Tag 247- Abschied

Fahrrad-Weltreise: Javea aufs Mittelmeer

03.02.2025

Lesedauer ca. 11 min

Der Wecker weckt uns um halb 7 und unser letzter Morgen in Javea beginnt. Unser Ziel ist es heute Morgen mit Daniela und Alberto das Haus zu verlassen. Ob wir das schaffen? Das bezweifeln wir heute ziemlich. Die letzten Tage waren wir unglaublich müde und es wurde jeden Tag schlimmer… Doch heute Morgen scheint es irgendwie besser zu sein. Wir springen aus dem Bett, packen die Taschen und ziehen das Bett ab. Schnell ist alles erledigt und voller Motivation tragen wir die Taschen nach unten. Daniela und Alberto stehen bereits in der Küche. Sie strahlen uns entgegen und auch wir lächeln zurück. “Guten Morgen”, begrüßen wir uns. Auch Alberto versucht sich freundlich an ein paar Worten Deutsch. In Ruhe genießen wir noch einen letzten gemeinsamen Kaffee. “Und, wie fahrt ihr nach Denia?” fragt Daniela interessiert. Die letzten Tage haben wir immer wieder darüber gesprochen, welche Route wir heute zu Beginn des Tages nehmen. Die Straße über den Hügel Montgo, der von Javea wie ein liegender Elefant aussieht, ist laut den beiden ziemlich steil und manchmal ist dort viel Verkehr. Die andere Möglichkeit bedeutet für uns jedoch einen großen Umweg. Als wir vor zwei Tagen mit dem Auto über den Hügel gefahren sind, hat uns die Aussicht sehr beeindruckt und auf den ersten Blick bei Komoot scheint es nicht zu steil zu werden. Aus diesem Grund entscheiden wir uns spontan für den Hügel und gegen den Umweg. Als wir den Kaffee getrunken haben und langsam das Haus verlassen, werden wir von einem strahlend blauen Himmel begrüßt. Nur wenige Wolken ziehen langsam über uns hinweg. Die Fahrräder sind schnell bepackt und bevor es für uns alle vier losgeht, machen wir noch ein Abschiedsfoto. Alberto positioniert sein Handy und wir alle strahlen der Kamera entgegen. Perfekt! Zur Verabschiedung kommt sogar nochmal Luisa, Albertos Tante von nebenan, kurz aus dem Haus und wünscht uns alles Gute. Wir bedanken uns bei ihr nochmal für das hervorragende traditionelle spanische Essen. Es hat uns einfach soooo gut geschmeckt! Es war für uns eine große Ehre, traditionelle Kost von einer spanischen Familie gekocht zu bekommen. Das hat uns wirklich sehr gefreut. Diese Freude bemerkt Luisa und freut sich ebenfalls. Dann nehmen wir Abschied von Alberto und Daniela. Obwohl wir uns eigentlich kaum kennen, fällt uns der Abschied nach 3 gemeinsamen Tagen schwer. Wir wurden so herzlich empfangen, hatten lange und ehrliche Gespräche, dass es sich anfühlt, als hätte man über all die Jahre mehr Kontakt miteinander gehabt. Wir bemerken wieder die Verbundenheit, die durch die gemeinsame Heimat aufkommt. Doch dann ist es soweit. Nach der Umarmung schwingen wir uns auf die Drahtesel und winken uns zum Abschied. Wir fahren die Straße entlang und verschwinden schließlich hinter der nächsten Kurve. Sofort beginnt die Steigung zum Hügel hinauf. Doch… Warum auch immer… Vielleicht sind wir durch Luisas Essen so gut gestärkt oder durch die liebe Gastfreundschaft von Daniela so gut ausgeruht, die Steigung stellt für uns kein Problem da. Gemütlich fahren wir den Hügel hinauf. Natürlich kommen wir zwischendurch kurz ins Schnaufen, doch es ist alles viel harmloser als gedacht. Bereits nach wenigen anstrengenden Minuten haben wir den Hügel geschafft. Oben angekommen erkennen wir noch die Einfahrt zu den Windmühlen und Leuchtturm, doch fahren geradeaus weiter. Immerhin haben wir heute einige Kilometer vor uns. Wie weit wir wollen, steht noch nicht genau fest. Wahrscheinlich werden wir uns kurz vor Valencia in einem kleinen Waldgebiet einen Schlafplatz suchen. Kyra hat bereits etwas bei Google Maps gesehen, wo ganz in der Nähe auch scheinbar viele Wohnmobile und Vans übernachten. Alternativ ist die Idee bereits heute Abend die Fähre nach Mallorca zu nehmen. Die Idee mit Mallorca ist relativ spontan entstanden, da wir einen neuen Plan brauchten. Ursprünglich wollten wir über das Festland von Spanien zurück nach Frankreich, Monacco und dann nach Italien. Doch in den letzten Monaten gefiel uns immer mehr die Idee von Valencia mit der Fähre nach Sardinien zu fahren. In Sardinien wohnt zudem die Familie von Nanni, den wir bereits in Frankreich kennengelernt hatten. Gemeinsam waren wir 1,5 Tagen zusammen gefahren und hatten ein Airbnb für eine Nacht gebucht. Dann stellt sich jedoch heraus, dass die Fähre von Valencia erst in 2 Wochen fährt. So lange wollten wir nun auch nicht mehr warten bzw. konnten es nun auch nicht mehr, da wir in unserer Heimatstadt die Wahlunterlagen für die Bundestagswahl bereits nach Italien angefordert hatten. Mist! Eine gute Alternative sieht nun also eine Fährfahrt mehr vor: Wir fahren von Valencia nach Mallorca nach Barcelona und schließlich nach Italien, in die Nähe von Rom. Wir beide waren noch nie auf Mallorca und freuen uns bereits auf die Insel. Nun heißt es jedoch erstmal Kilometer machen. Wir rasen den Hügel nach Denia hinunter, gehen bei lidl für diesen und die nächsten Tage einkaufen. Anschließend führt uns der Weg zurück an die nun flache Küste. Wir können die Fahrt richtig genießen. Rechts von uns ist das Meer, über uns der blaue Himmel und links sehen wir die Berge. Nach circa 30 km entscheiden wir uns für die erste Pause und möchten etwas am Strand frühstücken. Da sich nebenan ein günstiges Café vom Campingplatz befindet, nutzen wir die Gelegenheit und trinken noch einen Kaffee. Als wir gerade gehen wollen und unsere Sachen zusammenpacken, hören wir am Nachbartisch zwei Pärchen deutsch reden. Sie scheinen sich über unsere Ausrüstung auszutauschen und übers Zelten. Kyra spricht sie spontan an und es entsteht sogleich ein nettes Gespräch. Wir berichten von unserer Route und wie es ist, täglich im Zelt zu schlafen und jeden Tag neue Orte zu sehen.

