Tag 287 - Ein heißer Sommertag im Winter

Fahrrad-Weltreise: Santa Cristina d'Aspromonte (Kein Radfahrtag)

15.03.2025

Lesedauer ca. 6 min

Nadine, der Wachhund hält uns in der Nacht auf Trapp. Immer wieder bellt sie laut und heult, da sie angeleint und alleine im Dunkeln am Gebäude steht. Wahrscheinlich ist Nadine einer der treusten Hunde der Welt und vermisst nachts einfach nur ihr Herrchen, der im Dorf den Berg hinauf schläft. Jetzt wo wir hier im Zelt sind, scheint es für sie besonders schwer zu sein. Als wir in der Nacht zur Toilette müssen, versuchen wir sie zu beruhigen. Es gibt ein paar Streicheleinheiten, doch sobald wir in Richtung Zelt gehen, fängt sie wieder an zu weinen. Wir fühlen uns schlecht, dass wir nicht mehr für sie tun können und wir vielleicht der Auslöser sind. Etwas geknickt gehen wir ins Zelt und versuchen zu schlafen. Nach einer Weile wird auch Nadine ruhig und die Nacht kann tatsächlich beginnen. Wir erwachen bereits früh erneut vom Bellen der Hündin. Sofort schreiben wir unserem Gastgeber Eusebio, ob es in Ordnung ist, wenn wir Nadine von der Leine lassen. Er antwortet mit “Si certamente, potete lasciare Nadine” was so viel bedeutet, wie “natürlich kannst du Nadine von der Leine lassen”. Das setzen wir sofort um und Nadine rennt aufgeweckt und freudig über das Grundstück. Danach kommt sie wieder zu uns zurück und legt sich schwanzwedelnd in die Sonne. Wir setzen uns vor das Zelt und frühstücken Müsli. Die Sonne scheint uns freudig an und die Vögel zwitschern in einer erstaunlichen Lautstärke, während der Wind durch die Blätter der Olivenbäume weht. Es ist ein purer Traum. Es ist ausnahmsweise kein Auto, kein Flugzeug oder sonstiger Lärm zu hören. Nicht einmal eine menschliche Stimme. Wir genießen die Ruhe und lassen uns Zeit. Anschließend duschen wir und telefonieren mit Kyras Mutter. Als wir fertig mit dem Frühstück sind, legen wir uns vors Zelt. Nach einer Weile öffnet sich das Tor und Francesco, der Sohn von Eusebio, kommt hinein. Er setzt sich vor das Häuschen und Michi fragt, ob er einen Kaffee mit uns trinken möchte. Dankend nimmt er an. Wir setzen uns gemeinsam vor unser kleines Zelt und holen den Drachen (unseren Kocher) heraus. Das Wasser kocht schnell und Kyra wäscht ebenso schnell in der Zwischenzeit die Wäsche. Diese hängt sie an einer Wäscheleine neben dem Zelt auf, die sanft im Wind hin und her wackelt. Wir verständigen uns über den Übersetzer und erfahren, dass Francesco einen kleinen Sohn hat. Zusammen probieren wir eine Kumquat vom Baum.

Für Francesco ist das Innere zu sauer, weshalb er nur die Schale ist. Wir essen die gesamte Frucht und kneifen die Augen fest zusammen. Sauer macht lustig! Kurz darauf kommt auch Eusebio und begrüßt uns mit den Worten, dass er etwas zum Mittagessen vorbereiten wird. Was für eine Gastfreundschaft! Erneut dürfen wir nicht helfen. Auf italienisch werden wir gefragt, ob wir uns das Gelände bereits angeschaut haben. Wir verneinen. Eusebio schlägt sofort vor, dass wir gerne einen kleinen Spaziergang über den Olivenhain unternehmen können, während er mit seinem Sohn kocht. Oben am Ende des Hains steht ein Mandarinenbaum, dort dürfen wir so viele Mandarinen pflücken, wie wir wollen. Kyra erzählt ihm freudig, dass es für uns eine Besonderheit ist, da man in Deutschland eher selten Mandarinen frisch vom Baum pflückt. Eusebio strahlt übers ganze Gesicht und meint zu uns, dass wir die Situation gerne ausnutzen sollen. Wir lachen und machen uns auf den Weg. Das Grundstück ist riesig! Die Olivenbäume sind bis zu 600 Jahre alt und haben ein unglaubliches Wurzelwerk, welches man bereits über der Erdoberfläche zieht. Erst einige Minuten später erreichen wir das Ende des Zauns und sogleich entdecken wir den prall gefüllten Baum. Neben dem Mandarinenbaum steht ebenso ein Orangenbaum und Zitronenbaum. Der Orangenbaum ist bereits geerntet, doch Mandarinen und Zitronen sind im Überfluss vorhanden. Wir pflücken uns jeweils eine und genießen den unglaublich starken Geruch nach frischer Zitrusfrucht. Die Früchte riechen einfach so viel Intensiver, als im deutschen Supermarkt. Auf dem Weg zurück, folgen wir der Schlucht neben dem Grundstück. Es geht steil hinab. Wir kommen jedoch heil zurück und fragen erneut, ob wir irgendetwas tun können.

