Tag 162 - Saint-Jean-Pied-de-Port (10.11.2024)

Von Autevielle-Saint-Martin-Bideren nach Saint-Jean-Pied-de-Port

Es ist heller als die letzten Nächte, doch es regnet. Dann endet der Regen und Kyra hört ein leises tiefes Geräusch, welches knurren oder Schnarchen ähnlich kommt. “Michi… Michi?”, sagt sie verunsichert und beugt sich zu ihm rüber. “Ach, du bist das”, sagt sie anschließend beruhigt. Doch Michi ist im gleichen Moment eher verunsichert. “Ich bin das nicht!”, sagt er laut und plötzlich knurrt es neben uns noch lauter. Wir reden kurz belanglose Zeug, wie “Man soll doch auf sich aufmerksam machen” und “Man soll laut reden”, nur damit das Tier unsere menschliche Stimme hört. Doch das Tier neben uns ist davon nicht beeindruckt und macht weiter ziemlich wütende Geräusche. Es Schnaupt und Knurrt. Dann scheint es langsam den Hügel hinauf zu gehen und zu verschwinden. Michi ist kurz leise und überlegt dann laut: “Das ist das Tier auf der Weide. Vielleicht ein Pferd?”. Diese Aussage beruhigt uns beide so sehr, dass wir wieder einschlafen. Mit dem ersten Licht am nächsten Morgen wachen wir auf und sofort sind wir hellwach. Ein Auto fährt den kleinen Weg zu unserer linken hinauf. Es bleibt jedoch nicht stehen und uns somit nicht weiter zu beachten. Trotzdem möchten wir schnell abbauen und weg. Als wir gerade den Schlafsack einpacken, kommt ein zweotes Auto hinauf. Michi guckt sich dieses von hinten aus dem Zelt gelehnt an und stellt fest, dass es Jäger sind, die sich anscheinend oben treffen. 40 min später haben wir abgebaut und rollen auf den Fahrrädern hinunter. Das Zelt wurde noch nass eingepackt und der Himmel in der Ferne sieht bedrohlich dunkel aus, doch es ist kein Regen gemeldet. Wir suchen beim Losfahren beide die Weide ab, doch sehen nichts. Kyra stellt fest: “Das war kein Pferd. Da steht auch gar nichts auf der Weide. Das muss ein Wildschwein gewesen sein.” Michi sucht zunächst nochmal nach einem Tier auf der Weide, findet nichts und bejaht anschließend. Doch im nächsten Moment erfreuen wir uns am Anblick unserer Umgebung. Vor uns können wir die Pyrenäen sehen, die wie in Deutschland das Alpenpanorama, ein unbeschreiblich schönes Panorama vor uns darstellen. Eine Kirche mitten vor den Bergen macht die Aussicht perfekt und weckt in uns etwas Heimweh. Wir fahren weiter und finden eine Bank, Auf der wir nun erstmal frühstücken möchten. Es gibt Müsli. Dabei telefoniert Kyra mit ihrer Mutter und Michi mit seiner Schwester. Anschließend geht es weiter. In Saint-Palais folgen wir unserer Nase und finden eine Bäckerei. Die Schlange vor dem Geschäft ist erstaunlich lang, doch der Duft zu gut, um vorbei zu fahren. Kyra stellt sich an und kommt mit zwei Croissants sowie zwei anderen kleinen Leckereien, wovon eins ähnlich wie Tiramisu aussieht, zurück. Als wir uns gerade setzten und essen möchten, gibt ein Mann zu verstehen, dass da vorne um die Ecke Tische sind. Ein anderer lässt uns über die Straße gehen. Es scheinen alle unglaublich lieb und nett zu sein. Wir essen unser zweites Frühstück und sind gut für den Tag mit ersten Höhenmetern gestärkt. Wir schwingen uns auf die Drahtesel und fahren zunächst einen Hügel hinauf. Oben angekommen müssen wir uns ausziehen, da wir bereits jetzt nass geschwitzt sind. Zudem hat sich der Himmel aufgezogen und ist nun nahezu blau.

 Wir fahren weiter und es geht auf und ab. Mal geht es an der Straße hinauf und mal auf separaten Fahrradwegen durch tolle Natur. Immer wieder sehen wir das Zeichen vom Eurovelo 3 und dem Jakobsweg. Das Motiviert uns, denn unser heutiges Ziel ist der Beginn vom Camino Frances, die Stadt Saint-Jean-Pied-de-Port. Nach einem zweiten langen Hügel geht es rasant hinab. Wir fahren durch ein Waldgebiet und lassen Jäger vorbei. Es geht weiter, steil, sogar so steil, dass Kyra ein kleines Stück schiebt. Michi fährt souverän im Stehen. Anschließend geht es erneut im hohen Tempo bergab. Nach einiger Zeit bleiben wir stehen, denn Michi hat am Himmel sehr große Vögel entdeckt, die er fotografieren möchte. Durch die Entfernung können wir nicht ganz erkennen, ob dies Adler sind. Kyra nutzt die Gelegenheit um auf Toilette zu gehen und wir stellen vor dem weiterfahren fest, dass es noch 16 km sind. Doch unsere Vorfreude wird kurz unterbrochen, denn der nächste Anstieg hat es in sich. Zunächst muss Kyra kurz halten, da sie beim Serpentinen fahren Auf der geraden Straße nicht früh genug lenken kann und dann fällt sie einfach in Zeitlupe um, da durch die starke Steigung bremsen und Absteigen nicht mehr möglich war. Michi der bereits ein Stück weiter ist, hat zufälligerweise alles auf Kamera festgehalten. Zum Glück ist nichts passiert. Wir fahren weiter, kommen ins Schwitzen und haben es dann nach 3 weitern steilen Anstiegen geschafft. Vor uns ist das Tor Porte de Saint-Jacques. Stolz fahren wir hindurch und sehen sogleich die ersten Rucksäcke von Pilgern an der Herberge stehen. Ein paar Meter weiter ist das Pilgerbüro und dieses hat trotzdem heute Sonntag ist geöffnet.

