Tag 151 - Der Schlag ins Gesicht (30.10.2024)

Von La Raitrie nach Notre-Dame-de-Monts

Wir erwachen mehrmals, aber eigentlich schlafen wir gut. Die Idee, dass die Feuchtigkeit unterm Tarp fern bleibt, war nicht gut. Seit wir das Tarp von den Schlafsäcken gestoßen haben, werden diese vom Wind sanft trocken gepustet. Immer wieder schließen wir die Augen und öffnen sie. Mal ist der Himmel klar und unzählige Sterne funkeln über uns, mal ist nur der Scheinwerfer eines entfernten Leuchtturms im Nebel auszumachen. „Ühhhäääää! Was ist das?“ entfährt es Kyra. Eine Schnecke ist ein wenig zu sehr auf Tuchfühlung gegangen. Von der flinken Reaktion Kyras überrascht zieht sie sich zusammen und wird prompt in das nächste Gebüsch geschleudert und Kyra dreht sich wieder um. Unter dem Rauschen der Wellen erwachen wir erneut im Morgengrauen gegen 7 Uhr. Nach einer kurzen Diskussion macht sich Michi auf das Messer und Besteck zu suchen. „Such aber bitte nicht ewig. Wenn es weg ist, ist es weg. Das hat bestimmt eh jemand mitgenommen. Und… pass auf dich auf. Ich finde das echt nicht gut“, gibt Kyra Michi mit auf den Weg. Schnell wird der Hinterreifen mit dem Schleichplatten nochmal aufgepumpt und dann geht es samt Elias die Klippen hinunter und ohne Taschen los in die Morgendämmerung. Kyra schreibt derweil etwas Blog und packt alles zusammen. Nach etwa 5 km erreicht Michi die Stelle, an der die alte Dame mit dem E-Scooter gestürzt war. „Moment oder doch nicht?“, fragt sich Michi. „Nein, noch ein Stückchen weiter.“ Tatsächlich, das ist die Stelle eindeutig und… Kaum zu glauben Besteck und Messer liegen im Graben. Voller Freude jubelt Michi kurz in den sonst stillen Morgen hinein. Auf dem Rückweg holt er noch zwei Croissants von einer Bäckerei, über die er zufällig stolpert. Als er zurückkommt, hat Kyra bereits fast alles von der Klippe getragen.

Als wir die letzten Sachen holen, sehen wir die erste Person am Morgen. Ein Jogger läuft routiniert die Klippen auf und ab, dann verschwindet er am Strand. Wir schauen uns ebenfalls den Strand an, als wir fertig sind und bemerken, dass der Jogger nackt baden war. Es schüttelt uns vor Kälte bloß beim Hinsehen und Gedanken daran. Noch verrückter finden wir, dass er kein Handtuch dabei hat und sich scheinbar vom kalten Wind trocken pusten lässt. Wir gehen zurück vom Strand zu den Klippen und setzen uns auf die einzige Bank, wo wir frühstücken. Es gibt die von Michi mitgebrachten Croissants. Anschließend fahren wir los. Doch wir kommen nicht all zu weit. Michis Schleichplatten muss endlich geflickt werden. Als wir gerade mit traumhaften Blick auf den Strand damit anfangen fahren Radreisende an uns vorbei. Kurze Zeit später kommt eine Frau, welche wir aufgrund unserer schlechten französisch Kenntnisse nicht verstehen. Sie möchte dennoch helfen und ruft extra eine Freundin aus Kanada an. Michi spricht mit der Kanadierin übers Telefon und versichert ihr, dass es nur ein Platter ist und wir wirklich keine Hilfe benötigen. Sie übersetzt es ihrer Freundin und diese lächelt uns freundlich an. Sie gibt uns zu verstehen, dass sie am Strand ist und falls wir Hilfe benötigen nur kommen müssen. So lieb! Nach wenigen Minuten ist der Platte zum Glück geflickt und wir können weiter. In der nächsten Stadt halten wir jedoch nochmal um Zähne zu putzen. Dabei werden wir von einigen Passanten komisch angeguckt, aber das interessiert uns schon kaum noch. Der Blick beim Zähne putzen auf den wunderschönen Hafen ist zumindest spannender, als zu Hause im Badezimmer zu stehen.

