Tag 181 - Weiter geht's (29.11.2024)

Von Santiago de Compostela nach Vilaserío

Ein letztes Mal erwachen wir in unserem Hotelzimmer in Santiago. Die Nacht über hat es, wie angekündigt, ordentlich geregnet, doch der Himmel zieht langsam auf. Nur noch wenige volle dunkle Wolken hängen am Himmel. Unsere Wäsche, die wir am Vortag per Hand gewaschen haben, ist fast getrocknet. Wir packen all unsere Sachen ein, holen die Fahrräder aus der Tiefgarage und bepacken diese. Der Mann an der Rezeption ist sehr nett und erkundigt sich nach unseren Plänen. Er scheint ein bisschen traurig, dass er so etwas nicht selbst gemacht hat. Trotzdem wünscht er uns alles Gute und wir verlassen unsere Unterkunft der letzten 3 Nächte. Zunächst schieben wir die Drahtesel zur Kathedrale, wo wir noch in Ruhe Frühstücken und die Esel etwas sauber machen. Dann geht es nach zwei Tagen Pause bei mittlerweile wunderschönen Wetter los. Es ist so warm, dass wir in kurzer Hose und T-Shirt in die Pedale treten. Als wir Santiago gerade durch eine Straße den Hügel hinauf verlassen, spricht uns ein älterer Herr an. Er gibt uns zu verstehen, dass wir auf dem falschen Weg sind und der Camino dahinten durch die Stadt verläuft. Da wir jedoch wissen, dass dort Einbahnstraßen, Fußgängerzonen und Stufen auf uns warten, lassen wir uns diesmal nicht beirren und bleiben auf dem Eurovelo 3. Insbesondere Kyra hat genug vom schlechten Untergrund des Caminos und möchte auf den Straßen des Eurovelos bleiben. Der Mann versteht unseren Plan nicht ganz, erklärt uns jedoch trotzdem lächelnd den Weg. Wir bedanken uns und verabschieden uns. Anschließend radeln wir weiter die leichte Steigung den Hügel hinauf, rasant hinunter und wieder hinauf. Es fühlt sich zunächst etwas an, als würden wir im Kreis fahren. Doch dann entfernen wir uns Santiago immer weiter. Es geht durchgängig hinauf und wieder runter, bis wir bei einer Abfahrt eine Bekannte Person von hinten erkennen. Andi geht gerade die Steigung hinab. “Hi! Du hier? Wolltest du nicht dein Auto holen?” fragt Kyra überrascht. “Die Busse streiken heute”, antwortet er. Wir bleiben eine Weile zusammen stehen und unterhalten uns, dann tritt ein weiterer alter Bekannter hinzu. “I was hoping to see you again!” sagt Anton freudig. Antwon hatten wir zwei Nächte vor Andi in Ponferrada kennengelernt. Nach fast einer Woche sehen wir uns nun zufällig erneut. Wir machen ein Foto zusammen und Anton zieht direkt weiter. Er möchte keine Pause machen, sondern in Bewegung bleiben. Das können wir gut verstehen. Nach einem weiteren kurzen Gespräch mit Andi, radeln auch wir weiter. Doch dann fragt Michi: “Sollen wir nicht auch ein Foto mit Andi zur Erinnerung machen? Das haben wir ganz vergessen, aber wäre doch schön, oder?” fragt er. Natürlich wäre das schön! Also bleiben wir nochmal kurz stehen. Kyra nutzt die Zeit und geht schnell Pipi machen, da kommt Andi schon den Hügel hinauf gelaufen. Wir machen ein wirklich tolles Foto zusammen und rollen bzw. gehen zusammen den Hügel weiter hinauf. Der Anstieg ist so steil und vom Untergrund lose, dass Kyra schieben muss. Andi hilft und drückt von hinten Emil den Hügel hinauf. Uns beiden tut die Lunge bzw. irgendein Muskel dazwischen weh. Kommt das von den zwei Tagen Pause oder benötigen wir eigentlich noch mehr Pause? Egal, an dieser Stelle trennen sich der Eurovelo 3 und der Camino kurze Zeit von einander. Der Eurovelo führt zum Glück auf einer asphaltierten Straße neben dem Camino, welcher im Wald verläuft, entlang. Wir kämpfen uns hinauf und sehen an der Spitze des Hügels ein letztes Mal Andi. “Alles Gute! Komm gut an! Vielleicht sehen wir uns nochmal!” rufen wir alle und anschließend schießen wir mit den Drahteseln den Hügel hinab. Wir winken auch Anton, der wenige Meter weiter vorne geht.

Bergab haben wir durch die Fahrräder einen klaren Bonus. Wir rauschen davon und freuen uns über die schöne Abfahrt. Doch diese ist schnell vorbei. Relativ flach kommen wir der Stadt Negreira entgegen. Kurz vor der Stadt spricht uns ein Pilger, der ebenfalls Andreas heißt, an. Er ist den Camino Portugues gelaufen und hat vor einem Tag in Santiago das erste Mal sehr viele andere Pilger gesehen. Er freut sich kurz mit uns deutsch reden zu können, ist jedoch so müde, dass er nur noch nach einer Unterkunft suchen möchte und in Negreira über Nacht bleibt. Wir suchen den nächsten Supermarkt auf und sehen weitere uns bekannte Gesichter. Während MIchi einkauft, quatscht Kyra kurz und wir fahren nach einer kurzen Mittagspause weiter. 10 km Steigung den Hügel hinauf, warten auf uns. Doch die Steigung ist in Ordnung, nur der Untergrund bringt Kyra zu einem kleinen Nervenzusammenbruch. Schnell ist der Untergrund geschafft und eine erneut asphaltierte Straße wartet auf uns. In einer Herberge (Albergue) trinken wir noch einen Kaffee bzw. Saft und fahren die letzten Kilometer, bis wir einen Schlafplatz finden. Kurz nach der Spitze des Hügels finden wir eine kleine Schotterstraße, die rechts wegführt. Auf einer aktuell nicht genutzten Weidewiese, bauen wir etwas offensichtlich das Zelt auf, doch wir haben nicht das Gefühl, als würden hier noch viele Menschen vorbeikommen. Unser mittlerweile eingespieltes Gefühl hinsichtlich Wildcampen funktioniert wieder einwandfrei. Wir sehen bis zur Dunkelheit keinen Menschen und kochen in Ruhe Spaghetti. Als wir gerade fast fertig mit dem Essen sind, kommt ein Hund angerannt und bleibt kurz vor dem Zelt bellend stehen. Ein Piff… Der Hund rennt zurück und kurze Zeit später werden wir von einer Taschenlampe beleuchtet. Zwei Spaziergänger, sehr wahrscheinlich Frau und Mann, müssen kurz Lachen nachdem sie erkennen, wovor sich ihr Hund so erschrocken hat. Sie scheinen das Zelt nicht weiter zu beachten und sind schnell verschwunden. Den weiteren Abend bleibt es bei dieser einen Begegnung. Wir essen noch in Ruhe auf, schreiben Blog und hören das Hörbuch von Otto Waalkes. Gute Nacht!