Tag 172 - Ein perfekter Abend (20.11.2024)

Von Sahagún nach Leon

Die Nacht war ruhig. Nur der Wind bläst unablässig und die Blätter an den Bäumen Rascheln. Dadurch ist unser Zelt ausnahmsweise komplett trocken. Als wir Musik aus Yoanns Zelt hören beginnen wir abzubauen. Die Sonne beginnt in diesem Moment aufzugehen und färbt wie bereits gestern Abend, die Wolken in wunderschöne Farben. Als wir fertig sind setzten wir uns auf Die Bank und bereiten unser Frühstücken vor. Yoann kommt aus dem Zelt und fragt Michi, ob er ihm bei dem Wind helfen kann, was er natürlich gerne macht. Dann Frühstücken wir und Yoann startet bereits Richtung Osten, da er heute 100 km vor sich hat. Wir machen noch ein Foto zusammen, verabschieden uns und winken ein ketztes Mal. Schon sind wir wieder zu zweit. Schnell ist unser Frühstück aufgegessen und wir schwingen uns ebenfalls auf die Drahtesel. Die ersten Kilometer gegen den Wind sind schnell geschafft, doch nach der Stadt Sahagún ziehen sich die Kilometer ewig. Der Gegenwind fordert uns und die Landschaft ändert sich kaum. Wir fahren nur durch wenige kleine Dörfer und ein Supermarkt ist nicht in Sicht. Doch, plötzlich auf einer langen geraden Strecke, ist die Sache nur noch halb so schlimm. Wir sehen in der Ferne Steile Berge, wir singen zusammen und machen uns gute Laune. In Mansilla de las Mulas finden wir einen Supermarkt und wir kaufen für die nächsten Tage ein. Anschließend essen wir im Sonnenschein und weiterhin bei Wind auf dem Marktplatz. Dann fahren wir weiter und erreichen nach weiteren 20 km Léon. Auch wenn es noch 2 Stunden hell ist, entscheiden wir uns hier zu bleiben und in eine Herberge zu gehen. Wir suchen die Herberge “Albergue at the Benedictine Sisters Convent” auf. Als wir dort ankommen sitzt nur eine junge Frau vor der Rezept. Ein Hospitalero begrüßt uns freundlich auf spanisch. Leider ist die Verständigung schwer, da er kein englisch und wir kein spanisch sprechen, doch irgendwie schaffen wir es einzudecken, unsere Fahrräder zu verstauen und bekommen ein Bett zugeteilt. Dabei ist er sehr bemüht und gibt Kyra den Tipp das Bett an der Heizung zu nehmen. Wir bereiten unser Bett schon mal vor und gehen wieder raus. Nun sind ein Belgier und eine Amerikanerin dazu gekommen. Die Amerikanerin checkt gerade ein, der Belgier hat sich nur ein Pilgerpass geholt. Beide beginnen morgen ihren Weg. Die junge Frau, die bereits da war, kommt ebenfalls aus den USA und studiert dort Journalismus. Sie ist hier um ihre Abschlussarbeit über den Camino zu schreiben. Sie fragt Michi wie weit wir bereits unterwegs sind. Warum wir die Reise machen und was unser Highlight ist. Michi antwortet dass es viele Highlights gibt, sondern viele Momente. Er stellt die Begegnungen mit den Menschen in den Vordergrund. Kyra kommt ein bisschen später dazu, da sie noch auf Toilette war, da redet Michi bereits mit dem Belgier. Er organisiert Fahrradtouren für die Mitarbeiter*innen eines amerikanischen Unternehmens. Aus diesem Grund ist er viermal von Berlin nach Prag gefahren. Zudem erzählt er von seiner Anreise nach Leon. Er ist nett, doch wir können bei einigen Aussagen nicht ganz zustimmen und sind anderer Meinung. Zunächst muss die Journalistik Studentin weiter und dann auch er. Wie gehen runter zu den Schlafräumen und nehmen eine Dusche. Als wir fertig sind sehen wir die Amerikanerin, welche sich als Isabelle, vorstellt und morgen ihren ersten Tag auf dem Jakobsweg geht erneut. Wir überlegen zusammen erwas zum Essen zu organisieren und machen uns nach dem Wäsche waschen auf den Weg.

Leider ist, wie bereits in Burgos, noch alles geschlossen, weshalb wir kurz einen Supermarkt besuchen. Doch zunächst gehen wir wieder zur Herberge zurück, da Isabelle gerne zum Pilgersegen möchte. Dieser ist um 19 Uhr. Die Frau in der Rezeption weißt uns so energisch darauf hin, dass gleich Messe ist, dass wir uns Isabelle anschließen und ebenfalls hingehen. Zum Glück! Wir dürfen direkt hinter den Nonnen sitzen und die Vesper verfolgen. Ungefähr 20 Nonnen singen in hohen Lagen und wir versuchen mitzusingen. Auch wenn wir nichts verstehen und kaum mitkommen, ist es ein schönes Erlebnis. Es hört sich toll an und ist faszinierend, wie fest Menschen glauben können. Am Ende werden wir Pilger nach vorne gerufen und beten alle das gleiche Gebet in unserer Sprache. Dadurch hören wir es in spanisch, englisch, deutsch, koreanisch und portugiesisch gleichzeitig. Anschließend verlassen wir die Kirche wieder und kommen mit Helia aus Brasilien ins Gespräch. Sie geht bereits ihren achten Camino. Auch sie beginnt in Léon und läuft morgen los. Sie möchte sich uns zum Essen anschließen, doch zuvor noch schnell duschen. Also gehen wir in die Herberge und Isabelle schnell etwas nochmal einkaufen. Gegen kurz vor 21 Uhr sitzen wir dann zu viert kurz zusammen und überlegen Pizza zu essen. Wir finden eine Restaurant ganz in der Nähe. Das Lokal sieht nett aus und Helia, die fließend spanisch spricht, versteht sich auf Anhieb mit der Kellnerin gut, weshalb wir eine Vorspeise, Schinken, aufs Haus bekommen. Wir verstehen uns alle gut, lachen viel und genießen die Zeit. Gemeinsam teilen wir uns eine Flasche Wein und zwei Pizzen, doch leider haben wir nicht so viel Zeit, da die Herberge um 22 Uhr schließt. Es wird Zeit zu bezahlen. Kyra guckt auf die Uhr “only 3 minutes!” und wir vier rennen aus dem Restaurant die Straße hinunter zur Herberge. Eine Minute vor 22 Uhr erreichen wir lachend das Tor. Der Hospitalero macht noch ein Foto von uns, bevor wir leise in den Schlafraum verschwinden. Michi erntet einen bösen Blick, bevor die gleiche Person laut anfängt zu Schnarchen. Gute Nacht!