofort wieder und fahren den folgenden Hügel hinauf. Oben angekommen steht ein Kreuz neben einem Parkplatz. Dort stellen wir die Drahtesel ab. Der Blick über Saint-Suliac reicht fast bis nach Saint-Malo zurück. Es ist einfach unfassbar schön! Während Kyra kurz verschwindet und sich einen Platz als Toilette sucht, packt Michi das Mittagessen aus. Unsere Nachbarn im dort stehenden Wohnmobil bemerken unser kleines Mahl sofort und bieten uns Tisch mit Stühlen zum Sitzen an. Wie nett! Zum dankeschön überreichen wir Ostfriesentee. Wir genießen die warmen Sonnenstrahlen, schauen in die Ferne und naschen etwas Baguette. Nebenbei testen wir das neue Solar Panel, welches wir gegen unser defektes als Garantiefall austauschen konnten. Plötzlich rennt etwas schnelles Haariges auf uns zu. Der Hund weiterer Camper riecht anscheinend unser Essen und hat Hunger. Er springt Kyra an und kommt der seiner Schnauze den Leckereien auf unserem Tisch besonders nah. Hinter uns geht die Tür vom Camper unserer unmittelbaren Nachbarn auf und sie rufen etwas auf französisch den Hundebesitzern zu. Sofort wird der Hund zurückgeholt und sich entschuldigt. Wir sind dankbar und finden die Situation etwas lustig. Kurze Zeit später kommen weitere Camper mit weiteren Hunden hinzu. Die Gruppe wirft den Grill an und räuchert die gesamte Umgebung. Unseren direkten Nachbarn wird das zu viel. Sie gehen eine Runde spazieren, aber machen uns deutlich, dass wir ihren Tisch und Stühle so lange nutzen können, wie wir möchten. “Die scheinen alle heute Nacht hier zu bleiben, oder?” fragt Kyra an Michi gewandt. Er bejaht. Uns wird es jedoch langsam zu viel. Wir packen unsere Sachen und fahren weiter.
Doch viel weiter kommen wir nach einer rasanten Abfahrt nicht, denn am Straßenrand sitzt ein junges Mädchen mit allerhand Äpfeln vor sich. Kyra, die Äpfel liebt, hält an und sucht sich ein paar Äpfel raus. Wir wollen gerade bezahlen, da kommt ein älterer Herr um die Ecke. Er scheint der Opa oder vielleicht sogar Uropa des Mädchens zu sein, denn er erzählt, dass er 90 Jahre alt ist und sie schätzen wir auf vielleicht 12 Jahre. Mit einem Übersetzer und den bisschen englisch Kenntnissen des Mädchens übersetzen wir die wechselnden Worte. Jedes Mal liest das Mädchen die französische Übersetzung laut vor und ihr Uropa hört gespannt zu. Er ist total begeistert und scheint von einer so langen Radreise noch nie gehört zu haben. Zunächst möchte er immer mehr wissen, dann fragt er uns, ob wir auch die schönen Orte in der Umgebung gesehen haben. Als wir bejahen, ist er noch mehr aus dem Häuschen. Dann schlägt er uns vor, dass wir lieber andere Äpfel nehmen sollen, denn die Grünen seien besonders lecker. Wir hören auf seinen Ratschlag und probieren sogleich einen der gekauften Äpfel. Sie sind wirklich sehr köstlich und Kyra isst direkt einen ganzen Apfel auf. Kyra scheint damit weitere Kunden anzulocken, somit verabschieden wir uns und fahren weiter. Vor uns liegt die Brücke nach St. Hubert und nach wenigen weiteren Hügeln geht es runter zum Kanal La Rance, welchem wir nun die nächste Zeit folgen werden. Rechts hoch oben von uns ragt die Stadt Dinan. Die Altstadt soll besonders hübsch sein, weshalb wir die Höhenmetern hinauf gerne in Kauf nehmen. Beim hochkämpfen hübeln uns einige Fußgänger*innen zu, sodass wir uns fühlen, als würden wir bei der Tour de France mitfahren. Oben angekommen werden wir nicht enttäuscht. Wir sehen zunächst die Burg und fahren anschließend in die Innenstadt hinein. Die alten Fachwerkhäuser faszinieren uns sofort und Kyra meint: “Dass das Haus nicht zusammenfällt!”. Dabei zeigt sie auf ein altes Fachwerkhaus, welches durch Säulen getragen einen Vorbau hat. Wir machen ein paar Fotos, doch können die Schönheit nicht wirklich festhalten. Nachdem wir einmal durch die Altstadt gefahren sind, rollen wir den Hügel zurück hinunter zum Kanal und folgen diesem.
Da es bereits spät ist, machen wir uns sofort an die Schlafplatzsuche. Nach wenigen Kilometern werden wir fündig. Es laufen kaum Menschen am Kanal entlang und neben dem Weg etwas erhöht liegt eine Böschung. Wir schieben die Drahtesel hinauf und finden uns in einem kleinen Waldgebiet wieder. Das Zelt ist schnell aufgebaut. In der Hoffnung, dass es nach der Nacht nicht komplett nass ist, lassen wir die Außenzelttüren offen. So haben wir mit dem Wind etwas Durchzug, doch der aufkommende Nebel befeuchtet bereits unsere Fahrradtaschen. Wir ziehen uns ins Zelt zurück und schreiben etwas Blog am Handy. Als wir gerade schlafen wollen, beginnt in der Nähe irgendwo eine Techno Party, zumindest vermuten wir dies aufgrund der lauten Bassgeräusche und zwischenzeitlich rufenden Menschen. In der Ferne können wir zudem Schüsse von einer Jagd vernehmen, doch in unserem näheren Umfeld ist es jedoch ruhig, weshalb wir bald einschlafen. Gute Nacht!