 Francesco sagt, dass wir ihm gerne zugucken können, denn er ist Koch und zeigt uns, wie er die Pasta zubereitet. Eusebio bereitet eine große Blätterteigtasche mit Spinat vor und Francesco kocht Nudeln. Es scheint typisch zu sein, auch am Mittag mehr als nur einen Gang zu essen. Als beides fertig ist, genießen wir das Festmahl und es schmeckt köstlich. Erneut werden wir ziemlich verwöhnt. Zum Nachtisch essen wir Obst. Anschließend schlägt uns Eusebio erneut vor, dass wir uns die Umgebung anschauen können. Es gibt einen kleinen Pfad, der hinunter zum Bach führt. Dort sieht es typisch für die Region von Kalabrien aus. Natürlich sind Olivenhaine auch typisch, aber sie sind halt vom Menschen angelegt, fährt er fort. Wir stimmen zu und laufen den von ihm gezeigten Weg.

Zunächst führt er uns wunderschön über einen weiteren Olivenhain. Nach einem kleinen Haus wird der Weg schmaler und ist an einigen Stellen überwuchert. Dann wird es etwas steiniger und steiler, doch es bleibt traumhaft. Wir folgen dem Pfad und gelangen immer tiefer, bis wir den Bach sehen können. Zunächst bewundern wir jedoch noch die alten verlassenen und verfallenen Häuser, die auf unserem Weg liegen. Als wir anschließend einen Platz für eine Mandarinen-Pause suchen, ruft Michi plötzlich “Wildschwein!” und Kyra sieht noch so gerade 3 kleine Ferkel hinterher rennen. “Oh, wow! So viele”, sagt sie aufgeregt. Doch die 5 oder 6 Tiere haben sich so erschrocken, dass sie bereits das Weite gesucht haben. Wir setzen uns neben einen Orangenbaum und machen unsere kleine Pause. Dann wird es Zeit für den Rückweg. Da Michi unsere kleine Wanderung bei komoot aufzeichnet, entscheiden wir uns spontan, einen anderen Weg zu nehmen. Über einen alten verwilderten Olivenhain nehmen wir die einstigen Stufen von Etage zu Etage voller Olivenbäume zurück den Berg hinauf. Dabei nähern wir uns dem Ende des Hains, wo die Wildschweine herkamen. Aus diesem Grund reden wir laut miteinander, damit wir die Tiere nicht erschrecken. Schnell erreichen wir unseren Pfad wieder und laufen zurück. Was für eine schöne Abwechslung vom Radfahren!

Als wir das Haus erreichen, sehen wir, dass Eusebio kleine Kekse für heute Abend als Nachtisch vorbereitet hat. Sie sehen und riechen bereits jetzt fantastisch aus, doch wir müssen uns noch etwas gedulden. Die Zeit nutzen wir, um Fridolin (unsere Drohne) steigen zu lassen. Eusebio haben wir versprochen, eine Aufnahme von seinem Grundstück zu machen. Francesco begleitet Michi, als er mit Frido das gesamte Grundstück einmal abfliegt. In der Zwischenzeit schreibt Kyra etwas Blog und Eusebio bereitet bereits das Abendessen vor. Erneut werden wir zum Essen eingeladen und dürfen nicht helfen. Und erneut schmeckt das Essen fantastisch! Richtige italienische Hausmannskost. So toll, dass wir das erleben dürfen. Wir quatschen ein wenig beim Essen über den Übersetzer und erfahren, dass Francesco den morgigen Tag mit seiner Familie verbringen wird, aus diesem Grund werden wir uns nicht mehr sehen. Eusebio wird ebenfalls unterwegs sein. In der Nähe sind momentan so viele Wildschweine, dass vom Staat die Jagdzeit verlängert wurde. Er ist morgens zum Jagen verabredet. Nun fragt er, ob wir noch bis Mittag bleiben, doch er könnte keine Uhrzeit versprechen, wann er zurück ist. Ganz spontan entscheiden wir gemeinsam, einfach noch einen Tag zu bleiben. So können wir die Drohnenaufnahmen von seinem Grundstück schneiden und noch etwas an unseren Projekten arbeiten. Wir alle freuen uns und verabschieden uns für die Nacht. Gute Nacht!