Tag 239 - Ein perfekter Morgen

Fahrrad-weltreise: Guadix nach Baza

26.01.2025

Lesedauer ca. 8 min

Wir wachen auf, als es draußen langsam hell wird. Doch wir bleiben noch tief im Schlafsack eingemummelt, denn Michi möchte gerne ein paar Fotos von dem Lichtspiel der aufgehenden Sonne auf Sierra Nevada machen. Als es soweit ist und der Berggipfel sowie die Wolken am Himmel in wunderschöne Rottöne gefärbt werden, verlässt er das Zelt. Es ist kalt draußen, doch er schießt ein paar nette Fotos. Dann kommt er noch begeistert zurück ins warme Zelt und wir wollen im Inneren frühstücken. Doch als Kyra die Milch ins Zelt holen möchte, staunt sie nicht schlecht: “Schnell! Guck mal Michi!” Draußen steigen zwei Hände voll Heißluftballons in die Luft.

Einige sind aus bunten Farben, andere schlicht. Sie alle steigen langsam auf und kommen in unsere Richtung, während die Sonne die Szenerie weiterhin aufleuchtet. Wir verschieben unser Frühstücken und verlassen das Zelt. Es sieht einfach wunderschön aus. Wir können unser Glück kaum fassen und versuchen den Moment in Fotos festzuhalten. Zudem lässt Michi unsere Drohne Frido steigen. Frido kommt den Heißluftballons so nah, dass wir fast die Menschen in ihnen erkennen. Sie beginnen zu winken und uns zu zujubeln. Auch wir winken und jubeln zurück. Es ist ein Moment, den man am liebsten für immer festhalten möchte. Er drückt so viel aus: Freiheit, Unabhängigkeit, Zeit, Langsamkeit, Stille, Frieden… Kyra könnte fast ein paar Tränen verdrücken, doch so langsam fliegen die Ballons davon und sind wir in unseren Schlafsachen richtig durchgefroren. Wir klettern zurück ins Zelt und in den Schlafsack, machen Frühstücken und genießen die weitere Ruhe. Während Kyra mit ihrer Mutter telefoniert und von den Erlebnissen berichtet, fangen wir an einzupacken. Gegen 11 Uhr sind wir fertig und starten.

