Tag 252 - Die Wohnung von Alisia

Fahrrad-Weltreise: Campo di mare nach Lido di Ostia

08.02.2025

Lesedauer ca. 7 min

Verschlafen öffnen wir die Augen. Wir sind noch immer müde und keineswegs ausgeschlafen, doch wir haben uns zum Kaffee trinken mit Jim verabredet. Draußen ist es grau. Wir überlegen, wann wir das letzte Mal einen so grauen Himmel gesehen haben und tun uns dabei echt schwer. Das Wetter meinte es in letzter Zeit zu gut mit uns. Langsam strecken wir uns, ziehen uns an und verlassen das Zelt. Jim hat inzwischen seine Autotür bereits geöffnet und Wasser aufgesetzt. Doch zuvor müssen wir noch auf die Toilette. Michi schafft es noch so gerade vor den ersten Menschen zu gehen, doch als Kyra ebenfalls heimlich Pipi machen möchte, ist plötzlich alles voller Menschen am Strand. Mist… Na, dann hilft nur anhalten und erstmal Kaffee trinken. Doch der Kaffee muss noch länger warten. In der Ferne wird es bedrohlich dunkel und da es auf unseren verschiedenen Handys vielleicht gleich regnen soll, entscheiden wir uns noch schnell das trockene Zelt einzupacken. Das ist zum Glück schnell erledigt, da wir das Innere bereits nach dem Aufstehen eingeräumt hatten. Dann setzen wir uns vor das Auto von Jim, trinken Kaffee und essen etwas Müsli. Jim hat heute Morgen bereits recherchiert, wie er nach Tunesien kommen könnte. Noch ist er sich nicht ganz sicher, ob er noch nach Rom reinfährt oder nicht und von wo er die Fähre nimmt. Fährt er etwas in den Süden, hat er lustigerweise eine längere Überfahrt vor sich, als wenn er zum Hafen von gestern Nacht zurückfährt. Leider können wir ihm diese Entscheidung nicht abnehmen und dann wird es Zeit sich zu verabschieden. Wir machen noch ein Foto zusammen, wünschen uns gegenseitig viel Freude, Spaß und Glück und schon fahren wir getrennte Wege. Während wir davon rollen, drehen wir uns noch einmal um und winken, doch Jim ist bereits in seiner Routine angekommen und macht das Auto startklar. Als wir uns wieder nach vorne drehen, sprechen uns zwei Italiener an. Zunächst versuchen sie mit  Michi auf italienisch zu sprechen, doch als sie bemerken, dass wir nicht verstehen, sprechen sie Kyra auf englisch an. “Where are you from?”, fragen sie begeistert. Kyra antwortet: “Germany”. “You drove all the way here from Germany? That’s crazy! How long did that take?”, fragt der jüngere Mann weiter. Kyra lacht freundlich und stolz: “8 months! But we didn’t take the direct route. We had already been to the Netherlands, Belgium, France, Great Britain, Ireland, Spain, Portugal and Morocco. We arrived yesterday on the ferry from Barcelona.” Jetzt müssen auch die beiden Männer lachen, damit hatten sie anscheinend nicht gerechnet. Michi, der etwas weiter vorne war und zunächst umdrehen musste, kommt herbei. “You rarely see that.” sagt wieder der jüngere Mann und lächelt uns beiden weiter zu. Als eine Frau vorbei läuft, die die beiden scheinbar kennen, rufen sie ihr zu, was wir machen. Auch die Frau lacht und gesellt sich kurz hinzu. Sie erklärt uns eine Sehenswürdigkeit in der Nähe, doch sie scheint für uns zu weit weg zu sein. Noch während wir miteinander erzählen, sind wir begeistert, wie gut die drei englisch sprechen. Dann scheinen sie weiter zu müssen und wir treten wieder in die Pedale.