Sie selbst sind ebenfalls schon viel gereist und haben viel Erfahrung in fernen Ländern gesammelt. Es ist, wie immer, nett sich mit anderen Reisenden auszutauschen. Dann wird das Gespräch politischer und wir reden über die anstehende Bundestagswahl. Wir berichten, wie es für uns möglich war die Briefwahlunterlagen anzufordern und die vier ist begeistert, dass dies möglich ist. Sie überlegen sofort, ob sie ebenfalls noch Briefwahl in Deutschland anfordern sollen. Es war ihnen nicht bewusst, dass es dieses Jahr vielleicht doch möglich ist. Bevor wir auf die Drahtesel steigen, bekommen wir noch eine großzügige Spende zugesteckt. “Hier! Das ist so begeisternd was ihr macht”, sagt der eine Mann. Also wir schließlich weiterfahren bemerken wir, dass wir gar nicht nach den Namen gefragt haben. So sehr hat das Gespräch gefesselt und waren wir von der Spende erstaunt. Vielen Dank nochmal! Spontan fahren wir jedoch nicht weit. Gerade einmal 2km entfernt arbeitet Daniela und sie hatte uns vorgeschlagen, dass sie uns kurz die Anlage zeigt. Die Idee finden wir so toll, dass wir gerne vorbei kommen. Nach kurzem Suchen finden wir sie und werden direkt von der deutschen Chefin angesprochen. “Von euch habe ich ja schon viel gehört! So eine tolle Reise macht ihr. Wahnsinn”, sagt sie und muss anschließend wieder zurück an die Arbeit. Daniela hingegen macht nun Mittagspause und nimmt uns mit auf einen kleinen Rundgang. Wir laufen an einem Reitplatz vorbei, sie zeigt uns die Ställe und den großen Parkplatz, wo die ganzen Tunierteilnehmenden mit ihren großen Wagen stehen. Die Wagen stellen eine Mischung aus Wohnmobil und Pferdeanhänger dar. Sie sind hochmodern und im vorderen Wohnbereich können die Wände zur Seite ausgefahren werden. “Wow! Sowas habe ich ja noch nie gesehen”, stellt Kyra überrascht fest. “Wie teuer werden die nur sein, wenn große Wohnmobile erst bei 300.000 € anfangen?”, überlegt sie laut weiter. Wie wir später erst feststellen, sind sie zumindest so teuer, dass wir keinen Preis auf Anhieb im Internet finden. Nur eine Finanzierungsrate von circa 3000 € monatlich. Während wir weiter unsere Runde drehen, laufen an uns Reiter*innen mit ihren Pferden vorbei und Hunde von diesen, die sich auf dem Gelände frei bewegen. Es ist richtig Bewegung dar, doch laut Daniela ist es heute eher ruhig. Es wird viel repariert, umgebaut und gesäubert, denn gestern war der letzte Turniertag und viele sind bereits wieder abgereist. Wir sind beeindruckt von den Dimensionen und der Möglichkeit, kurz in eine ganz andere Welt einzutauchen, denn bekanntlich ist Pferdesport nicht der günstigste Sport. Wir verabschieden uns ein zweites Mal und schon geht es weiter an der Küste entlang. Die Strecke zieht sich, doch wir kommen gut voran. Nach Cullera ändert sich die Umgebung. Eine unendliche Weite aus Feldern erstreckt sich vor uns. Hier war vor wenigen Monaten die Flutkatastrophe von Valencia. Ende Oktober richteten Überschwemmungen nach ungewöhnlichem Starkregen bei Valencia, Andalusien und Murcia schwere Schäden an. Bis deutlich nach Weihnachten dauerten die Aufräumarbeiten. Viele Haushalte hatten keine Heizung und Strom. Heute sehen wir im Vorbeifahren nicht mehr viel. Die Felder sind neu bestückt, es wird bereits Salat geerntet. Doch wir wissen noch nicht, dass uns später doch noch Folgen der Überschwemmung begegnen sollen. Nun fahren wir erstmal weiter und Michi hat plötzlich eine Idee: “Kyra? Wenn wir so weiterfahren, dann schaffen wir es noch vor Sonnenuntergang nach Valencia. Was meinst du, wenn wir uns gleich zum Sonnenuntergang die Stadt anschauen und dann doch noch heute die Fähre nehmen? Oder möchtest du morgen den ganzen Tag in der Stadt verbringen?”. Kyra findet die Idee Klasse. Wir haben uns bereits ein paar Sehenswürdigkeiten markiert und diese sind in 3 Stunden auf jeden Fall abgefahren. Eine Stadt in der Abendstimmung zu besuchen, ist immer etwas ganz besonderes. Aus diesem Grund ist es eine fabelhafte Idee. Kräftig treten wir weiter in die Pedale und machen nur im Parc Natural de l’Albufera kurz Pause, um den wunderschönen Blick auf den See L’Albufera zu genießen. Die Sonne steht bereits tief am Himmel und spiegelt sich auf der Wasseroberfläche. Kleine Boote schwimmen am Steg und wackeln langsam hin und her. Ansonsten ist die Oberfläche spiegelglatt. Eine schöne Stimmung! Kurz reden wir noch mit einem Spanier, der für eine Zeit in der Schweiz gewohnt hat und seine deutsch Kenntnisse testen möchte. Doch dann, geht es wieder weiter.