Als wir die Stadt verlassen, bemerken wir, dass es hier viele Austern gibt. Wir kämpfen uns kleine Steigungen empor und bei einer werden Wir plötzlich von einer E-Bike Truppe überholt. Der Erste sagt etwas auf französisch und Kyra antwortet, dass sie leider kein Franz spricht, darauf versucht er es auf englisch: “the reason why you are so slow…” Weiter spricht er nicht, weil ihm anscheinend das englische Wort fehlt. Wir sind jedoch genervt, egal was jetzt kommen würde. Ist es nicht unsere Sache wie schnell wir bergauf fahren? Zumal kann ein E-Bike-Fahrer die Anstrengung mit unserem Gewicht bei Gegenwind gar nicht nachvollziehen. Wir sagen nichts, sondern hängen uns einfach ran, denn nun, ist es flach. Seit Tagen freuen Wir uns auf die nun folgenden Kilometer, da wir es nun für eine ganze Weile flach haben werden. Wir folgen der E-Bike Truppe und fahren gemütlich in deren Windschatten. “Von wegen langsam”, denken wir uns dabei. Natürlich könnte uns die Aussage egal sein, aber irgendwie triggert sie uns noch immer. Ganze 5 km fahren wir hinter der Gruppe her, bis diese in einem Ort scheinbar ein Café sucht. Sie schauen uns verdutzt an und wir fahren weiter. Dann änder sich die Landschaft. Viele Häuser sind verlassen. Die Rolladen Sind zugezogen und Stühle stehen verkehrt herum auf Tischen. Ganze Straßen bzw. Dörfer befinden sich im Winterschlaf. Es sieht verlassen aus. Zwischen den Dörfern befindet sich viel Austernfischerei. Wäre die Austernindustrie nicht Da, würde es fast wie die Niederlande oder Zuhause, Ostfriesland, aussehen. Wir bekommen Heimweh, während wir über einen schwammigen Weg fahren. Um uns herum stehen einige Windräder und andere Radreisende kommen uns entgegen. Als der Weg endet, endet auch die Austernfischerei und Salinen umgeben uns. Es ist das erste Mal, dass wir so etwas sehen. Dementsprechend sind wir abgelenkt und schauen uns die Umgebung an. Zwischendurch pustet uns der Wind stark entgegen. Ein Mann mit seinen zwei Töchtern, ebenfalls auf Radreise, kommt uns entgegen. Wir winken uns. Wenig später holt uns ein weiterer Radreisender von hinten ein. Wir sprechen ihn an und er stellt sich als Arsene vor. Es ist seine erste Fahrradtour und er ist vor 2 Wochen in Paris gestartet. Um schönes Wetter zu haben, möchte er schnell nach Spanien. Das können wir gut nachvollziehen. Doch zunächst bleibt er übers Wochenende bei Freunden in Bordeaux. Nach einigen gemeinsamen Kilometern muss er abbiegen, da er den Eurovelo für eine Abkürzung zu seinem gebuchten Airbnb verlässt. Wir tauschen Nummern, winken uns noch einmal zu und fahren wieder getrennte Wege. Nach wenigen Kilometern fahren wir an einem Campingplatz vorbei und wollen schon spontan dort bleiben, da bemerken wir, dass dieser bereits geschlossen ist. Von einem Mann,xder eine Unterkunft auf dem Campingplatz gekauft hat, bekommen wir jedoch frisches Trinkwasser, wodurch wir wieder für die nöchste Nacht ausgestattet sind. Unser Weg führt uns durch ein Wand-Dünengebiet. In der Hoffnung einen Schlafplatz zu finden, fahren wir zum Strand. Dort beobachten wir noch kurz einen älteren Herrn Der mit seinem Enkel am Strand spielt. Zum Schlafen finden wir hier jedoch nichts. Aif dem Hinweg war jedoch ein großer Platz mit Bänken und Tischen, dort wollen wir es erwas versteckt versuchen. Als wir zurück an dem Platz sind, stellen wir fest, dass dieser perfekt ist. Wir warten noch kurz bei einem Müsli bis alle Spaziergänger*innen verschwunden sind und suchen anschließend die nähere Umgebung nach einer guten Zeltplatzstelleavb. Dabei rennen wir von Düne zu Düne. Es macht richtig Spaß und wir fühlen uns für einen Moment wie 20 und frisch verliebt. Michi macht vor Freude einen Sprung und reißt dabei den Arm in die Luft, der Kyra mit voller Kraft an der Lippe trifft. Die Lippe platzt auf und blutet. Michi, der dafür gar nichts kann fühlt sich prompt schlecht, doch alles ist in Ordnung. Die Lippe schwillt schnell wieder ab und nur ein kleiner Riss bleibt. Glücklicherweise finden wir zudem einen Schlafplatz, doch zuvor schreiben wir noch etwas Blog. Als es schließlich dunkel wird, schieben wir die Räder die Düne hinauf, bauen das Zelt auf und gehen schlafen. Gute Nacht!