Tag 251 - 21 h Fähre

Fahrrad-Weltreise: Mittelmeer nach Campo di mare

07.02.2025

Lesedauer ca. 8 min

Es ist dunkel und muffig im Raum auf Deck 8. Hier wollen wir nicht bleiben. Doch kaum sind wir oben und pusten unsere Isomatten auf den Steinbänken auf, kommt ein Mitarbeiter des Sicherheitsteams der Fähre und schickt uns weg. Auch dieser spricht kein englisch und tippt in den Übersetzer, dass wir auf Deck 8 schlafen sollen. Wir versuchen ihm zu erklären, dass dieser Raum sehr voll ist und die anderen verschlossen, doch leider hilft das nicht weiter. Unsere einzige erlaubte Option, mit Isomatten auf dem Boden zu schlafen, ist Deck 8. Also gehen wir zurück und hoffen auf eine letzte freie Fläche. Nun reist auch noch der Tragegurt von Michis Tasche. “Klasse!”, sagt Michi endgültig genervt. Wir suchen in der Dunkelheit und zum Glück finden wir noch ein Plätzchen und schlafen schnell ein. Wir liegen auf dem Boden des kleinen muffigen Raumes auf Deck 8. Um uns herum sind zahlreiche Armsessel-Stühle, in welchen zum Teil andere Reisende schlafen. Hin und wieder hören wir die Spülung der Toilette sowie den lauten Handtrockner, denn wir haben den Schlafplatz gleich neben der Wand zum WC gewählt. Der restliche Boden ist ebenso mit zahlreichen anderen schlafenden Menschen bedeckt. Obwohl wir große Bedenken hatten, war die Nacht dann doch nicht so schlimm, wie gedacht. Wir waren ein paar Mal wach, doch im Großen und Ganzen haben wir recht gut geschlafen. Obwohl es noch früh ist und die meisten anderen noch in der tiefen Traumwelt verschwunden sind, stehen wir auf. Leise tragen wir unsere Sachen vor die Tür und lassen dort die Luft aus den Matratzen. Dann gehen wir hinauf zu Deck 10. Hier befindet sich der “öffentliche Teil” der Fähre. Es gibt ein Restaurant mit Bedienung und Kartenbestellung, eine Art Mensa, ein zweites Restaurant mit Selbstbedienung, ein Café sowie eine Bar mit Bühne. Auch vorhanden, jedoch geschlossen sind das Casino, der Kinderspielbereich, die Eisdiele und zwei Geschäfte. Man könnte sich auf Deck 10 glatt verlaufen. Auch wenn der Kaffee nicht so günstig ist, entscheiden wir uns spontan für zwei Cappuccino, um wach zu werden. Mit den heißen Getränken suchen wir uns anschließend einen Platz an einer Steckdose aus. Leider bemerken wir erst, als wir bereits sitzen und alles ausgepackt haben, dass die Steckdosen scheinbar nicht funktionieren. Egal… Nun bleiben wir hier. Motiviert klappen wir die Laptops auf und beginnen Blog zu schreiben. In den letzten Tagen ist so viel passiert, dass wir mit dem Schreiben gar nicht hinterher gekommen sind. Doch bevor wir uns so richtig vertiefen, sehen wir die zwei Französinnen von gestern wieder. Die beiden sind mit Rucksack unterwegs und scheinen ebenfalls keine Kabine gebucht zu haben. Kyra spricht sie an: “Hi, we saw you checking in yesterday. Don’t you have a cabin either? Where did you sleep?” Eine von beiden antwortet uns: “Ah, you’re the one with the bikes? Yes, we saw you too. We slept on deck 8 in the small dark room.” Wir tauschen uns über die Erfahrungen im “kleinen dunklen Raum auf Deck 8” aus und lachen darüber. Gemeinsam stellen wir fest, dass wir noch nie eine so komische Fähre hatten, was die Vorschriften zum Schlafen angeht. Normalerweise darf man, solange man nicht mitten im Weg liegt, auf Fähren überall seine Luftmatratze aufblasen und schlafen. Zumindest wurde es auf JEDER bisherigen Fähre geduldet, aber nicht hier… Hier ist es nur auf Deck 8 in einem kleinen dunklen Raum erlaubt, der aufgrund der Anzahl an schlafenden Menschen ziemlich am Miefen war. Die beiden möchten nach der Fährfahrt direkt den Zug in den Süden nach Sizilien nehmen. Von dort aus geht es dann zurück in Richtung Norden. Ganz genau wissen sie ihre Strecke mit dem Rucksack jedoch noch nicht, denn ihr ursprünglicher Plan war Mexiko. In letzter Sekunde haben sie jedoch alles über den Haufen geworfen, da die Flugangst der einen zu groß war. Nun sitzen sie mit uns auf der Fähre und sind noch ganz am Anfang ihres Abenteuers. Einen Endpunkt haben sie, wie wir, ebenfalls nicht. Es soll so lange weitergehen, bis ihnen das Geld ausgeht. Geplant sind mit dem vorhandenen Geld ungefähr 5 Monate. Nach dem kurzen, aber netten Gespräch, verabschieden wir uns wieder und schreiben weiter. Erneut vertiefen wir uns jedoch nicht wirklich, denn der Motorradfahrer von Gestern kommt an unserem Tisch vorbei. Nello fragt uns, wie unsere Nacht war und wir berichten. Er bietet uns an, dass wir bei ihm in der Kabine duschen dürfen, doch wir lehnen ab: “Thanks! We just had a shower yesterday and still feel very fresh.” Anschließend unterhalten wir uns noch kurz und Nello schlägt vor uns seine Handynummer zu geben, damit er uns in Italien unterstützen kann, falls wir einmal Hilfe benötigen. So unglaublich nett! Dann geht er weiter und möchte sich das Sonnendeck anschauen. Keine Minute später sehen wir Jim an unserem Tisch vorbeilaufen. Der Engländer hatte uns letzte Nacht auf Deck 10 angesprochen, als wir gerade versuchten, dem dunklen kleinen Raum auf Deck 8 auszuweichen. Er hat tatsächlich hier im Sitzen geschlafen, denn ihm war der miefige Raum auf Deck 8 zu unangenehm. Jim erzählt uns von seinen zahlreichen Reisen und dem Ziel in 100 Länder gereist zu sein. Jetzt ist er bei 96 Ländern. Sein Land 97 soll Tunesien sein. Wie er dorthin kommt, weiß es noch nicht so genau, aber das wird sich zeigen. Während Michi mit Jim noch quatscht, fängt Kyra wieder langsam an zu schreiben. Dann schreibt auch Michi weiter am Blog und Jim liest etwas. Wir schaffen es schließlich uns zu vertiefen und mehrere Tage abzuarbeiten. Dann ist es Zeit für eine Mittagspause. Wir trinken einen zweiten Kaffee und essen Baguette. Anschließend macht Kyra einen Mittagsschlaf. So verfliegen die Stunden an Bord schnell.

