Tag 178 - Santiago de Compostela (26.11.2024)

Von Ribadiso nach Santiago de Compostela

Was für eine Nacht! Wir sind froh dass diese zuende ist. Schnell packen wir unsere Sachen ein und verschwinden in die Küche. Auch Bea kommt in die Küche und wir trinken zu dritt einen Kaffee. Gemeinsam gehen wir die Erlebnisse noch einmal durch und machen uns für den heutigen Tag fertig. Heute möchten wir in Santiago ankommen. Bea wird die letzten 42 Kilometer auf zwei Tage aufteilen. Sie geht los, während wir noch zu Ende einpacken und jeweils die Toilette aufsuchen. Dann fahren auch wir los. Es geht zunächst einen Hügel hinauf und anschließend erreichen wir schnell die Stadt Arzúa. Dort sehen wir erneut Bea und fahren kurz neben ihr her. Wir tauschen die Nummern aus und wollen uns morgen in Santiago auf einen Kaffee treffen. Anschließend verabschieden wir uns erneut. Unser Weg ist anstrengend. Es geht die gesamte Zeit auf und ab und der Boden ist durchgängig aus Schotter. Beides fordert unsere Muskel und so benötigen wir nach 20 km eine kleine Pause. Wir setzen uns auf eine Bank und essen eine Kleinigkeit. Dann geht es weiter. Immer wieder treffen wir auf Pilger bis wir schließlich alle überholt haben. Eine lange Zeit sehen wir niemanden mehr, dafür jedoch hoch gewachsene Eukalyptusbäume. Anschließend kämpfen wir uns eine Steigung empor und erreichen den Flughafen von Santiago.

Dieser kündigt sich durch laute Geräusche von Flugzeogen an. Es ist unglaublich laut und im 15-30 min Takt starten und landen Flugzeuge. Zwei Flugzeuge heben direkt neben uns ab und eins können wir bei der Landung beobachten. Ein großer Stein mit der Aufschrift Santiago, deutet anschließend darauf hin, dass die Stadt nicht mehr weit sein kann, doch ein letztes Mal müssen wir einen Hügel hinauf, von welchem man einen schönen Ausblick auf die Stadt haben soll. Aufgrund des schlechten Wetters mit Nieselregen sehen wir jedoch nicht viel mehr, als einen weißen Schleier. Die Kathedrale ist leider nicht in Sicht, dafür aber zwei Statuen von Pilgern, die in Richtung der Stadt blicken. Wir verharren kurz und machen uns dann zur der Stadt auf den Weg. Vorbei an der großen Herberge “Albergue privado Monte do Gozo” und runter zum Stadtschild, welches in Regenbogenfarben die Stadt Santiago ausweist. Wie folgen den Schildern des Caminos, welcher hier bereits einige Jakobswege vereint (frances, del norte und primitivo). Dann fahren wir rechts in eine Seitenstraße und eine ältere Dame weißt uns sofort darauf hin, dass wir falsch sind. Wir sollen zurück fahren und dann rechts, um zurück auf den Jakonsweg zu gelangen. Wir folgen wie bereits schon so häufig der Anweisung und finden uns ein paar Minuten später auf dem Camino zurück. Aufgrund der Fußgängerzone müssen wir jedoch bald schieben. Auf der rechten Seite sitzt ein junger Mann mit Kamera, die in unsere Richtung gedreht ist. “Hoffentlich filmt er uns nicht”, sagt Kyra leicht verärgert. Ein paar Minuten später sehen wir ihn erneut und er spricht uns an. Yannick kommt aus Frankreich, da seine Mutter jedoch in Österreich geboren ist, wurde er zweisprachig erzogen und spricht fließend deutsch.