Unser erstes Ziel für heute ist eine Toilette, denn Kyra muss noch immer auf Toilette. Mittlerweile müssen wir beide zudem für ein großes Geschäft aufs WC. Zum Glück soll ganz in der Nähe ein McDonalds sein, welches man für solche Angelegenheiten immer gut nutzen kann, solange kein Zahlencode gefordert wird. Wir glauben schon an dem Geschäft vorbei gefahren zu sein, da taucht es plötzlich rechts von uns auf. Kyra bestellt zwei Cappuccino und ein Croissant, während Michi bereits auf die Toilette rennt. Anschließend tauschen wir unsere Plätze und trinken den Cappuccino in Ruhe in der Sonne, die sich für wenige Minuten gerade zeigt. Doch wir genießen nicht nur die Sonne, auch das Croissant lädt zum Genießen ein. Es schmeckt wesentlich besser als gedacht und ist mit Pistazie gefüllt. Da könnten wir glatt noch ein zweites Essen, doch wir verzichten und telefonieren jeweils eine Weile mit unseren Eltern. Anschließend geht es weiter. Wir folgen zunächst immer der Hauptstraße, bis wir diese nach rechts verlassen. Die Landschaft verändert sich jedoch nicht viel. Es ist fast genauso grün wie in Spanien um uns herum. Der Rasen steht hoch und viele Nadelbäume befinden sich am Straßenrand. Nur wenige Laubbäume sind komplett frei und verraten, dass wir aktuell Winter haben. Dann erblickt Kyra links von uns ein auf dem Boden rollendes Flugzeug in der Ferne und rechts von uns ein weiteres, welches sich schnell nähert. Und erst jetzt erkennen wir, dass wir gerade unweit des Flughafens “Aeroporto di Roma-Ficumicino” fahren. Es scheint ein riesiger Flughafen zu sein, denn die Flugzeuge landen und starten im Minutentakt. Als wir abbiegen, fahren wir auf einem Fahrradweg parallel zur Landebahn. Schnell können wir den Rhythmus erkennen, dass immer drei Flugzeuge von unserer parallelen Landebahn starten, anschließend drei landen und dann die Landebahn gewechselt wird. Nach weiteren 3 landenden und startenden Fliegern, wird erneut die Landebahn neben uns genutzt. Obwohl wir auf unserer Reise nicht fliegen möchten und aus Klimaschutz-Gründen bereits über ein Jahrzehnt darauf verzichtet haben, sind wir fasziniert von der scheinbaren Leichtigkeit und Freiheit der Flugzeuge. Da Michi sowieso auf Toilette muss und Kyra etwas Hunger bekommt, nutzen wir den Moment und machen kurz Pause. Wir beobachten die Flugzeuge bei ihren Starts und Landungen sowie die Fahrten zu den Landebahnen. Unweit von uns beobachtet die gleiche Szenerie ein Vater mit seinem Sohn. Es ist wirklich spannend und bei jedem Start eines Flugzeugs auf der Landebahn, die im 90° Winkel zu uns ist, haben wir das Gefühl, dass das Flugzeug direkt auf uns zufährt. Doch dann wird uns vom starken Wind kalt. Wir fahren weiter gegen den Wind und freuen uns, als der Flughafen und somit die große Freifläche endet. Etwas windgeschützter können wieder eine höhere Geschwindigkeit aufbauen. Doch trotzdem sind wir zu spät. 10 km vor unserem heutigen Ziel fängt es an zu regnen. Zunächst nur ganz leicht, doch es wird bereits langsam stärker. Ein letztes Stück müssen wir noch einmal auf die Hauptstraße zurücklegen, um zwei Flüsse überqueren zu können, für die es sonst keine andere Brücke gibt. Mit zunehmendem Regen und starkem Straßenverkehr nähern wir uns Lido di Ostia. Bereits ziemlich nass fahren wir von der Hauptstraße hinunter. Mit dem schlechten Wetter ist ebenfalls unsere Laune gekippt. Grundlos zicken wir uns gegenseitig an, denn Kyra möchte gerne ihre Regenjacke anziehen und hat in der Eile etwas falsch verstanden. Michi hingegen möchte ohne weiterfahren, da er eh bereits durchnässt ist. So fahren wir mit bzw. ohne Regenjacke die letzten 3 Kilometer zu Alisias Wohnung. Dort angekommen sind wir bis auf die Haut nass. Doch, das macht heute nicht viel aus. Wir dürfen in Alisias Wohnung bleiben, uns ausruhen und Rom erkunden. Sie selbst ist aktuell in Australien. Eine Freundin wartet bereits in ihrer Wohnung, um uns die Tür zu öffnen und die Schlüssel zu übergeben. Das ist so unglaublich nett! Fiorella empfängt uns mit einem typischen italienischen “Ciao”. Sie braucht kurz um warm zu werden, was an unseren mangelnden italienischen Kenntnissen liegt. Wir versuchen uns mit Händen und Füßen sowie einen Übersetzer zu verständigen. Sie erklärt uns, dass wir die Taschen abpacken sollen, bringt uns zum Aufzug und zeigt uns die Wohnung. Hier wartet sie, bis wir auch die restlichen Taschen und Drahtesel hinauf getragen haben. Sie tippt zum Abschied auf ihr Handy: “Se avete bisogno di qualcosa, contattateci!”, was der Übersetzer übersetzt mit: “Wenn ihr etwas braucht, dann meldet euch”. Wir bedanken uns freundlich und verabschieden uns anschließend. Dann stehen wir alleine in der Wohnung. Es ist unglaublich, was für ein großes Vertrauen Alisia in uns hat. Wir kennen uns kurz. Vor jetzt über 6 Monaten haben wir uns beim gemeinsamen Warten auf die Fähre zu den Shetlands auf den Orkneys kennengelernt. Sie war mit ihrem Mann Jim unterwegs. Mit dem Fahrrad haben sie ebenfalls die Inselgruppe erkundet. Die Fährfahrt war zudem die Nacht, in der Kyra 31 Jahre alt geworden ist. Wir hatten einen netten Abend und haben uns am nächsten Morgen noch einmal nach der Fährfahrt gesehen. Danach standen wir ständig über Nachrichten in Kontakt. Somit kennen wir uns eigentlich kaum. Doch Radreisen verbindet! Egal welches Alter, welche Herkunft, welches Geschlecht… Und nun stehen wir über 6 Monate später in ihrer Wohnung in der Nähe von Rom. Verrückt! Wir sind ihr unglaublich dankbar, denn eine längere Unterkunft in Rom wäre für uns wahrscheinlich unbezahlbar gewesen. Hier warten wir nun auf unsere Briefwahlunterlagen, aktualisieren den Blog, die Ottifantenseite und wollen vielleicht etwas an Videos schneiden. Zudem schauen wir uns natürlich Rom an! Doch heute Abend haben wir erstmal nichts mehr vor. Wir ziehen unsere nassen Anziehsachen aus und werfen diese sofort in die Waschmaschine. Dann entdeckt Michi die Badewanne und lässt heißes Wasser ein. Zitternd vor kälte legen wir uns zusammen in die heiße Wanne, wärmen uns auf und kochen anschließend Nudeln mit Tomatensoße und Thunfisch. Dann legen wir uns ins Bett, gucken etwas Serie und schlafen früh ein. Gute Nacht!