Nach der Pause schreiben wir weiter und quatschen noch ein bisschen mit Jim sowie einem weiteren Reisenden, der gerne Surft. Er war ebenfalls schon in vielen Ländern. Wir tauschen uns über Marokko und Spanien aus. Es ist wirklich nett sich mit anderen Reisenden auszutauschen, doch wir merken wieder, dass es ein ganz anderes Reisen ist, wenn man wie die beiden mit dem Camper unterwegs ist. Mit dem Fahrrad können wir an Kilometern und Geschwindigkeit einfach nicht mithalten. Dafür erleben wir andere Sachen, wir können von Einladungen berichten und von kuriosen Schlafstellen. Zwischendurch findet ein Probealarm für die Crew statt und wir gehen nacheinander aufs Sonnendeck, um uns aus der Ferne Sardinien und Korsika anzusehen. In diesem Moment haben wir kurz Netz und Internet, was wir dafür nutzen uns bereits nach möglichen Schlafplätzen auf dem italienischen Festland umzusehen. Dann ist es soweit. Eine Durchsage weist uns darauf hin, dass wir in zwei Stunden Italien erreichen und sich alle Passagiere auf Deck 10 aufhalten sollen. Nach und nach wird es somit immer voller. Schließlich werden wir nach unseren leeren Stühlen gefragt und der gesamte Raum ist belegt. Da kommt Jim bei uns vorbei: “Everything is free at the front of the bar! The bar is closed, but they seem to have left the room open this time.” Aus Sorge erneut von A nach B geschickt zu werden, folgt zunächst nur Kyra Jim nach vorne. Michi bleibt noch eine Weile sitzen. Doch Jim scheint recht zu haben, der Raum bleibt trotz geschlossener Bar geöffnet. Kyra holt Michi nach vorne und wir machen es uns auf den Sofas gemütlich. Während wir die letzten zwei Stunden warten, schreiben wir noch etwas Blog. In der Zwischenzeit wird die Bar geöffnet und wieder geschlossen. 30 min vor Ankunft ruft die Mitarbeiterin etwas auf spanisch in die kleine Menschenmasse. Wir verstehen zwar ihre Worte nicht, doch die Handbewegung dazu ist eindeutig: Wir sollen die Bar verlassen. “Das gibt es doch nicht”, sagt Kyra und Michi im gleichen Moment: “Das war ja klar…”. Langsam packen wir unsere Sachen zusammen und stellen uns noch kurz  mit Jim vor die Glastüre der Bar. Wir tauschen unsere Nummer aus und verabschieden uns. Dann suchen wir den Weg zum Autodeck, wo wir laut Mitarbeiter noch circa 10  min warten sollen, bis der Durchgang sich öffnet. Pünktlich öffnet er 10 min später den Durchgang und zahlreiche Menschen stürmen den Gang. Alle wollen schnellstmöglich zu ihren Autos und haben Sorge, sie könnten mit ihrem Auto die Ausfahrt anderer verhindern. Auch wir, die ganz vorne stehen, haben etwas Sorge, dass die LKWs bereits die Fähre verlassen. Wir laufen mit der Menschenmasse die Decks hinunter und sehen auf Deck 4 angekommen Emil und Elias friedlich stehen. Der Radfahrer Evan von gestern kommt hinzu. Wir drei bepacken unsere Räder und schon starten die ersten LKWs von der Fähre. Zunächst müssen wir noch warten, doch dann werden wir ebenso rausgewunken. Auch in diesem Moment ist alles anders als bei anderen Fähren. Wir