Er ist ebenfalls mit dem Rad unterwegs und hat seine Gitarre dabei, um sich auf den Straßen etwas Geld zu verdienen. Yannick scheint Ein Mensch zu sein, der immer gut drauf ist, zumindest lächelt er die gesamte Zeit, in der wir miteinander sprechen. Wir tauschen unsere Instagram Accounts aus und gehen weiter, da wir unbedingt an der Kathedrale ankommen möchten. Keine 5 min später haben wir es geschafft. Wir stehen vor der Kathedrale in Santiago de Compostela. Über 9700 km Wegstrecke liegen hinter uns. Unser ganz eigener Camino der uns so viel gezeigt hat. Wir haben zusammen gelacht und geweint. Wir haben diskutiert, gestritten und uns vertragen. Wir haben Erlebnisse geteilt und waren eigentlich nie getrennt von einander. 6 Monate tiefe Verbundenheit und nun, nun stehen wir hier, wo für viele die Reise endet. Wir werden wie geplant unsere Reise fortsetzen. Viele Pilger auf dem Weg haben nicht verstanden, dass wir den Camino frances während einer größeren Reise machen. Wir wurden als unecht Pilger abgestempelt. Als Leute, die nur die Herbergen nutzen, da diese günstig sind, aber das stimmt nicht. Unsere ganze Strecke, auch das was jetzt noch kommt, ist ebenso eine Reise zu uns selbst. Wir haben vielleicht nicht zurück zur Kirche gefunden, aber ein Stück mehr Menschlichkeit, Nächstenliebe und Dankbarkeit erlangt. Dafür sind wir dem Jakobsweg unendlich dankbar. Wir sind uns jedoch sicher, dass wir auf den zukünftigen Kilometern ebenso Dinge lernen, was auch immer da kommen mag. Nachdem wir ein schnelles Foto vor der Kathedrale gemacht haben, gehen wir zum offiziellen Pilgerbüro. Erst sind wir ein bisschen planlos, doch die Sicherheitspersonen der Kathedrale weisen uns den Weg. Nach einmal im Kreis laufen finden wir das Büro. Es ist nicht viel los. Michi passt draußen auf die Drahtesel auf und Kyra geht als erstes rein. Im Eingang müssen wir uns zunächst registrieren, dabei hilft der nette Türsteher. Kyra registriert gleiche uns beide, damit es einfacher und schneller geht. Wir bekommen eine Nummer und müssen nicjt lanhe warten. Bereits nach einer Minute ist Kyra dran und läuft zum Tresen und ein netter Mann empfängt sie. “Hi! Kyra?” fragt der Mann. “Yes!” antwortet Kyra. “Congratulations! How are you?” fragt er weiter. “Thank you! Good, but tired and you?”, erwidert Kyra. “Good, thanks” lächelt er. Anschließend erzählt er, wie beeindruckend er es findet, dass wir mit dem Fahrrad angereist sind und wie die Stadt heißt, wo wir gestartet sowie wie viele Kilometer wir geradelt sind. Als er über 9500 km hört ist er ganz aus dem Häuschen und erzählt es seinem Kollegen. Nebenbei scheint er die Zahl bereits im Computer eingetragen zu haben, denn Sekunden später hält er die Compostela (Pilgerurkunde) und eine zweite mut Kilometeranzahl in der Hand. Die Compostela ist im Latein und nett verziert. Der Druck ist kostenfrei. Die zweite Ausgabe mit Kilometerstand ist etwas größer und kostet 3 €. Wir haben uns dazu entschieden die 3 € auszugeben, doch Kyra hat das Geld am Fahrrad vergessen und rennt nochmal schnell raus zu Michi. Dann bezahlt sie und ist fertig. Wir wechseln und Michi darf sich nun seine Compostela abholen. Der Mann hinterm Tresen ist bei ihm genauso euphorisch und Michi vergisst fast zu bezahlen. Da sagt er ruhig und freundlich: “Michael do you mind to pay?” Michi entschuldigt sich und bezahlt die 3 €. Wir verabschieden uns noch von dem netten Türsteher und verlassen das Gebäude. Nun suchen wir nach einer Unterkunft und finden schnell ein Hotel mit Fahrradstellplatz und eigenem Bad von 70 € auf 45 € pro Nacht runtergesetzt. Wir buchen für zwei Nächte mit Frühstück und freuen uns sehr auf das private Badezimmer. Das Hotel ist nur wenige Meter entfernt. Schnell kommen wir an und haben bereits die Zugangsdaten zum Checkin erhalten. Michis Akku vom Handy ist leer, weshalb wir alles über den Computer vor dem Hoteleingang erledigen. Als wir fertig sind, kommt zufällig ein Mitarbeiter vorbei und erkennt uns gleich, als Kyra sich mit einer Frage zu erkennen gibt. “Becker?”, fragt er mit Blick auf die Räder und gibt Kyra zu verstehen im zu folgen. Er zeigt uns, wo der Schlüssel Für die Tiefgarage ist und schließt uns auf. Dann verschwindet er wieder während wir die benötigten Taschen abnehmen und die Drahtesel sicher In der Tiefgarage unterstellen. Wir schaffen alle Taschen auf einmal zum Zimmer hochzuladen und verschwinden sofort unter der Dusche. Die Dusche ist groß und durch eine riesige Glastür vom restlichen Bad abgetrennt. Zudem ist sie richtig schön warm. Kyra genießt die Dusche sehr und nutzt diese länger als für uns normal. Michi kommt nach wenigen Minuten ins Bad hinzu. Anschließend fallen wir müde aufs große Bett welches großer als unser gesamtes Zelt ist.