Wir schieben die Drahtesel zurück zur Straße. Dabei machen wir noch ein paar kurze Videos der beeindruckenden Halbwüste. Irgendwie, gefällt die Umgebung uns. Natürlich nicht zum dauerhaften Wohnen, aber für Nächte im Zelt ist es wunderbar ruhig. Als wir gerade los radeln wollen, kommt ein anderer Radfahrer auf einem E-Bike von hinten. Er sagt etwas auf spanisch und Kyra antwortet routiniert: “No hablo español. Do you speak english?” Der Mann antwortet nur: “Where are you from?” – “Germany” – “Ah, echt? Ja, dann können wir auch deutsch reden! Ich komme aus Deutschland, aber lebe schon seit 30 Jahren hier. Ganz in der Nähe betreibe ich ein Höhlenhotel” Kyra, die gerne in ein Höhlenhaus geguckt hätte sagt sogleich: “Wie cool! Schade, dass wir in die andere Richtung unterwegs sind.” Danach erzählt er uns noch, dass hier viele Deutsche wohnen und die Gebirgsgruppe vor uns sogar einem deutschen Baron gehöre. Dann fährt er weiter, er hat es eilig. Da wir mit einem E-Bike über dem holprigen und sandigen Boden nicht mithalten können, verabschieden wir uns. Auch wenn wir über den Mann mit dem Hotel gerne noch mehr erfahren hätten. Die Landschaft bleibt zunächst kahl. Nur wenige undichte Büsche wachsen in der Landschaft und die vorwiegend Farbe ist besch, hellbraun. Nach einer Weile erreichen wir wieder asphaltierten Boden und Olivenbäume sind am Rande der Straße gepflanzt. Nach einer Weile erreichen wir wieder asphaltierten Boden und Oliven- sowie Mandelbäume sind am Rande der Straße gepflanzt. Dafür müssen wir an der scheinbar alten Mülldeponie vorbei. Die Natur sieht langsam wieder aus wie gestern und die Halbwüste verschwindet. Zumeist fahren wir im flachen in Richtung Osten. Gelegentlich geht es leicht hinauf und wieder hinab. Als wir links abbiegen werden plötzlich zahlreiche alte Höhlenhäuser vor uns sichtbar. Der Deutsche mit dem E-Bike steht zwischen Ihnen und schwinkt sich gerade zurück auf seinen Drahtesel weiterzufahren. Vielleicht sucht er neue Höhlen für die Erweiterung seines Hotels? Als er bereits erneut verschwunden ist, bleiben wir interessiert stehen. Bereits die letzten Tage sind wir fasziniert von den Höhlen und möchten gerne einmal in eine hinein gehen. Hier scheinen wir die Möglichkeit zu haben. Wir lehnen die Fahrräder am Straßenrand aneinander und starten unsere kleine Erkundungstour. Begeistert schauen wir in eine Höhler nach der anderen. Einige enthalten nur einen Raum, andere bestehen aus einem ganzen System aus Höhlen und haben mehrere Ein- und Ausgänge. Es scheint sogar Höhlen mit zwei Etagen zu geben, denn wir sehen Fenster weiter oben. Im Inneren finden wir alte Regale, Öfen und Plastikkörbe. Einige Eingangsbereiche sind halb zugeschüttet, weshalb wir vorsichtig nach einem sicheren Tritt suchen müssen. „Guck mal Kyra, hier könnte früher die Küche gewesen sein“, sagt Michi und zeigt auf einen kleinen Raum mit einem Fenster nach draußen. Durch das Fenster können wir das Gebirge Sierra Nevada sehen. Am Rande des Raums ist eine Art Einbauküche. In der „Küchenplatte“ sind zwei große Löcher. Vielleicht war hier einmal der Herd? Darüber hängen noch alte Fließen. Nun hat uns die Neugier richtig gepackt und wir versuchen in den zweiten Stock zu kommen. Bei einem Eingang, der zur Hälfte zugeschüttet ist, haben wir große Hoffnung, dass eine Treppe eingebaut ist. Doch als wir beide durch die Öffnung gucken, macht es im Inneren Geräusche von einem flatternden Vogel. Obwohl uns sofort klar ist, dass es sich um eine Taube handelt, erschrecken wir uns als das Tier fliegend näher kommt. Wir gehen beide einen Schritt zurück. Michi, der auf mehreren gestapelten Steinen steht, stolpert, dreht sich dabei, fällt hinunter und fliegt verdreht durch die Luft. Er prallt mit dem Oberkörper und Hüfte auf zahlreiche weitere Steine auf. Kyra rennt bestürzt hinunter, doch Michi ruft zu ihr: „Alles gut!“. Schon wieder haben wir viel Glück gehabt. Außer ein paar Abschürfungen am Arm und Brustkorp und blauen Flecken sowie Schmerzen im linken Oberbein, scheint alles in Ordnung zu sein. Die Sonnenbrille ist gebrochen sowie die Halterung der GoPro. „Es sah aus, als hättest du dir das Handgelenk gebrochen und zum Glück hatten wir noch den Helm auf!“ meint Kyra. Noch immer geschockt gehen wir zu den Drahteseln zurück. Auf eine weitere Erkundungstour haben wir keine Lust mehr. „Diese blöde Taube… Naja, eigentlich kann die ja auch nichts dafür“, sagt Michi, während wir ein Pflaster auf eine Abschürfung kleben. Mit Sekundenkleber fixen wir die Sonnenbrille und GoPro-Halterung. Dann trinken wir noch etwas und es geht weiter.