Wir erreichen den Industriehafen und sehen die Reste der Überschwemmungen. Am Straßenrand wurden alle Autos abgeladen, die durch die Katastrophe beschädigt wurden. Einige haben nur ein paar Dellen, andere sind komplett kaputt. Alle vereint Schlamm und Dreck am Lack. Es ist beängstigend, die Gewalt der Natur auf diese Art und Weise zu sehen. Wir wollen und können gar nicht erahnen, was für Schicksalsschläge hier passiert sind und wünschen allen Betroffenen nur das Beste für die Zukunft. Nach dem Anblick, müssen wir noch schnell eine weitere Pause machen. Seit einigen Stunden haben wir nichts mehr gegessen und sind über 100 km gefahren. Das macht sich nun bei Michi bemerkbar. Er kommt leicht ins Zitten und braucht dringend etwas Zucker. Als wir gerade sitzen und unsere Lebensmittel rausgeholt haben, geht es auch bei Kyra los. “Das war ja gerade im richtigen Moment”, lachen wir und naschen uns durch. Dann können die letzten Meter kommen. Als wir die Schienen über eine Brücke überqueren und gerade in die Stadt einfahren, geht die Sonne hinter der Stadt unter. Wir sehen im Sonnenuntergang den alten Flussverlauf der Turia, der zu einem Park umgebaut wurde. Ganz am Anfang begrüßt uns das L’Agora, ein großes modernes Gebäude für Sport, Konzerte und andere Events. Gleich dahinter befindet sich das Wissenschaftsmuseum, das 3-D-Kino und das Kulturhaus, wo Opern- und Theateraufführungen stattfinden. Alle Gebäude sind einzigartig und von moderner Architektur. Jetzt in der Abendstimmung werden sie schön beleuchtet.