Wir gehen hinein und müssen noch kurz warten, da zwei junge Asiatinnen gerade ihren Pilgerpass in Empfang nehmen. Die beiden haben noch saubere Schuhe und Kleidung, so dass wir uns sofort etwas stinkig vorkommen. Während wir warten schauen wir uns die Statistik zum Jakonsweg bzw. Camino Frances an. 2023 sind 57.338 Menschen den Weg gelaufen. Somit sind es fast wieder so viele, wie vor Corona, wo 61.104 Menschen den Weg gepilgert sind. 1996 waren es gerade einmal 1.264. Wahnsinn, wie sich der Pilgerweg in den letzten Jahren verändert hat. Aus Deutschland sind 2023 übrigens 3.637 in Saint-Jean-Pied-de-Port zum Camino Frances aufgebrochen. Im Jahr 2024 sind wir zwei von ihnen. Dann sind auch schon wir an der Reihe. Die Frau im Büro spricht etwas englisch und ist unglaublich nett. Der Pilgerausweis kostet 2 € und kann nur bar bezahlt werden. Da wir kein Bargeld haben läuft Michi zum Geldautomaten und besorgt etwas Bargeld. Doch zuvor bekommen wir berichtet, dass die Napoleon-Route gesperrt ist und eine Alternative wird uns aufgezeigt. Zudem erzählt sie uns, dass die Herberge bereits ausgebucht ist, da wir eh lieber im Zelt schlafen, stört uns das nicht. Sie versichert uns jedoch, dass wenn wir keinen Schlafplatz finden, wir uns einfach nochmal melden sollen. Unglaublich nett. Als wir bezahlt haben und das Büro verlassen, staunen wir nicht schlecht. Die Altstadt ist unglaublich schön. Langsam schieben wir die Fahrräder hindurch und werfen Blicke im die umliegenden Geschäfte. Wir sehen ein Geschäft mit Gewürzen aus aller Welt, eine Bäckerei, zahlreiche Tourigeschäfte und Restaurants. Doch zunächst wollen wir einen Schlafplatz suchen. Also schieben wir zum Campingplatz, der bereits geschlossen hat. Fast nebenan befindet sich ein Wohnmobilstellplatz und bereits als wir vorbeifahren sehen wir auf diesem ein Zelt stehen. Das lässt uns hoffen. Als wir ankommen ist jedoch niemand da. Die Rezeption ist verlassen und so läuft Kyra einmal über den Platz, um Informationen zu erhalten. Sie finder ein ausgebauten Van mit deutschen Kennzeichen und spricht das Paar an. Die beiden erklären, dass man an der Schranke bezahlt und somit Zugang bekommt. Wir sollen das Zelt einfach aufbauen, es kontrolliert eh keiner. Dann fragt Kyra noch, ob wir die Fahrräder für eine Stunde hinter ihr Auto schieben dürfen, um uNS die Stadt anzuschauen und sie bejahen. Zurück bei Michi erzählt sie das herausgefundene. Zusammen schieben wir zurück und kommen nochmal ins Gespräch. Auch die französischen Nachbarn unterhalten sich mit, wobei das deutsche Paar übersetzt. Alle vier sind total entspannt und nett.

Wir reden über unsere Tour und uns wird angeboten, dass wir unser Zelt zwischen deren Wohnmobil und Van aufbauen dürfen. Da eine dunkle Wolke am Himmel bedrohlich aussieht, bauen wir schnell auf. Dann machen wir uns mit Regenjacke ausgerüstet auf den Weg zurück in die Stadt. Wir schlendern durch die kleine Gasse und gehen zunächst zur Zitadelle. Diese ist leider geschlossen, aber die Aussicht über die Stadt ist traumhaft. Wir entscheiden, dass wir heute essen gehen könnten, doch das von uns rausgesuchte Lokal hat leider geschlossen und die Creperie ist zwar Preis-Leistungs mäßig besser als in Bordeaux, doch um satt zu werden, ist diese zu teuer. Trotzdem besuchen wir noch den Gewürzladen und Michi schaut sich die Kircje an. Dann gehen wir zurück. Auf dem Campingplatz angekommen stehen vor unserem Zelt vier Äpfel und zwei Dosen Bier. Wir sind unglaublich dankbar, denn es fühlt sich an, als hätte jemand unsere Gedanken gelesen. Alle Supermärkte sind aufgrund des Sonntages geschlossen und so konnten wir nicht einkaufen. Da Kyra Äpfel liebt und Michi Lust auf etwas anderes als Wasser zu trinken hatte, kommt beides wie gerufen. Als Ralf und Virginie ihren Van verlassen bedanken wir uns. “Das Bier ist von uns und die Äpfel von den Nachbarn”, sagt er mit einem Blick in Richtung französisches Wohnmobil. Die beiden möchten nun zu einem Konzert in der Kirche gehen, doch zuvor schieben sie uns Tisch und Stühle hin: “Benutzt die ruhig, wir brauchen sie ja jetzt eh nicht” Erneut bedanken Wir uns und Michi fängt sogleich an zu kochen, während Kyra eine öffentliche Toilette aufsucht. Da es sich bei dem Campingplatz nur um einen Stellplatz handelt, hat dieser keine Toiletten. Anschließend genießen wir Nudeln mit Tomatensoße, Öl und Knoblauch und sitzen dabei in den bequemen Stühlen. Beim essen wird es bereits dunkel und kalt, weshalb wir uns danach ins Zelt verkriechen. Gute Nacht!