Etwas langsamer als gewöhnlich fahren wir die Hügel hoch sowie runter und nähern uns der Autobahn. Kurz sind wir erneut geschockt, da unsere Navigation uns auf die Autobahn zu führen scheint, doch dann wird rechts ein Weg sichtbar. Wir rollen hinab und unter der Autobahn hindruch. Der Tunnel ist nicht asphaltiert und so fahren wir über Metallriffel, die uns komplett durchschütteln. Dann folgen wir dieser auf der anderen Seite. Der Straßenbelag wechselt zwischen Asphalt und Schotter. Zwischendurch sehen wir Abschnitte der vermutlich alten Autobahn oder Bundesstraße. Diese kreuzen uns und verschwinden unter dem neuen Autobahnbelag. Die Landschaft um uns herum wechselt ebenfalls von zahlreichen Tannenbäumen zu Mandelplantagen. Schließlich wechseln wir erneut die Seite der Autobahn und müssen ein paar Höhenmeter bewältigen. Am Straßenrand stehen zahlreiche Rinder auf einer kleinen Fläche. Wir beobachten diese und bemerken, wie wir ein schlechtes Gewissen bekommen. Vielleicht sollten wir doch wieder auf Fleisch verzichten? Mit diesen Gedanken fahren wir weitere 80 Höhenmeter und kommen nach einer angenehmen Steigung oben an. Erneut fahren wir neben der Autobahn entlang. Die Straße führt uns hoch und runter, hoch und runter, hoch und runter… Als wir langsam vom hoch und runter zu viel bekommen, führt die Straße an einem Restaurant vorbei. Kurz überlegen wir für einen Kaffee zu halten, doch der Parkplatz ist komplett überfüllt. Wir fahren weiter und schließlich wird das Rad langsam schneller. Die Abfahrt beginnt. Bevor wir diese jedoch richtig genießen, halten wir an und entscheiden uns eine längere Pause zu machen. Wir pimpen einen gekauften Linseneintopf mit frischem Gemüse auf und essen diesen mit Salat in Wraps. Ein wirklich leckeres und schnell gemachtes Mittagessen. Anschließend gibt es für uns beide noch einen Tee, wozu Michi ein paar selbstgesammelte Mandeln knackt. Nach dieser erholsamen Pause ziehen wir uns etwas dicker an und rollen der Abfahrt entgegen. Zunächst geht es noch relativ Flach durch Olivenbäumen, doch plötzlich wird es immer steiler. Die Landschaft verändert sich und wir schießen durch eine Öffnung in den Felsen bzw. durch Lehmwände in die Tiefe.

Anschließend öffnet sich der Blick in die Ferne und wir blicken auf eine hüglige Halbwüste. Vor uns erstreckt sich die Halbwüste von Gerife. Die langsam untergehende Sonne wirft Licht auf die zahlreichen kargen Hügel und diese leuchten uns in sandfarben entgegen. Es sieht einfach traumhaft aus und wir können unseren BLick kaum lösen. Wie heute morgen versuchen wir die Szenerie in Fotos festzuhalten und rollen anschließend weiter den Berg hinunter. Dabei genießen wir die letzten Blicke auf die Halbwüste zu unserer Linken und Stausee zu unserer Rechten. Wir biegen rechts ab und fahren den Weg, den unsere Radreisefreunde Tim und Angela einige Tage zuvor ebenfalls genommen haben. Sie kamen nur aus einer anderen Richtung. Der Gedanke noch einmal deren Wege zu kreuzen, nur etwas Zeitversetzt, ist für uns in diesem Moment schön und witzig. Es wird wahrscheinlcih das letzte Mal auf unserer Reise sein. Da die Sonne mitlerweile tief am Himmel steht, beginnen wir mit der Schlafplatzsuche. Wir biegen links in eine Seitenstraße ein und freuen uns bereits über die schöne Aussicht über den Stausee, da sehen wir am Ende der Straße ein totes Pferd liegen. Als wir uns umdrehen sehen wir am Boden noch weitere alte Gerippe. Hier können wir nicht bleiben. Etwas bedrückt von den Anblicken gehen wir zurück zur Straße und nehmen eine weitere kleine Auffahrt in Kauf. Michi bleibt jedoch überrascht stehen. Während der Fahrt hat er auf der Straße ein Tütchen mit Hashish gefunden. Verdutzt hebt er es auf, fährt es für ein paar Meter mit sich rum und schmeißt es in den nächsten Mülleimer. „Sowas ist mir auch noch nie passiert!“, lacht er dabei. Die Sonne senkt sich langsam tief und wir folgen der Straße durch Mandelhaine. Schließlich führt eine kleine Schotterstraße rechts den Hügel hinauf. Wir entscheiden uns spontan reinzubiegen und fahren durch weitere Mandelbäume hinauf. Oben angekommen sind wir froh, denn einen Schlafplatz werden wir hier leicht finden. Unser Anspruch ist jedoch hoch, wir wollen etwas windgeschütztes und möglichst weit weg von den zahlreichen Wildschweinspuren entfernt. Bei genauerem Hinsehen ist dies gar nicht so leicht. Es gibt keine Bäume und kaum Büsche, zudem sehen wir überall Spuren am Boden. Wir entscheiden uns schließlich für eine Stelle und bauen im halbdunkeln auf. Der Wind bläst stark und für die Nacht sowie nächsten Tag sind Windböen von bis zu 120 km/h angesagt. Das kann ja was werden… Um uns von den lauten Windgeräuschen im Zelt abzulenken, hören wir etwas Hörbuch. Das funktioniert erstaunlich gut und so fallen wir bald in den Schlaf. Gute Nacht!