Bevor wir einschlafen knurrt uns der Magen. Wir schreiben Yannick und Cécile, ebenfalls eine Radfahrerin, die wir kurz an der Kathedrale getroffen hatten, ob sie Lust haben etwas zu essen und trinken. Beide stimmen zu und Yannick bringt noch Wolf aus Belgien mit. Circa eine Stunde später sitzen wir in einer Bar und bestellen etwas zum Essen und Trinken. Für uns gibt es Burger. Es schmeckt gut und ist wirklich günstig. Wir unterhalten uns über unsere Reisen. Wenig später kommt noch eine weitere Person hinzu. Yannick stellt ihn als den “Iren” fest, später stellt sich jedoch heraus, dass der Ire eigentlich aus England ist. Er ist mit seiner Gitarre da und spielt auf der Straße für Geld. Auch Yannick spielt mit seiner Gitarre auf der Straße und möchte sich damit die Reise finanzieren. Wir merken im dieser Gruppe schnell, dass wir 10 bzw 15 Jahre älter sind, doch es ist ein netter Abend bis wir bezahlen. Der Engländer ist bereits früher gegangen und hatte versichert sein Bier bezahlt zu haben, doch als alle die eigene Summe bezahlen, ist ein Bier offen sowie Mayonnaise. Das große Bier scheint von Cécile zu sein, die versehentlich zwei mittlere bezahlt hat. Doch wer bezahlt nun das große offene Bier? Da sich alle weigern und Michi die Situation nicht mehr aushält, bezahlen am Ende wir Mayo und Bier. Anschließend verabschieden wir uns von den anderen, Da wir noch zum Supermarkt wollen, als wir vor diesem stehen hat er jedoch entgegen den Angaben bei Google bereits geschlossen. Wir gehen also mit leeren Händen zurück zum Hotel und reden nochmal über die Situation von vorhin. Zum Glück sind wir uns einig und kommen zum Schluss dass wir beide sehr enttäuscht sind. Schade, dass wir nicht alle zusammen das Bier und die Mayo bezahlt haben. Warum hat uns keiner der anderen einen Euro dazu gegeben? Insbesondere Cécile, die ja zu wenig bezahlt hatte… Wir verstehen die Welt nicht so recht und sind natürlich am meisten darüber enttäuscht, dass der Engländer nur so getan hat, als hätte er bezahlt. Aber, was solls. Es sind 4 € und bedeutet für uns nur die nächsten Tage auf ein Getränk, etwas Süßes oder einen Kaffee zu verzichtet. Als wir im Hotel ankommen sind wir bereits müde und gehen ins Bett. Gute Nacht.