dürfen nicht die normale Straße mit den Autos fahren, sondern müssen den Fußgängerweg nehmen. Dieser endet in einer Passkontrolle mit Flughafen-Metalldetektoren. Wir werden jedoch einfach hindurch gewunken. Elias schafft es noch gut hindurch, Emil ist jedoch zu breit, weshalb Michi von hinten nachhelfen muss. Dann sind wir draußen und wissen nicht so wirklich wohin. Zum Glück war Evan bereits einmal hier und hat so eine Idee. Wir folgen ihm hinaus aus dem Hafen und befinden uns auf den Straßen von Civitavecchia. Wir sind in Italien! Da heute Freitag ist und neben dem Hafen sogleich ein paar Bars folgen, ist hier reger Betrieb. Insbesondere jüngere Menschen als wir stehen auf der Straße und gucken etwas verdutzt, als wir drei mit unseren bepackten Rädern vorbeifahren. Dann muss Evan abbiegen, denn er will mit dem Zug weiter. Wir haben zwar kaum Zeit miteinander verbracht, aber trotzdem ist es immer wieder nett, sich mit anderen Radreisenden auszutauschen. Auf uns allein gestellt, geht es weiter. Es ist bereits dunkel und die Straßen sind wenig beleuchtet. Viel erkennen wir von der italienischen Landschaft nicht, aber das ist für uns in diesem Moment auch nicht schlimm. Wir sind müde und wollen eigentlich nur noch einen Schlafplatz finden. Jim hatte uns einen Parkplatz in wenigen Kilometern empfohlen und Kyra hatte einen Strand mit Rasenfläche in circa 20 km gesehen. Beide Punkte möchten wir nun abfahren. Der Parkplatz ist sehr schnell erreicht und kommt für uns nicht infrage. Er ist einfach zu nah an der Stadt und hat nur Asphalt als Boden, zudem ist er durch Straßenlaternen beleuchtet. Für jeden Dieb oder die Polizei sind wir somit bereits auf viele Meter sichtbar. Zum Glück ist die Straße flach und so gehen die nächsten Kilometer schnell vorbei. Wir bekommen etwas Wind von vorne und Regen ab, doch beides ist noch im Rahmen. Dann hupt es hinter uns und wir sehen ein britisches Kennzeichen. “Jim!”, ruft Michi von vorne und wir winken ihm. Scheinbar hat ihm der erste Schlafplatz auch nicht zugesagt. Schnell erreichen wir unsere zweite Möglichkeit, doch leider ist die Straße zum Meer durch ein Tor abgesperrt. Mist! Planlos fahren wir weiter. In diesem Moment schreibt uns Jim, dass er ebenfalls weiter fährt und sich meldet, wenn er etwas Gutes findet. Tatsächlich! Keine 5 min später klingelt Michis Handy und Jim schickt uns einen Standort. Leider können wir ihn am Handy kaum verstehen, sagen jedoch, versprechen ihm jedoch, vorbei zu kommen. Auch die 5 km sind schnell geschafft und keine 15 min später stehen wir auf dem Rasen-Parkplatz. Jim hat bereits heißes Wasser für uns aufgesetzt. Während wir das Zelt aufbauen, macht er uns Licht und anschließend lassen wir den Abend noch bei einem Tee ausklingen. “I could hardly believe how far you had already come when I drove past you.”, sagt er beeindruckt. Wir grinsen stolz und gehen nach einem kurzen Gespräch müde ins Bett. Es ist kurz vor Mitternacht, als wir die Augen schließlich schließen. Gute Nacht!