Wir verlassen den Park jedoch nach wenigen Metern und fahren hinein in die lebendige Stadt. Auf unserer kleinen Touritour fahren wir an der Stierkampfarena vorbei und zu dem Pl. de l’Ajuntament. Anschließend folgten Mercat Central, eine moderne Markthalle mit farbenprächtigen Fliesen, die Kathedrale von Valencia, Lonja de la Seda und die Serranos-Türme. Die Serranos-Türme sind im gotischen Stil und beeindruckend. Sie waren Teil der alten Stadtmauer. Die Stadt gefällt uns beim Hindurchfahren sehr. Sie wirkt lebendig und modern. Es findet ein nettes Nachtleben statt. Wir beobachten das Treiben und fahren über den Park Jardin del Turia zurück in Richtung Hafen. Dabei sehen wir unzählige Menschen Sport treiben. Kinder und Jugendliche spielen Fußball, joggen, fahren Fahrrad oder skaten. Es wird Musik gemacht, getanzt, gesungen… An jeder Ecke ist etwas los. Eine Gruppe macht Yoga und die nächste Boxt. Es ist ein komplettes Durcheinander, doch es gefällt uns. Im Vorbeifahren hören wir viele Sprachen. Neben spanisch und englisch wird auch viel deutsch gesprochen. Kurz vor dem Hafengelände angekommen, wird es plötzlich richtig laut. Ein Kapelle übt und die Musik treibt weit in die Ferne. Eine zweite Kapelle spielt nicht weit entfernt. Für kurze Zeit mischen sich die Geräusche, dann fahren wir von der zweiten angetrieben tiefer in den Hafen hinein. Erst spät stellen wir fest, dass wir in die falsche Richtung unterwegs sind. Wir drehen und fahren zurück. Dann erblicken wir das Schild einer Fährgesellschaft, die nach Mallorca fährt. Spontan entscheiden wir uns für diese und schieben die Drahtesel in das Fährhaus hinein.

Sogleich stellen wir uns zum Kauf der Tickets am Schalter an, doch als wir den Preis hören, stutzen wir. Im Internet war es doch wesentlich günstiger? Wir entschuldigen uns und verlassen den Schalter wieder. Tatsache! Nur eine Minute später reservieren wir online Tickets für fast die Hälfte des Preises. Verrückt. Anschließend machen wir es uns auf einer Bank gemütlich und essen eine Kleinigkeit zu Abend. Damit es auf der Fähre nicht zu kalt wird, wechseln wir noch unsere kurzen Hosen in lange Hosen. Während Michi gerade auf der Toilette ist, kommt ein Beschäftigter der Fähre auf Kyra zugelaufen. Wir müssen jetzt los! “Michi? Wir müssen” ruft Kyra in die Männertoilette und eilend gehen wir zum gezeigten Ort. Dort angekommen, staunen wir nicht schlecht. Wir sollen alle Taschen abnehmen, denn diese müssen durchleuchtet werden. Die Beschäftigten staunen anscheinend ebenfalls nicht schlecht, denn wir sind mit unseren zahlreichen Taschen für ihren Geschmack etwas zu langsam. Als sie sehen, was wir alles abnehmen müssen, dürfen wir einige Taschen doch dran lassen. So wird nur die Hälfte durchleuchtet und schon geht es weiter. Ein Auto fährt draußen vor, dem wir folgen sollen. In Schrittgeschwindigkeit geht es der Fähre entgegen. Hier dürfen wir dann die Fahrräder an Bord auf das höchste Deck schieben. Es geht steil hinauf und der Boden ist rutschig. Mit großer Mühe und viel Kraft schaffen wir es. Oben angekommen, sind wir beide ziemlich fertig. Doch dann müssen wir einfach nur noch lachen. Die Drahtesel sollen in einen Container gestellt werden, der komplett zugeparkt ist. Somit heißt es erneut: Alle Taschen abpacken! Wir tragen Fahrräder und Taschen sorgfältig durch die eng geparkten Autos hindurch und schaffen es, wenige Minuten vor dem Ablegen der Fähre fertig zu sein. Puh! Inzwischen ist es sogar richtig kalt geworden, weshalb wir froh sind, nun schnell innen zu sein. In Ruhe schauen wir uns um und finden eine Ecke, wo wir uns in wenigen Minuten mit unseren Luftmatratzen und Schlafsäcken hinlegen möchten. Doch zuvor ist noch großes Treiben an Bord. Im Speiseraum klirren die Teller und die Kaffeemaschine ist laut im Einsatz. Wir naschen auch noch eine Kleinigkeit. Erst als es nach einer Stunde endlich leiser wird und die ersten sich zum Schlafen auf dem großen, geschwungenen Sofa gemütlich machen, schieben wir unsere Stühle zur Seite und machen unser Nachtlager fertig. Gute Nacht!